Zu Unrecht beschuldigt: Pfarrer Göttle kehrt zurück

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Pfarrer Tobias Göttle, zu Unrecht beschuldigt einen Jungen missbraucht zu haben, steht vor einem schwierigen Neuanfang. Foto: Pelke
Pfarrer Tobias Göttle, zu Unrecht beschuldigt einen Jungen missbraucht zu haben, steht vor einem schwierigen Neuanfang.  Foto: Pelke

Wegen Missbrauchsvorwürfen landete ein katholischer Pfarrer aus einem Städtchen im Fränkischen Seenland in Untersuchungshaft. 16 Monate später steht er wieder als freier Mann vor dem Altar. Alle Anschuldigungen haben sich als haltlos erwiesen. Eine Rückkehr zur Normalität ist trotzdem schwierig.

Die Gebetsbücher sind längst vergriffen, als die letzten Besucher in den Gottesdienst eilen. Die Stadtpfarrkirche ist besetzt bis auf den allerletzten Platz. Ein Blick in die Gesichter der Menschen an diesem Samstagabend zeigt: Die Katholiken in Heideck sind durch die Bank angespannt.

Wie wird der Pfarrer seiner Gemeinde im mittelfränkischen Landkreis Roth gegenübertreten? Nach all dem, was passiert ist in den letzten 16 Monaten. Nach den schweren Vorwürfen des Kindesmissbrauchs und den Monaten in der Untersuchungshaft. Alle sind sie heute gekommen, um dabei zu sein, wenn der alte und neue Pfarrer ein paar Tage vor Weihnachten in den Kreis der Gemeinde zurückkehren soll.

Darüber sprechen, wie sich das anfühlt, will vorher keiner.
Was könne man schon sagen, wenn ein katholischer Geistlicher einen Jungen sexuell missbraucht haben soll? Die Öffentlichkeit sei allzu schnell bereit gewesen, den ungeheuerlichen Verdacht für bare Münze zu nehmen. Waren die katholischen Priester nicht genau aus diesem Grund zuletzt weltweit in die Schlagzeilen geraten? Auch in Heideck hat es Schlagzeilen gegeben. "Pfarrer hinter Gittern" war nur eine davon.

Dann bimmelt es im Gebälk von St. Johannis dem Täufer. Nach dem Glockenläuten nähert sich Bischof Gregor Maria Hanke dem Altar und ergreift das Wort: "Es ist meine Aufgabe als Bischof und mir ein persönliches Anliegen, alles zu tun, um den Ruf des Beschuldigten, wiederherzustellen", sagt der Eichstätter Bischof, während der "Beschuldigte" die Augen zum Boden richtet. Dem Mann im Priestergewand hatte die Staatsanwaltschaft vorgeworfen, einen minderjährigen Jungen unter 14 Jahren in den Jahren zwischen 1998 und 2001 in seiner alten Gemeinde in der Oberpfalz mehrfach schwer sexuell missbraucht zu haben. Vor einem Jahr und vier Monaten wurde er von der Polizei in den frühen Morgenstunden des 20. August 2013 verhaftet.

Keinen Stein haben die Ermittler über dem anderen gelassen, um dem Tatvorwurf eines Einzelnen nachzugehen. Alle Ministranten wurden befragt, denen der 49-Jährige in seinem Kirchenleben begegnet ist. Hinweise, die den Verdacht erhärten konnten, haben sie nicht gefunden. Der Pfarrer konnte das Gefängnis verlassen. An eine schnelle Rückkehr in sein altes Leben war jedoch nicht zu denken. Der Abschluss des Verfahrens zog sich in die Länge.


Eine Zeit der Demütigungen

Zögerlich tritt nun der Pfarrer an den Altar. "Es hat lange gedauert, bis die ungeheuren Vorwürfe entkräftet werden konnten", sagt er mit brüchiger Stimme ins Mikrofon. Eine "Zeit der Demütigungen und Vorverurteilungen" sei die Zeit für ihn gewesen. "Mein Leben wird wohl nie mehr so sein wie früher", sagt er und muss tief Luft holen. Durch die Anschuldigung und Verdächtigung sei er "natürlich" beschädigt worden.

Dass er noch nicht bei Kräften ist, das scheint die Gemeinde zu spüren. Mit Beifall quittieren die Menschen die offenen Worte. Der Bischof klopft dem Pfarrer kurz auf die Schulter. Tobias Göttle wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. Ein großer Stein vom Herzen fällt in diesem Augenblick sicher auch den Eltern und Geschwistern, die auf den Bänken im Chor der 1457 errichteten Stadtpfarrkirche Platz genommen haben.


Gezeichnet und mitgenommen

Bevor die Gemeinde das Abendmahl feiert, spricht der Bischof den Gläubigen ins Gewissen. Rücksicht sollten alle auf den Pfarrer nehmen, der noch gezeichnet und mitgenommen sei. Umso mutiger ist wohl seine Entscheidung zu werten, den Weg an seine alte Wirkungsstätte anzutreten und nicht an einem anderen Ort neu beginnen zu wollen. Eine große Bitte hatte der Pfarrer an seine Gemeinde: "Ich möchte keine Rache."

Nach dem Gottesdienst wollen viele die Hand des Rückkehrers drücken. Vielen fällt der Pfarrer um den Hals. Eine Rückkehr scheint möglich. Der erste Schritt ist getan. "Die Umarmungen und der Applaus haben ihm gut getan", sagt eine bibelfeste Frau. Eine andere Gottesdienstbesucherin erzählt, das angebliche Missbrauchsopfer sei in Wahrheit ein schlechter Mensch. Ein Mann, der anonym bleiben möchte, kritisiert die Staatsanwaltschaft. "Das war eine Machtdemonstration. Die Staatsanwaltschaft müsste sich bei unserem Pfarrer entschuldigen." Noch ist der Frieden nicht zurück in Heideck. Nur die Zeit wird wohl die Wunden schließen können.