Kind bei Corona-Demo verletzt: Gericht verhängt teils drastische Strafen - auch gegen die Mutter
- Corona-Demo in Schweinfurt: Fünf Teilnehmer am Montag (27. Dezember 2021) verurteilt
- Amtsgericht verhängt mehrere Bewährungs- und Geldstrafen
- Protest war nicht angemeldet: Polizisten setzten Schlagstöcke und Pfefferspray ein
- Mutter will mit Kind (4) Absperrung durchbrechen: Polizei hat Jugendamt eingeschaltet
Mehrere hundert Menschen haben am Sonntagabend (26. Dezember 2021) laut Polizei in Schweinfurt teils gewaltsam gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen demonstriert. Wie die Polizei berichtet, kam es zu mehreren Festnahmen. Auch ein Kind wurde bei der aus dem Ruder gelaufenen Demonstration verletzt. Die Polizei musste Angriffe mit Schlagstock und Pfefferspray stoppen.
Update vom 27.12.2021, 18 Uhr: Teilnehmer der Corona-Demo am Montag verurteilt
In einem beschleunigten Verfahren sind fünf Teilnehmer der Schweinfurter Corona-Demo bereits einen Tag nach der Veranstaltung verurteilt worden: Das Schweinfurter Amtsgericht verhängte Bewährungs- sowie Geldstrafen. Eine junge Mutter, die mit ihrem vierjährigen Kind eine Polizeisperre durchbrechen wollte, wurde wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Polizei meldete die 27-Jährige zudem beim zuständigen Jugendamt.
Ein 50-jähriger Mann habe die Beamten der Bayerischen Bereitschaftspolizei unvermittelt angegriffen und mit den Fäusten auf die Einsatzkräfte eingeschlagen, teilt das Polizeipräsidium Mittelfranken am Montagabend mit. Der Mann aus dem Landkreis Schweinfurt wurde wegen tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und einer Ordnungswidrigkeit nach dem Infektionsschutzgesetz zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die zu drei Jahren Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem muss er eine Geldstrafe von 6000 Euro zahlen, die einem gemeinnützigen Zweck zugutekommen soll.
Eine weitere Demo-Teilnehmerin, eine 34-Jährige aus dem Landkreis Schweinfurt, hatte mehrmals versucht, die Absperrungen zu durchbrechen. Die Frau sprang mit ausgestrecktem Bein gegen die Einsatzkräfte und riss einem der Beamten die FFP2-Maske vom Gesicht. Sie wurde wegen des tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Ein 25-jähriger Mann schlug einem Beamten von hinten gegen den Kopf und nahm den Polizisten daraufhin in den Schwitzkasten. Einsatzkräfte überwältigten den Schweinfurter und nahmen ihn vorläufig fest. Wegen des tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verhängte das Amtsgericht in seinem Fall eine achtmonatige Freiheitsstrafe, die ebefalls zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Ein weiterer Mann hatte die Einsatzkräfte massiv beleidigt. Als ihn die Polizisten vorläufig festnehmen wollten, wehrte er sich heftig. Der 22-Jährige wurde wegen Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetzes zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt.
Bei der nicht angemeldeten Demonstration wurden am Sonntag mehrere Menschen verletzt. Die Stimmung kippte im Laufe des Abends - und so wurde aus einem zunächst friedlichen Protest eine teils sehr aggressive und gewaltvolle Demo. "Unsere Einsatzkräfte waren bereits gezwungen, gegen aggressive Versammlungsteilnehmer Schlagstock und Pfefferspray einzusetzen. Wir fordern alle Teilnehmer auf, friedlich von ihrem Grundrecht Gebrauch zu machen und die Regeln einzuhalten", twitterte die Polizei Unterfranken am frühen Sonntagabend.
In der Nacht berichtete ein Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken, dass teils "massiv aggressive Personen" Polizisten in einer Absperrkette angegriffen hatten. Acht Personen wurden festgenommen. "Gegen vier Beschuldigte werden im Laufe des Montags im Rahmen von beschleunigten Verfahren Urteile durch die Justiz erwartet", heißt es im Bericht der Polizei. Gegen 44 Personen wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.
