"Wir wussten alle nicht mehr, was wir machen sollen, konnten es nicht realisieren und sind in Tränen ausgebrochen", so der Junior-Chef gegenüber inFranken.de. Noch am selben Abend habe seine Mutter einen Flug für den darauffolgenden Tag gebucht. Angekommen in der Stadt, habe sie sich direkt zum Haus ihrer Eltern begeben. "Ich stehe jeden Tag mehrmals im Kontakt mit ihr, auch um ihr psychologischen Beistand zu leisten", so der 30-Jährige.
"Wie eine Geisterstadt": Hilfstrupps fehlen nach Erdbeben in türkischer Region
"Es war wie in einer Geisterstadt, die Häuser in Elbistan sind zu 80 Prozent umgefallen wie Kartenhäuser. Es sind gar keine Menschen mehr in ihren Häusern, weil sie Angst haben, dass die bestehenden Häuser noch einstürzen könnten." Am Dienstag (7. Februar 2023) hätten seine Eltern ihm auch berichtet, dass es keine Hilfstrupps gebe.
"Keine Leute zum Helfen, keine Kräne oder Bagger. Nichts. Es war eine Qual für alle Angehörigen, weil die Häuser in der Straße wie eine Geisterstadt gewirkt haben. Jeden Tag vor dem Haus, mit dem Gefühl, dass man keine tonnenschweren Betonmauern selber wegräumen kann, das hat ihnen das Herz gebrochen", so Al.
Erst nach 72 Stunden sei dann "endlich ein Rettungstrupp" gekommen, der nach zehn Stunden wieder wegen eines Nachbebens habe abbrechen müssen. "Danach kam dann das vermutete Ereignis: Meine Großeltern wurden vor den Augen meiner Eltern und meiner Familie geborgen", berichtet Firat Al. "Wir haben vor Ort auch noch andere Verwandte, die sich aber zum Glück noch retten konnten. Meine Großeltern waren alt, konnten nur sehr langsam gehen und konnten sich nicht mehr retten."
Nach Erdbeben in der Türkei: Kurdin aus Pommelsbrunn wohnt seit Tagen bei minus 15 Grad im Zelt
Derzeit wohnten seine Eltern und ihre Angehörigen in einem selbst zusammengebastelten Zelt, es habe minus 15 Grad in der Stadt. "Meine Eltern konnten seit 7 Tagen nicht duschen, Zähne putzen oder ähnliches. Geschlafen wird entweder im Zelt oder in den Autos. Jeder in dieser Stadt steckt momentan in dieser Situation. Keiner kann mehr zu Hause schlafen. Es gibt keine Toiletten, man muss einfach in der Öffentlichkeit auf das Klo gehen", schildert Al die dramatische Lage.
Kälte und Feuchtigkeit hätten dazu geführt, dass seine Eltern zwischenzeitlich krank geworden seien. Die Hilflosigkeit sei groß: "Dieses Land ist sehr schlecht aufgestellt, die Menschen haben alles verloren und wissen nicht mehr, was sie machen sollen." Der 30-Jährige, dessen Familie kurdischer Abstammung sei, kritisiert das Notfallmanagement der Politik vor Ort. "Die Regierung hat komplett versagt, aber das war zu erwarten", so sein resigniertes Fazit. Noch immer lägen viele Menschen unter dem Schutt, "gestorben wegen der Kälte und wegen fehlender Suchtrupps - sehr traurig", berichtet er.
Seine Großeltern seien bereits am Tag nach ihrem Auffinden beerdigt worden. "In der Türkei gibt es keine Auflagen, man kann das selber durchführen. Meine Mutter und ihre Geschwister haben die Leichen im Krankenhaus waschen lassen, und haben diese am nächsten Tag in ihrem kleinen Dorf, das circa 20 Kilometer von Elbistan entfernt liegt, beerdigt. Dort sind sie eigentlich wohnhaft, im Winter gehen sie aber immer in die Stadt, weil es im Dorf keine Heizungen gibt", so der 30-Jährige, der gemeinsam mit seiner Schwester im Nürnberger Land geblieben ist.
"Es tut mir im Herzen weh": Trauer bei "PEZ Döner"
Besonders seine Schwester habe den Verlust der Großeltern nur schwer verkraftet. "Meine Schwester hat meine Großeltern leider letztes Jahr nicht gesehen. Ich selber hingegen war im Sommer 2022 in der Heimat", erzählt Al. "Es tut mir im Herzen weh, wenn einem so nahestehende Menschen durch eine Naturkatastrophe gerissen werden", beschreibt er seinen Gefühlszustand.
Wer aktuell helfen wolle, könne dies am besten mit einer Spende an "kleinere Kulturvereine" wie etwa die Alevitische Gemeinde in Hersbruck tun, so sein Rat. "Diese haben Leute, die in die Krisengebiete fliegen, damit das Geld direkt bei den Leuten ankommt. Fragen Sie einfach kurdische und türkische Mitmenschen." Und Firat Al hat eine Bitte: "Die Menschen im Katastrophengebiet brauchen alles, was wir hier auch zum Leben brauchen. Spenden Sie bitte keine Kleidung, die sie nur ausmisten wollen. Spenden Sie Kleidung, damit die Leute dort zur Jahreszeit passende Kleidung haben."
Voraussichtlich noch bis Mitte der Woche werde der "PEZ Döner" in Pommelsbrunn geschlossen sein, so der Junior-Chef. "Ohne Familie kann ich diesen Laden leider nicht alleine führen." Am Dienstagvormittag (14. Februar 2023) kämen seine Eltern wieder aus der Türkei zurück. Doch die tiefe Trauer über den Verlust der Angehörigen durch das schreckliche Erdbeben - sie wird wohl noch eine lange Zeit bleiben.
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