Für Kontroversen sorgte auf dem Landesparteitag der bayerischen Grünen der Programmpunkt über die Zukunft der Kammern und Berufsgenossenschaften. Zwei Versionen standen im Entwurf, die Delegierten votierten für die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft.
Es war die einzige schriftliche Abstimmung des gesamten Parteitages: Die knapp 300 Delegierten sollten über zwei Versionen im Wahlprogramm abstimmen. Die erste, vorgestellt von Martin Runge, dem Fraktionsvorsitzenden: Rolle der Kammern und Monopol der Berufsgenossenschaften in Frage stellen. Fett gedruckt stand das im Entwurf zum Landtagswahlprogramm. Kapitel 1, Zeile 386 bis 401. Von Zwangsmitgliedern war da die Rede. Vom Aufsaugen von Fördergeldern.
Version zwei stand direkt darunter. Kammerwesen überprüfen, stand da, unaufgeregter, diplomatischer. Auf zwölf Zeilen wurde da begründet, warum Industrie und Handelskammer und die Handwerkskammern wichtig sind. Dieter Janecek, der Landesvorsitzende, stellte den Punkt vor, sprach von der Interessenvertretung und der Funktion in der Ausbildung.
Dann stimmten die Delegiert
en ab. Erst sitzend, dann stehend, danach schriftlich. Weil es knapp war. Weil das Präsidium sich schwer tat, beim Nachzählen. So schwer wie der Arbeitskreis bei der Ausarbeitung des Punktes. Konsens war nicht möglich, deshalb die beiden Versionen, deshalb die Abstimmung. 124 Delegierte stimmten schließlich schriftlich für Version 1, die zweite Version bekam 109 Stimmen. Damit nehmen die Grünen in ihr Landtagswahlprogramm auf, dass sie Kammern und Berufsgenossenschaften in Frage stellen wollen.
Einer, dem das Ergebnis sichtlich keine Freude bereitete, war Radu Ferendino, von der IHK Würzburg-Schweinfurt. Er betreute im Foyer des Parteitages einen Informationsstand des bayerischen Industrie und Handelskammertages. Ferendino sagte: "Die IHKs erfüllen mehr als 50 vom Staat übertragene Aufgaben, darunter so wichtige wie die Organisation der Berufsausbildung. Gäbe es nicht die gesetzlich verankerte Mitgliedschaft, müsste der Staat diese Aufgaben übernehmen." Und das sei teurer.
die Kammern und die Berufsgenossenschaften sind 2 Paar Stiefel. Die wesentliche Aufgabe der Berufsgenossenschaften sind die Arbeitssicherheit und die Versorgung von Berufsunfallopfern. Wer die Berufsgenossenschaften abschaffen will, will die gesundheitlichen und unfallbedingten Risiken der Berufsausübung auf die Allgemeinheit sozialisieren und nicht mehr bei den Verursachern belassen.
Die Kammern sind jedoch wahrlich mit ihrem Nutzen für viele Gewerbetreibende umstritten.
Wir werden von der IHK Coburg jährlich zur Kasse gebeten. Und was kriegen wir dafür? Presseerklärungen, die unseren eigenen Überzeugungen komplett widersprechen. Das Palais Edinburgh in Coburg wird unnötigerweise mit unseren Beiträgen umgebaut, bloß damit der Haupteingang Richtung Schlossplatz liegt ... Ach ja! Irgendwann darf man ja wählen. Da flattert den IHK-Mitgliedern irgendwann ganz überraschend eine Wahlbenachrichtigung mit sowieso schon ziemlich vorverdauten Kandidatenlisten ins Haus. Die IHK-Mitglieder schon im Vorfeld etwas deutlicher und bemerkbarer auf die bevorstehenden Wahlen aufmerksam zu machen .. oder vielleicht gar um Wahlvorschläge zu bitten, das ist wohl dem IHK-Establishment zu gefährlich. Da könnten vielleicht doch irgendwelche Querulanten erfolgreich sein. In so einem Fal würden diese aber vielleicht eher motiviert sein und vielleicht gar mit etwas echter Lust ihre (Zwangs-)Beiträge zahlen.