"Ein vierjähriges Kind, welches von dessen Mutter, die aus den Reihen der Querdenker kommt, beim Versuch, die Polizeiabsperrung zu überwinden, mitgenommen wurde, kam mit einer Pfefferspraywolke in Kontakt und musste aufgrund einer kurzfristigen Augenreizung kurz durch polizeieigene Rettungskräfte medizinisch versorgt werden", wie die Polizei berichtet. Am Tag nach der Demonstration teilte die Polizei mit, dass gegen die Mutter des Kindes Anzeige erstattet wurde. Sie habe sich nicht an Auflagen für die Demonstration gehalten und eine Polizeiabsperrung durchbrochen. "Außerdem wird das Jugendamt von der Polizei über den Vorfall informiert", so die Polizei Unterfranken.
Wie kam es zu den gewaltsamen Ausschreitungen?
Zunächst versammelten sich gegen 18 Uhr mehrere hunderte "friedvolle Protestler", teilte die Polizei mit. Über Lautsprecherwagen habe die Polizei auf einzuhaltende Beschränkungen wie die Maskenpflicht hingewiesen. Dann setzten sich Personen zu Marschkolonnen zusammen, die die Beamten durch Polizeiketten und Absperrungen zu durchbrechen versuchten, bis die Einsatzkräfte mit "Faustschlägen und Fußtritten teils mittelschwer verletzt wurden", hieß es nach Angaben der Polizei. Es sei notwendig gewesen, mit Schlagstöcken weitere Angriffe zu unterbinden.
Beamten seien durch Versammlungsteilnehmer "beleidigt und bespuckt" worden, hieß es von der Polizei in der Nacht zum Montag. Die Polizei bat die Teilnehmer, "sich deutlich von Krawallmachern und Straftätern abzugrenzen". Die Versammlung sei nicht angemeldet worden, die Polizeiinspektion Schweinfurt war mit zahlreichen Unterstützungskräften im Einsatz.
Dabei habe sich ein 50-jähriger Demonstrant eine Kopfplatzwunde zugezogen. Auch ein vierjähriges Kind kam mit einer Pfefferspraywolke in Kontakt und musste medizinisch versorgt werden. Die Mutter habe versucht, eine Absperrung zu durchbrechen. "Dem Kind geht es jetzt wieder gut", sagte ein Polizeioberkommissar noch am Sonntagabend.
Polizei: "Lassen Sie sich nicht von Rechtsextremisten vereinnahmen"
Bei vier der acht Festnahmen wird bereits am späten Montagnachmittag vor Gericht verhandelt. Es handelt sich um Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Angriff auf Polizeibeamte. Zusätzlich wurde gegen vier Personen für das Anstiften eines "unfriedlichen Protestes" eine Anzeige nach dem Versammlungsgesetz erstattet.
Bei einem Aufzug, der sich aus 44 Personen formierte, wurden gegen alle Teilnehmer Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. "Lassen Sie sich nicht von Rechtsextremisten, Reichsbürgern oder Antisemiten vereinnahmen und behindern Sie keine Maßnahmen der Polizei", hieß es in der Mitteilung der Polizei weiter.
Bereits am vergangenen Sonntag hatten im unterfränkischen Schweinfurt bei einer nicht angemeldeten Veranstaltung bis zu 3000 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Zeitweise seien Sicherheitsabstände nicht eingehalten worden, hatte die Polizei mitgeteilt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten immer wieder versucht, sich in Kleingruppen abzusondern. Einen "unkoordinierten Versammlungsverlauf" verhinderte die Polizei jedoch nach eigenen Angaben.
Polizeigewerkschaft übt deutliche Kritik
Der Bezirksvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft in Unterfranken, Thorsten Grimm, übt am Tag nach der Demo scharfe Kritik an den "Corona-Spaziergängen" und nennt die Geschehnisse "eine brandgefährliche Entwicklung". "Aktuell muss man wirklich aufpassen, dass die Gesamtlage nicht völlig eskaliert, gerade wenn ich mir die Szenerien in Schweinfurt vom gestrigen Sonntag betrachte", zeigt sich Thorsten Grimm am Montag (27. Dezember 2021) besorgt.
"Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass unter dem Vorwand von 'Spaziergängen' das Grundgesetz und damit das Recht auf freie Meinungsäußerung bzw. Versammlungs-/Demonstrationsfreiheit umgangen wird. Das sind ganz klar geplante und gezielte Aktionen, die anzumelden sind. Denn Rechte sind nun mal auch mit Pflichten verbunden. Aber so wird unser Grundgesetz mit Füßen getreten", wird Thorsten Grimm in einer Pressemitteilung zitiert.
Auch zu der Mutter, die mit ihrem vierjährigen Kind an der Demonstration teilnahm und eine Polizeiabsperrung durchbrechen wollte, findet Grimm deutliche Worte: "Man muss sich schon die ernsthafte Frage stellen, was eine Mutter dazu bewegt, ihr Kind im Kinderwagen auf eine solche Versammlung mitzunehmen und sich dann auch noch in vorderster Front zu bewegen beim Versuch die Polizeisperren zu umgehen. Ein Kind als 'Schutzschild' zu missbrauchen ist ein Akt der Unmenschlichkeit und das muss das Jugendamt auf den Plan rufen."
"Pseudo-Spaziergänge" verbieten
Für die kommenden Tage sind in ganz Bayern hunderte dieser "Pseudo-Spaziergänge" angemeldet, so Grimm. "Hier wird mit der Polizei Katz und Maus gespielt und der Staat an der Nase herumgeführt", so der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft in Unterfranken. Grimm fordert rechtliche Konsequenzen im Hinblick auf weitere bevorstehende "Spaziergänge". "Das sind geplante Aktionen. Da rottet sich eine Vielzahl von Menschen auf den sozialen Netzwerken wie z.B. Telegram zusammen und plant das ganz gezielt. Es wird Hass und Hetze gegen den Staat und gegen die Polizei verbreitet, die sich dann in der Realität in gewaltsamer Form niederschlägt. Es muss also schnellstmöglich die Möglichkeit geschaffen werden, dass diese 'Spaziergänge' verboten werden können."
Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, stimmte seinem Kollegen zu: "Es gibt das Phänomen häufiger, dass Eltern mit ihren Kindern, oft auch im Kinderwagen, zu Impfgegner-Demos gehen, um ihre Kinder als Schutzschilder gegen polizeiliche Maßnahmen einzusetzen", sagte Malchow im Interview mit der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte Malchow zudem, es sei nicht nachvollziehbar, "dass Eltern ihre Kinder gegenüber der Polizei als Schutzschild benutzen und diese somit bewusst in Gefahr bringen". Die eigenen Kinder zu instrumentalisieren, sei "verantwortungslos, schäbig und neben einer Strafanzeige mindestens ein Fall für das Jugendamt".
Auch Bayerns DPolG-Landeschef Jürgen Köhnlein kritisierte scharf, dass Eltern ihre Kinder mit auf derartige Demonstrationen nehmen: "Das geschieht leider zum reinen Selbstzweck und mit vollem Kalkül der Eltern", sagte er. "Für mich ist dieses unverantwortliche Handeln von Erziehungsberechtigten ein Fall für das Jugendamt."
Haftstrafen für Demo-Teilnehmer nach Schlägen und Tritten
Schon vor rund zwei Wochen waren zwei Männer nach einer nicht angemeldeten Demonstration im Schnellverfahren zu mehrmonatigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt worden. Ein 27-Jähriger hatte bei der Versammlung einem Polizisten einen Faustschlag ins Gesicht versetzt; der Beamte musste ärztlich versorgt werden. Ein Richter am Amtsgericht Schweinfurt verurteilte den Mann zu acht Monaten Freiheitsstrafe, die unter der Auflage einer Zahlung von 3500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Ein 29 Jahre alter Mann bekam sechs Monate, die ebenfalls gegen eine Geldauflage auf Bewährung ausgesetzt wurden. Er hatte den Angaben zufolge mehrfach versucht, mit dem Fuß gegen die Köpfe der Einsatzkräfte zu treten, als diese seine Personalien feststellen wollten.
red/dpa