Um die Gasumlage tobt ein heftiger Streit. Nachdem die Profiteure namentlich bekannt sind, gibt es den Vorwurf, es handele sich teilweise um Unternehmen, denen es wirtschaftlich prächtig geht und die Gewinne machen. Die Verwirrung ist groß.
Elf Ferngas-Netzbetreiber wollen 34 Milliarden Euro
Bei einigen Unternehmen gibt es viele offene Fragen
Gunvor dementiert russische Verknüpfungen
SPD, Manager und CDU verlangen Korrekturen
In der ersten Septemberwoche will die Fraktion der CDU/CSU die Gasumlage im Deutschen Bundestag zu Fall bringen. Sollte dieses Vorhaben gelingen, fällt der 34-Milliarden-Geldsegen der Gaskunden für elf Großhändler ins Wasser. Lange war unklar, welche Firmen sich hinter dem Begriff Gasimporteure versammeln. Nur Uniper war namentlich bekannt. Jetzt liegen alle Namen auf dem Tisch. Und es gibt viele ungeklärte Fragen.
Elf Ferngas-Netzbetreiber wollen 34 Milliarden Euro
Trading Hub Europe (kurz THE) hat sie bekannt gegeben, jene Firma in Ratingen und Berlin, die den Finanzausgleich bei der Gasumlage organisiert und die kaum einer kennt. Gut vor einem Jahr ging die Gesellschaft THE durch Kooperation von elf privaten Netzgesellschaften an den Start. Seit dem 1. Oktober 2021 ist die THE Marktgebietsverantwortliche für Deutschland. Das Hochdruckleitungssystem für Gas der elf Netzgesellschafter umfasst eine Gesamtlänge von rund 40.000 Kilometer und verbindet mehr als 700 nachgelagerte Netze. Die wesentlichen Aufgaben des Marktgebietsverantwortlichen liegen darin, den Betrieb des Virtuellen Handelspunktes (VHP), das Management von Bilanzkreisen und Regelenergie sowie die Bereitstellung und die Veröffentlichung von diversen Abrechnungs-, Transparenz- und Regelenergiedaten zu organisieren. Und genau diesem Unternehmen mit 100 Beschäftigten ist jetzt die Verteilung der Gasumlage von 34 Milliarden Euro anvertraut.
Insgesamt elf Firmen, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind, haben nach Angaben der Ferngas-Netzbetreiber fristgerecht ihre Ansprüche angemeldet. Das sind:
der kriselnde Energiekonzern Unipermit Sitz in Düsseldorf
Bei einigen Unternehmen gibt es viele offene Fragen
Brauchen alle Unternehmen Geld aus der Gasumlage? Diese Frage bewegt die Politik und Expert*innen in Berlin. Und die Antworten fallen ganz unterschiedlich aus. Ein etwas genauerer Blick auf fünf der Gasgroßhändler zeigt das Problem. Da ist der Schweizer Energiehändler Axpo der auf Anfrage des Handelsblatts erklärt, dass er nur in einem geringfügigen Maße von der Gaskrise betroffen sei. Trotzdem müsse das Unternehmen "die nicht gelieferte Energie aktuell zu weitaus höheren Kosten beschaffen", um die bestehenden Verträge mit Kunden in Deutschland einhalten zu können, sagte ein Sprecher der Zeitung. Axpo-Chef Christoph Brand informiert auf der Konzerninternetseite: "Wir können ein gutes Ergebnis präsentieren. Gerade in diesen stürmischen Zeiten freut mich das umso mehr. Wir haben ein bereinigtes Betriebsergebnis von Schweizer Franken (CHF) 1.094 Millionen (Vorjahr: CHF 515 Millionen) und einen Gewinn von CHF 513 Millionen (Vorjahr: 781 Millionen) erzielt." Axpo - ein notleidendes Unternehmen? Davon kann wohl wirklich keine Rede sein.
