Nürnberg hat plötzlich einen See zum Baden und einen Damm zum Spazieren. Die Menschen freuen sich und reiben sich die Augen über den neuen Wöhrder See.
Ihren Augen trauen viele Nürnberger noch nicht. In der Frankenmetropole können Menschen plötzlich über das Wasser wandeln. Auf einem 400 Meter langen Damm flanieren sie in Scharen über den Wöhrder See. Und noch ein "Wunder" ereignet sich derzeit am Stausee vor den Toren der Altstadt: Die Menschen gehen massenweise baden.
Vor wenigen Jahren hätte sich das hier noch niemand erträumt. Nach dem Bau des Stausees vor 40 Jahren war der Wöhrder See zum unappetitlichen Tümpel verkommen. Die Stadt behandelte den östlich der Altstadt vorgelagerten See, der einst zum Hochwasserschutz errichtet worden ist, wie einen Waisenknaben.
Bis der ehemalige Umwelt- und heutige Finanzminister Markus Söder (CSU) vor fünf Jahren den Startschuss für die "Wasserwelt Wöhrder See" gab. Seitdem heimst der Politiker die Lorbeeren für die Renaissance des wunderschön gelegenen Sees ein. "Das war mal eine richtig tolle Idee vom Markus Söder", sagen Christine und Willbald - ein älteres Ehepaar - beim Sonntagsspaziergang über den neuen Dammweg, der 400 Meter durch den See hindurchführt. "Einwandfrei ist das Wasser!", findet auch Alarich und stürzt sich in die Fluten der neuen Norikusbucht.
300.000 Tonnen Schlamm entfernt
Insgesamt hat Bayern bislang rund 16 Millionen Euro für das Projekt locker gemacht. Zuerst wurde ein Sandstrand und ein Boulevard am Nordufer gebaut. Nun der Damm mit der Badebucht im Süden errichtet. Die Stadt will den Uferbereich mit seinen Wegen aufhübschen, sobald alles fertig ist. Und das sind nur die sichtbaren Veränderungen. Unter der Wasseroberfläche hat sich am meisten getan. "Wir haben 300.000 Tonnen Schlamm aus dem unteren See entfernt", erinnert sich Ulrich Fitzthum, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Nürnberg.
Weil sich Fitzthum das viele Geld für das Ausbaggern in Zukunft sparen will, ist er auf die Idee mit dem Umbau gekommen. Ziel aller Maßnahmen sei die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit. Dadurch soll sich kein Schlamm mehr auf dem Grund ablagern. Die Investitionskosten in Höhe von rund 16 Millionen Euro würden sich auf diesem Weg in den nächsten 30 Jahren amortisieren. Um die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen, hätte es freilich weder Strand noch Badebucht gebraucht. Aber Fitzthum denkt im Dreieck. Ökologie, Ökonomie und Soziales müssen eine Einheit bilden, findet er. Der 58-Jährige hat das Meisterstück geschafft, alle Belange zufrieden zu stellen.
Landschaft wie im Spreewald
Mit wenig Geld die Wünsche von Mensch und Natur zu befriedigen. Fitzthum denkt an den Stadtmenschen, der in Zukunft rund 30 Superhitzetage aushalten muss. Ohne Zugang zum Wasser geht das nicht. Bald soll die Natur an die Reihe kommen. Im oberen See soll eine Landschaft wie im Spreewald entstehen, um möglichst vielen Lebewesen wieder ein schönes Zuhause zu geben. Auch die Altarme der Pegnitz will Fitzthum wiederbeleben. Bei allen Maßnahmen setzt er auf Dialog. Viele Bürger hätten wertvolle Ideen eingebracht. Bestes Beispiel sei eine Flusswelle, die demnächst in der Pegnitz kurz vor Fürth für Freunde des Wellenreitens entstehen soll.
Diese Dialogbereitschaft dürfte ein wichtiger Faktor für das Gelingen der "Wasserwelt" sein. Im Rathaus dürfte dieser Erfolg nicht nur Begeisterungstürme auslösen. Schließlich wird es wohl Markus Söder sein, dem die Wasserwelt auf der politischen Habenseite gutgeschrieben wird. Kritik gibt es trotzdem. Manche bemängeln die Wasserqualität und das fehlende Riviera-Gefühl. Andere befürchten, dass die Vandalen bald alles zerstören. Wieder andere haben angst, dass die städtischen Freibäder pleite gehen. Die meisten Nürnberger dürften sich freilich freuen, dass der einst im Sommer übelriechende Tümpel auf dem besten Weg der Besserung ist. Ulrich Fitzthum hofft, dass die Wasserpflanzen bis zum Herbst angewachsen sind. Damit dürfte sich die Wasserqualität in der Norikusbucht weiter verbessern. Das Leben am Wasser beginnt in Nürnberg mitten im Hochsommer zu blühen. Wunder passieren eben immer wieder.