Uni Bamberg: Retourenmanagement kostet viel Geld

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Björn Asdecker und Eric Sucky . Foto: Ronald Rinklef
Björn Asdecker  und Eric Sucky . Foto: Ronald Rinklef
Foto: imago, Text: Fenn-Nebel
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Das Widerrufsrecht wird oft missbraucht. Das hat eine Forschungsgruppe der Bamberger Uni herausgefunden. Sie befasst sich mit Retourenmanagement.

Online eine schöne Hose gesehen. In zwei Größen und drei Farbkombinationen bestellt, man weiß ja nie. Paket erhalten, tragbares Modell ausgewählt, abends zu einer Feier angezogen. Und am nächsten Tag: Alles zurückgeschickt. Getragenes Teil inklusive. König Kunde hat kein schlechtes Gewissen. Hat nur die angebotene Rückgabe genutzt. Besser: ausgenutzt. Dieser Missbrauch des Widerrufsrechts ist für Online-Händler ein "nicht zu unterschätzendes Problem", sagt die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Uni Bamberg.

Sie ist die einzige Institution, die sich in Deutschland wissenschaftlich mit dem Thema Rückgabe im Versandhandel befasst und gehört zum Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Produktion und Logistik.
Björn Asdecker hat die Gruppe gegründet: Der wissenschaftliche Mitarbeiter schreibt seine Dissertation über Retourenmanagement und will nicht "für die Schublade forschen."

Das ist ganz im Sinne von Lehrstuhlinhaber Prof. Eric Sucky, der seine Studenten gern anwendungsbezogen lehrt und auch mal Referenten von Online-Versendern in die Vorlesung einlädt. "Wir wollten die Praxis hören." Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Retourenmanagement gebe es bisher kaum. Durch die Arbeit der Forschungsgruppe hat sich das geändert: Sie rief im Sommer Onlinehändler via Internet und Fachmagazinen zur Teilnahme am Online-Expertenpanel unter www.retourenforschung.de auf. 102 Teilnehmer meldeten sich innerhalb von zwei Wochen an. Bis dato haben sich 216 Firmen registriert, "auch sehr große Vertreter der Branche." Für Asdecker ist klar: "Die Resonanz lässt darauf schließen, dass in der Praxis Leidensdruck besteht."



247 Millionen Retourenpakete


Kein Wunder: Nach Angaben des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels wurde 2011 ein Gesamtumsatz von 34 Milliarden Euro erwirtschaftet. "Dementsprechend wurden 247 Millionen Retourenpakete bearbeitet", schätzt Asdecker. Möglich werden die Rücksendungen durch ein Widerrufsrecht. "Es wurde geschaffen, um den Onlinehandel wettbewerbsfähig zu machen", sagt Sucky. Weil die Verbraucher im Gegensatz zum stationären Handel die Ware nicht anfassen oder testen können, dürfen sie innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen die bei Vertragsschluss erteilte Willenserklärung widerrufen. In diesem Fall trägt der Händler die Kosten der Rücksendung und kann diese dem Kunden nur auferlegen, wenn der Wert der zurückzusendenden Ware unter 40 Euro liegt.

Lohnt sich das für die Onlinehändler? Sie müssen günstiger sein als der stationäre Handel und können das auch, sagt Sucky. "Versandhändler haben eine andere Kostenstruktur. Anstatt viele teure Verkaufsflächen in 1a-Citylagen errichten sie einige wenige Logistikzentren auf der grünen Wiese." Diese Einsparungen benötigen die Versandhändler unter anderem für Versand, Rückversand und Qualitätsprüfung der Retouren. "Solange die Kosten für diese Prozesse günstiger sind als die Kosten des Einzelhandels vor Ort, lohnt sich der Aufwand", sagt Sucky.


Jede Retoure kostet Geld


Und trotzdem liegen Freud und Leid im Versandhandel nah beieinander, wie die Forschungsgruppe herausgefunden hat. Einerseits würden viele Kunden ohne Rückgabemöglichkeit gar keine Bestellung tätigen. Auf der anderen Seite kostet jede Retoure bares Geld. "Folglich fungieren Retouren aus Unternehmenssicht gleichzeitig als Kosten- sowie Erlöstreiber und aus Kundensicht als eine Art Versicherung gegen spätere Kaufreue", sagt Asdecker.

Die Forschungsgruppe hat bei der Auswertung von üher 300 Fragebögen festgestellt, dass große Versender nur in geringem Umfang über einen Missbrauch des Widerrufsrechts durch die Verbraucher klagen. Kleine Versender fühlen sich dagegen subjektiv überdurchschnittlich benachteiligt. Ein möglicher Grund für die unterschiedliche Wahrnehmung: Große Versender lagern ihre Prozesse meist an Dienstleister aus und nehmen die Problematik durch die größere Distanz zum Prozess weniger bewusst wahr. Die durchschnittlichen Kosten (Summe aus Wertverlust und Prozesskosten) der Studienteilnehmer liegen bei 15,18 Euro für normale Rücksendungen.

Mehr als doppelt so hoch ist der Betrag mit 34,45 Euro für missbräuchliche Rücksendungen: Fälle, in denen Kunden Produkte bestellen, um diese während der Widerrufsfrist "vollumfänglich" zu nutzen. Als besonders dreiste Beispiele nennt die Forschungsgruppe: Das getragene und danach retournierte Faschingskostüm und Oktoberfest-Dirndl, gebrauchte Campingzelte oder der nach der Fußball-Europameisterschaft zurückgeschickte Großbild-Fernseher.

"Der große Unterschied zwischen den beiden Beträgen für Rücksendungen veranschaulicht die Belastung, die mit dem Missbrauch des Widerrufsrechts einhergeht", sagt Asdecker. "Er trifft sowohl Händler als auch alle ehrlichen Kunden." Denn irgendwann müssen die Kosten für die Retouren ausgeglichen werden: durch höhere Preise.