In Nürnberg arbeitet der erste Männerbeauftragte Deutschlands

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Matthias Becker ist als Nürnberger Männerbeauftragter der Mann für die Männersorgen. Foto: Nikolas Pelke
Matthias Becker ist als Nürnberger Männerbeauftragter der Mann für die Männersorgen. Foto: Nikolas Pelke

Matthias Becker ist der erste Männerbeauftragte Deutschlands. Ob Männer seine Unterstützung brauchen, muss sich aber erst in der Praxis erweisen.

Herbert Grönemeyer hat die Sache in seiner Ode an das starke Geschlecht auf den Punkt gebracht: Männer sind auch Menschen, sonderbar, aber unersetzlich. Außen hart und innen ganz weich. Damit diese besondere Spezies nicht unter die Räder kommt, hat die Stadt Nürnberg als wohl erste Kommune in Deutschland einen Männerbeauftragten eingestellt.

Auf dem Schreibtisch von Matthias Becker stapeln sich die Akten. Der 52-jährige Sozialpädagoge mit den weichen Gesichtszügen und dem langen Pferdeschwanz hat alle Hände voll zu tun, seitdem die Stadt den "Ansprechpartner für Männer" der erstaunten Öffentlichkeit vorgestellt hat. Wie eine Bombe eingeschlagen ist diese Nachricht. Bundesweit hat Becker für Schlagzeilen gesorgt. Radio- und Fernsehstationen standen Schlange, um sich mit dem Männerversteher im Frauenbüro zu treffen.
Hier im Herzen der Emanzipation, zwischen den Vorkämpferinnen der Frauenbefreiung, hat Becker sein Büro. Mit sieben Stunden hat Becker im Mai angefangen.

Nicht sicher, ob die Stelle bleibt

Er nennt das Teilzeit. Im September soll die Stundenzahl des Männerbeauftragten auf 20 Wochenstunden erhöht werden. Im nächsten Frühjahr muss der Stadtrat entscheiden, ob die Stelle beibehalten wird. Zu Besuch beim Männerbeauftragten im Frauenbüro: Der Vergleich mit dem Wolf im Schafspelz drängt sich förmlich auf. Aber sinnvoll scheint diese räumliche Nähe trotzdem zu sein. Schließlich tut Becker das, was seine Kolleginnen schon seit Jahrzehnten machen: kämpfen für die Gleichstellung. Nur eben mit etwas anderen Vorzeichen. Der kleine Unterschied lässt grüßen.

Um seine Männer-Mission anschaulich zu erklären, erzählt der Männerbeauftragte am liebsten diese Geschichte. "Stellen Sie sich vor, ein Mann geht zur Polizei und sagt: Meine Frau schlägt mich." Fragende Blicke und ein unterdrücktes Grinsen wären mindestens die Folge. Weil die Gesellschaft beim Thema häusliche Gewalt an Täter und nicht an Täterinnen denkt.

Derartig althergebrachte Vorstellungen bezeichnet Becker als Rollenklischee. Schließlich seien in immerhin 15 Prozent der Fälle laut Becker die Männer die Opfer von häuslicher Gewalt. Wenn das stimmt, heißt das im Umkehrschluss, dass das Klischee von der Realität gar nicht so weit entfernt ist. Ausnahmen bestätigen eben die Regel. Um diese unterdrückten Ausnahmen des starken Geschlechts will sich Becker vordringlich kümmern. Um im Bild und am konkreten Beispiel zu bleiben: Geschlagene Männer will Becker an die Hand nehmen. Gemeinsam mit ihnen zur Polizei gehen. Ihnen den Rücken stärken, wenn Not am Mann ist. Das Motto des Männerbeauftragten lautet: Der nimmt mich ernst. Der hilft mir. "Ich traue mich, Männerthemen offensiv zu vertreten", sagt Becker selbstbewusst und schlägt ganz sanft mit der Hand auf den Tisch.

Wegkommen von den Klischees

Rollenzuschreibungen engen die Menschen ein, ist sich Becker sicher. Schließlich gebe es auch Frauen, die mittags ein Bier trinken wollen. Umgekehrt wird für Becker ein Schuh daraus. Männer müssen kein Bier trinken, um Mann zu sein. Männer können auch Tee trinken. Genauso kann sich Becker Männer in kurzen Hosen im Büro vorstellen. Warum sollten nur Frauen in den Genuss von modischer Leichtigkeit kommen? "Ich muss nicht schwul sein, um Friseur zu werden", fasst Becker seine These zur geschlechtsneutralen Berufswahl zusammen. Von den Klischees will Becker wegkommen und Rollenstereotype in die Tonne treten.

"Wenn ich die eigenen Interessen als Mann vertrete, heißt das nicht, dass ich mich gegen Frauen wende", findet Becker. Die Männer hätten vergessen, ihre eigenen Anliegen und Bedürfnisse zu formulieren. Dazu will der Männerbeauftragte seine Artgenossen ermutigen. Die Männer müssten eine "falsche Scheu vor politischer Korrektheit" abstreifen. Zur Not müssten die Männer auf den Tisch hauen, damit ihnen der schönere Teil der Schöpfung nicht zu sehr auf der Nase herumtanzt. "Softies" will Becker aus den Männern nicht machen. Gleichstellung bedeute nicht Gleichmacherei. "Jeder sollte unabhängig vom Geschlecht die gleichen Chancen haben", ist sich Becker sicher. Der Männerbeauftragte aus Nürnberg sieht sich als Vorkämpfer für Männerrechte.

In gewisser Weise schlägt das Pendel der Frauenbefreiung zurück. Nun sollen die Männer ihre Wünsche artikulieren, fordert Becker. Um die Mehrheit der Männer scheint sich ein Männerbeauftragter dabei nicht zu kümmern. Das wird viele Männer traurig machen. Er wird sich nicht dafür einsetzen, dass mehr Fleisch statt Gemüse auf den Tisch kommt. Hier bleibt der Männerbeauftragte ganz dem emanzipatorischen Gestus der Frauenbewegung verhaftet. Gesucht wird der unterdrückte, nicht der vernachlässigte Mann. Becker weiß, dass ihm das manchen Spott am Stammtisch einbringt. Aber er will standhaft bleiben und den Männern zur Seite stehen, damit sie ihre weiche Seite zeigen können. Was in der Theorie gut klingt, muss sich in der Praxis erst bewähren.