Zweiter Bewerber um die Millionen aus der Gasumlage ist der Oldenburger Versorger EWE. Das Energieunternehmen hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021 rund 355 Millionen Euro verdient, zudem hat es mit der Investmentgesellschaft Ardian einen finanzstarken Partner an seiner Seite. "Die Voraussetzung für eine Zahlung ist, dass Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung wegfallender Erdgasimporte aus Russland entstanden sind", heißt es auf Anfrage von tagesschau.de in der Zentrale des Versorgers. "Dies ist gegeben: EWE hat die fehlenden Mengen zum zehnfachen Preis kaufen müssen, um seinerseits Lieferverträge mit Kunden zum vereinbarten niedrigeren Bezugspreis einhalten zu können. Daraus resultieren entsprechende Verluste." Trotzdem bleibt dem Konzern im ersten Halbjahr 2022 ein bereinigter Erlös vor Steuern und Zinsen (Ebit) von 286,8 Mio. Euro. Das sind sogar knapp fünf Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Also: EWE ist kein Sanierungsfall.
Dritter Fall: Das Leipziger Unternehmen VNG will einen finanziellen Ausgleich - obwohl der Hauptaktionär EnBW (Anteil: 74 Prozent) im ersten Halbjahr 2022 1,4 Milliarden Euro Gewinn erzielte. EnBW-Chef Frank Mastiaux erklärte kürzlich sogar öffentlich, eine Schieflage bei VNG sei unwahrscheinlich. Auf Anfrage von tagesschau.de teilt das Unternehmen mit, es seien "durch die seit geraumer Zeit notwendige Ersatzbeschaffung bereits wesentliche Verluste bei VNG entstanden". Beim Antrag auf Geld aus der Gasumlage gehe es darum, "absehbar weitere Verluste zu mildern". VNG hat eine starke Mutter an ihrer Seite, die mögliche Verluste wegstecken kann.
Gunvor dementiert russische Verknüpfungen
Vierter Fall: OMV, ein börsennotierter integrierter Erdöl-, Erdgas- und Chemiekonzern, der im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 einen Gewinn von 3,37 Mrd. Euro erwirtschaftet hat. Gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres bedeutet das eine Steigerung um 105 Prozent. Wie das Momentum Institut weiter berichtet, zeigt eine Hochrechnung für das Gesamtjahr 2022 deutliche Übergewinne. "Bei der OMV sind es 2,1 Milliarden Euro", so die österreichische Denkfabrik. Es sei "im Sinne des Gesetzes", Geld aus der Gasumlage in Deutschland zu verlangen, teilt das Unternehmen mit. OMV ist ein geschätzter Energiepartner, aber notleidend ist er nicht.
Und dann ist da noch der fünfte Kandidat: Gunvor, ein Energie-Unternehmen aus der Schweiz, soll ebenfalls von der Gasumlage profitiert. Der Firma werden Kontakte zum Kreml nachgesagt, wie der Tagesspiegel aktuell berichtet. Das Unternehmen dementiert. Gunvors Vorstandsvorsitzender, Torbjörn Törnqvist, sagt, das Unternehmen habe in Russland eine Vergangenheit, aber keine Gegenwart. Der Energiehändler Gunvor hat seinen Gewinn nach dem russischen Überfall auf die Ukraine mehr als verdreifacht. Gunvor hat eigenen Angaben zufolge einen Bruttoertrag im ersten Halbjahr 2022 von mehr als zwei Milliarden Euro erzielt. Und einen Gewinn von 841 Millionen Dollar. Mit diesen Unternehmensdaten im Rücken ist Gunvor wohl ebenfalls kaum ein Kandidat für die Gasumlage.
