Neue TÜV-Regel für ältere Autos: "Würde vor allem Menschen mit kleinerem Einkommen treffen"

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Die EU-Kommission plant strengere TÜV-Regeln für ältere Autos, die für Diskussionen in Deutschland sorgen. Kritiker sehen in den Vorschlägen überflüssige Bürokratie, während Befürworter auf mehr Verkehrssicherheit hoffen. Vor allem aus zwei Bundesländern kommt Gegenwind.

Die Europäische Kommission hat neue Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssicherheit vorgelegt. Besonders im Fokus steht dabei eine jährliche Pflichtinspektion für Autos, die älter als zehn Jahre sind. Bevor die Regelung in Kraft treten kann, müssen jedoch sowohl das Europaparlament als auch die EU-Mitgliedsstaaten zustimmen.

Müssen ältere Autos bald jedes Jahr zum TÜV? EU plant strengere Regeln

Laut EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas soll die Maßnahme dazu beitragen, die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten bis 2030 um 50 Prozent zu senken. Ältere Fahrzeuge seien laut Studien anfälliger für Pannen, häufiger in Unfälle verwickelt und wiesen oft höhere Schadstoffemissionen auf. Neben der jährlichen Inspektion schlägt die Kommission auch vor, Kilometerstände in nationalen Datenbanken zu erfassen sowie neue Prüfverfahren für elektronische Sicherheitssysteme und Emissionen einzuführen.

Die EU-Kommission rechnet damit, dass durch die jährlichen Prüfungen von Pkw und Kleintransportern die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten um ein Prozent gesenkt werden könnte. "Selbst wenn technische Defekte nur einen geringen Anteil an den Unfallursachen ausmachen, kann die jährliche Inspektion älterer Autos einen erheblichen Unterschied machen", so die Behörde.

In vielen EU-Ländern ist die jährliche Inspektion älterer Fahrzeuge bereits Pflicht. Ob und wann die neuen Regelungen in Deutschland umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Der Vorschlag sieht auch vor, dass Kilometerstände national gespeichert und Emissionstests ausgeweitet werden. 

Aktuelle Regelung in Deutschland: Hauptuntersuchung alle zwei Jahre

Derzeit müssen Autos in Deutschland alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung, unabhängig vom Alter des Fahrzeugs. Neuwagen sind erst nach drei Jahren erstmals prüfpflichtig. Die Mängelquote steigt jedoch mit dem Alter der Fahrzeuge deutlich an. Laut Kraftfahrt-Bundesamt hatten 2023 nur 54 Prozent der Autos über neun Jahre keine Mängel. Bei mehr als jedem vierten Fahrzeug in dieser Altersklasse wurden erhebliche Mängel festgestellt, knapp ein Prozent war sogar verkehrsunsicher.

Die wichtigsten Trends und Entwicklungen der Mängelquote älterer Fahrzeuge im Überblick - basierend auf den TÜV-Statistiken der vergangenen zehn Jahre:

  • Gestiegenes Durchschnittsalter: Das Durchschnittsalter von Fahrzeugen in Deutschland stieg über die letzten zehn Jahre von 8,8 Jahren (2013) auf aktuell 10,3 Jahre (2023). Dies korreliert mit einer höheren Mängelquote bei älteren Fahrzeugen.
  • Mängelquote bei älteren Fahrzeugen: Fahrzeuge über neun Jahre alt weisen eine deutlich höhere Mängelquote auf. Während Autos zwischen drei und fünf Jahren 94 Prozent Mängelfreiheit zeigen, sinkt dieser Anteil bei Fahrzeugen über neun Jahre auf nur 54 Prozent.
  • Erhebliche oder gefährliche Mängel: Etwa 1 Prozent der Autos über neun Jahre wird als verkehrsunsicher eingestuft.

Entwicklung der Mängelquoten nach Altersgruppen:

Typische Mängel bei älteren Fahrzeugen:

  • Häufigste Probleme:
    • Defekte Beleuchtung: Die Mängelquote bei Abblendlicht steigt mit dem Alter erheblich (beispielsweise von 1,5 Prozent bei dreijährigen Fahrzeugen auf 6,1 Prozent bei elfjährigen).
    • Achsaufhängung: Bei Fahrzeugen über elf Jahren werden in 5,2 Prozent der Fälle erhebliche Schäden festgestellt.
    • Bremsen: Verschleiß oder Korrosion, insbesondere bei Elektroautos durch seltene Nutzung der Bremsen, zählen zu den Hauptmängeln.

Langfristige Trends:

Der Anstieg der Mängelquote wird teilweise auf geringere Wartungsausgaben zurückgeführt, da viele Autobesitzer ältere Fahrzeuge länger nutzen und teure Reparaturen vermeiden.

