Der drohende Kahlschlag bei FAG/Schaeffler schockt die Region. Bis zu 900 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe, weil der Konzern mit Sitz in Herzogenaurach einen Teil der Produktion nach Osteuropa verlagern will. Die Furcht vor einem Domino-Effekt geht um.
Jetzt beginnt das große Rechnen in einer Gleichung mit vielen Unbekannten. Dabei steht das Ergebnis im Kern längst fest, gleichgültig, ob der Schaeffler-Konzern im FAG-Werk in Schweinfurt am Ende "nur" 576 oder beinahe 900 der 6000 Arbeitsplätze streichen wird: Die Region ist der große Verlierer, und zwar gleich doppelt, weil "Kufi" in und um Schweinfurt mehr ist als ein Arbeitgeber. Das Traditionsunternehmen ist so etwas wie das EKG für das wirtschaftliche Wohlbefinden der ganzen Region.
"Wenn es ,Kufi' gut geht, geht es Schweinfurt gut, und wenn es Schweinfurt gut geht, geht es der ganzen Region gut." Die Einschätzung eines Experten der Agentur für Arbeit, die damals noch Arbeitsamt hieß, bei der letzten großen "Kugelfischer"-Krise 1993, die das Unternehmen an den Rand des Abgrunds brachte, hat auch heute, in wirtschaftlich weniger turbulenten Zeiten, noch Gültigkeit.
Abhängigkeit abgeschüttelt Zwar ist FAG/früher Kugelfischer ("Kufi"), seit 2001 Teil des Schaeffler-Konzerns im mittelfränkischen Herzogenaurach, längst nicht mehr der einzige Motor für die Konjunktur im östlichen Unterfranken. Die Stadt Schweinfurt hat einen bemerkenswerten Strukturwandel geschafft und die Abhängigkeit vom Auf und Ab der Wälzlager-Industrie abgeschüttelt.
In den goldenen Zeiten gab es in Schweinfurt dank FAG, SKF und Sachs so viele Arbeitsplätze wie Einwohner (55 000). Nicht zuletzt deshalb reagiert der Oberbürgermeister Sebastian Remele (CSU) ebenso wie der Landrat Florian Töpper (SPD) sensibel auf schlechte Nachrichten in einer Branche, die immer noch die wichtigste Lebensader der Stadt und der Region ist.
"Es ist ein harter Schlag für den Standort", sagt Remele, besorgt wegen des möglichen Dominoeffekts und der Signalwirkung. Schon jetzt kehren Facharbeiter der Region massenhaft den Rücken. Bei der Agentur für Arbeit weiß man, dass an jedem "Kufi"-Arbeitsplatz nicht nur menschliche Schicksale hängen, sondern weitere Arbeitsplätze "im Verhältnis eins zu eins, wenn nicht gar zwei zu eins", wie ein Experte sagt. Der Kugellager-Hersteller hat in Krisenzeiten viele Bereiche ausgelagert, greift auf Zulieferbetriebe zurück. Die geraten ebenso in den Strudel einer Krise wie der Einzelhandel, die Baubranche, die Gastronomie ...
Remele und Töpper wollen schnellstmöglich das Gespräch mit dem Schaeffler-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Geißinger suchen, um das Schlimmste noch abzuwenden, während sich IG Metall und Betriebsrat für einen heißen Sommer wappnen. "Mit uns ist so ein Kahlschlag nicht zu machen", sagt der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Schweinfurt, Peter Kippes.
Unüberhörbare Drohungen Schaeffler begründet den Abzug der Radlager-Produktion in Richtung Osteuropa mit der fehlenden Rentabilität. 576 Arbeitsplätze sollen wegfallen, der Automotive-Bereich aber nicht völlig platt gemacht werden. Die Drohungen aus Herzogenaurach sind aber unüberhörbar: Wenn die 576 Stellen nicht "sozialverträglich" abgebaut werden können, stehe die ganze Sparte mit 876 Stellen auf der Kippe.
Das bringt nicht nur Kippes auf die Palme, sondern auch seinen Vorgänger Klaus Ernst, der für die Linkspartei im Bundestag sitzt. "Wir haben das gleiche Muster seit 2001 immer wieder erlebt. Schaeffler presst aus den Mitarbeitern raus, was geht, und wenn am Ende nicht genug Profit rausspringt, droht man mit der Schließung ganzer Standorte." Ernst ist sich sicher, dass die Rechnung von Schaeffler einmal mehr nicht aufgehen wird. "Wenn es ernst wird, dann steht die Region zusammen."