Das Fazit der fünf Beispiele:Die Milliarden der Gasumlage sind nicht dazu da, Bilanz-Kosmetik zu betreiben oder noch mehr Gewinn einzufahren. Sie soll in ihrer Existenz bedrohten Unternehmen helfen, zu überleben. Dass dies zumindest bei einem Teil der Betriebe nicht der Fall ist, gestand Wirtschaftsminister Habeck auf dem Unternehmertag im westfälischen Münster ein. Es sei "sicherlich nicht moralisch richtig, dass Unternehmen, die – lassen Sie mich das mal plattdeutsch sagen – ein Schweinegeld verdient haben, dann auch noch sagen: Ja, und für die paar Einnahmeausfälle, die wir haben, da bitten wir die Bevölkerung um Hilfe, die soll uns auch noch Geld geben."
SPD, Manager und CDU verlangen Korrekturen
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert fordert das Wirtschaftsministerium auf, zu verhindern, dass wirtschaftlich gesunde Unternehmen von der Gasumlage profitieren. Andernfalls würden die Verbraucher damit nicht deren Existenz sichern, "sondern die Renditen der Eigentümer", sagt Kühnert der Deutschen Presse-Agentur. "Diese Bereicherung auf Kosten der Gaskunden muss deshalb nun klipp und klar durch das Wirtschafts- und Klimaministerium rechtlich ausgeschlossen werden."
Grundsätzlicher kritisiert der Vorstand des Leverkusener Kunststoffkonzerns Covestro, Klaus Schäfer (knapp 18.000 Beschäftigte, 1,6 Milliarden Umsatz), die von der Bundesregierung beschlossene Umlage zur Stützung von Gasimporteuren. "Die Umlage ist hochgradig unausgegoren und völlig unfair. Kosten und Nutzen stehen nicht im Gleichgewicht", sagte Schäfer dem Kölner Stadt-Anzeiger. Zudem hätten einige Gasimporteure bereits erklärt, auf die Umlage verzichten zu können. "Das spricht nicht für die Präzision dieses Instruments." Als Alternative schlug der Manager eine Gassteuer vor, "die über das ganze Land verteilt würde."
Die Union kritisiert mit scharfen Worten die geplante Gasumlage und will sie in der ersten September-Woche zum Thema im Bundestag machen. "Die Gas-Umlage ist eine Chaos-Umlage. Handwerklich ist sie schlecht gemacht, zudem sichern die Bürger mit ihrer Umlage noch die Gewinne mancher Energiekonzerne ab", sagte Spahn dem Spiegel. "Das ist Umverteilung von unten nach oben." CDU-Generalsekretär Czaja sagte in Berlin, die Gasumlage sei vor allem für Menschen mit kleinerem und mittlerem Einkommen ein Problem, ebenso für kleine und mittlere Unternehmen. Er beklagte zudem, dass die Umlage teilweise an Firmen fließen solle, die zuletzt hohe Gewinne einfuhren. "Die Umlage gehört abgeschafft", resümierte Czaja vor der Berliner Presse.
Fazit
Mindestens fünf Gasgroßhändler nagen nicht am Hungertuch. Warum sie viele Milliarden aus der Gasumlage bekommen sollen, versteht niemand. Offensichtlich machen es die Beamten im Wirtschaftsministerium den Betrieben zu einfach an das Geld zu kommen. Die Anwaltskanzlei Raue in Berlin hat die verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen die Gaspreisanpassungsverordnung zusammengefasst und sammelt jetzt die Kläger ein. Die Gasumlage landet also vor Gericht. Um so wichtiger, dass Habeck jetzt substanziell nachbessert und sich nicht verweigert.
In der Überschrift steht "Millionen", im Artikel "Milliarden". Schön, dass auch die Presse die Bodenhaftung zu diesen unglaublichen Zahlen verloren hat. Leider sind es Milliarden. Millionen wäre mir lieber gewesen.....
In der Überschrift steht "Millionen", im Artikel "Milliarden". Schön, dass auch die Presse die Bodenhaftung zu diesen unglaublichen Zahlen verloren hat. Leider sind es Milliarden. Millionen wäre mir lieber gewesen.....