"Völlig überflüssig": Kritik aus Bayern und vom ADAC

In Deutschland stößt die Verschärfung des TÜV-Intervalls für ältere Fahrzeuge auf Widerstand. Der ADAC äußert sich kritisch zu den Plänen und hält die bestehenden Regelungen in Deutschland für ausreichend. Laut dem Verband ist die Hauptuntersuchung etabliert und gesellschaftlich akzeptiert. Eine Verschärfung der Prüfintervalle sei nicht nötig und könnte die Akzeptanz gefährden. Der Verband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) sieht die Pläne ähnlich kritisch und verweist darauf, dass die Prüfanforderungen in den letzten Jahren bereits verschärft wurden – etwa durch Tests von Assistenzsystemen und strengere Emissionskontrollen. Beide Organisationen argumentieren, dass technische Defekte in Deutschland nur selten Unfallursachen sind und dass der zusätzliche Aufwand unverhältnismäßig wäre.

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Auch die bayerische Staatsregierung äußert sich ablehnend: Der bayerische Europaminister Eric Beißwenger äußerte starke Vorbehalte gegen diesen Vorschlag, wie aus einer Pressemitteilung vom 24. April hervorgeht. Er bezeichnete die Maßnahme als "ein typisches Beispiel überbordender Brüsseler Bürokratie", die in Deutschland "völlig überflüssig" sei. Beißwenger verwies auf das bereits existierende Kontrollsystem in Deutschland, das er als bewährt, engmaschig und effektiv beschreibt, und kritisierte, dass die neuen EU-Vorgaben lediglich zusätzliche Bürokratie sowie Kosten für die Fahrzeughalter mit sich bringen würden. Zudem gebe es keine wissenschaftlich belastbaren Studien, die die Notwendigkeit einer häufigeren Kontrolle belegen könnten. Besonders in Deutschland seien technische Defekte selten die Ursache für Unfälle, sagte Beißwenger. Die vorgeschlagene Regelung würde in Deutschland ungefähr 23 Millionen Fahrzeughalter betreffen.

Auch in Niedersachsen stößt der EU-Vorstoß laut einem Bericht der dpa auf Ablehung. Der designierte Ministerpräsident des Bundeslandes, Olaf Lies (SPD), sieht darin eine Belastung vor allem für einkommensschwache Menschen, die auf ältere Gebrauchtwagen angewiesen sind. Auch Abgeordnete von SPD, CDU und FDP lehnen den Vorschlag ab, da er mehr Kosten und Aufwand verursache, ohne die Sicherheit nachweislich zu verbessern.

Bevor jedoch über den Vorschlag entschieden wird, müssen sowohl das EU-Parlament als auch die EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Beißwenger zeigte sich zuversichtlich, dass dies nicht passiert und der Vorschlag in dieser Form nicht umgesetzt wird. Auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber warnt vor zusätzlicher Bürokratie und höheren Kosten für Autobesitzer. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter bezeichnet die Forderung als "Negativbeispiel, wie die EU die Menschen mit Bürokratie überhäuft". 

TÜV-Verband sieht "sinnvolle Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit"

Anders sieht es der TÜV-Verband: Er zeigt sich laut Mitteilung offen für Anpassungen der Prüffristen bei älteren Fahrzeugen. Für Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre sind, sei eine jährliche Hauptuntersuchung eine sinnvolle Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Angesichts eines steigenden Durchschnittsalters des Pkw-Bestands und hoher Mängelquoten bei älteren Fahrzeugen sei dies notwendig.

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Auch ansonsten hat der Verband, der die politischen Interessen der TÜV-Prüforganisationen vertritt, die Vorschläge der EU-Kommission für die Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr positiv bewertet. Laut Richard Goebelt, Leiter des Bereichs Fahrzeug und Mobilität beim TÜV-Verband, adressiere die Reform wichtige Herausforderungen für die Verkehrssicherheit und die Erreichung der Vision Zero, indem die Prüfpflichten modernisiert und der Fokus stärker auf sicherheits- und emissionsrelevante Defizite gelegt würde.

Goebelt betonte, dass eine Aktualisierung der Prüfvorgaben für Elektrofahrzeuge und Assistenzsysteme längst überfällig sei. Geplant ist eine umfassendere Einbeziehung von Hochvolt-Komponenten und elektronischen Sicherheitsfunktionen wie Fahrerassistenzsystemen (ADAS) in die Hauptuntersuchung, um die Zuverlässigkeit während der gesamten Lebensdauer des Fahrzeugs sicherzustellen. Diese Erweiterung läge im technologischen Fortschritt begründet, dem die derzeitigen Prüfumfänge nicht gerecht würden. Besonders hervorgehoben wird der geplante EU-weite digitale Datenaustausch über die MOVE-Hub-Plattform. Der Verband unterstütze das Bestreben der Kommission, die Fahrzeug- und Prüfdaten europaweit besser zu vernetzen. Dadurch werde nicht nur die Sicherheit gestärkt, sondern auch Bürokratiekosten gesenkt und die Fahrzeugumschreibung beim Wechsel in ein anderes EU-Land erleichtert.

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