Frankenschnellweg in Nürnberg: Poker um die "Kreisstraße"

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Der Frankenschnellweg in Nürnberg entzweit seit Jahren viele Gemüter. Foto: Christian Höhn / Stadt Nürnberg / SÖR Nürnberg
Der Frankenschnellweg in Nürnberg entzweit seit Jahren viele Gemüter. Foto: Christian Höhn / Stadt Nürnberg / SÖR Nürnberg
Otto Heimbucher
Otto Heimbucher
 
Richard Mergner
Richard Mergner
 
André Winkel
André Winkel
 
Otto Heimbucher
Otto Heimbucher
 

Streit um Frankenschnellweg: Der kreuzungsfreie Ausbau durch Nürnberg steht auf dem juristischen Abstellgleis. Das hält Befürworter und Gegner des 500-Millionen-Projektes nicht davon ab, hinter den Kulissen einen Ausweg zu suchen.

Beim Pokern will sich keiner in die Karten schauen lassen. Beim Pokern will niemand verlieren. Besonders wenn es wie beim kreuzungsfreien Ausbau vom Frankenschnellweg in Nürnberg um viel Geld geht. Egal ob Bluff oder gezinkte Karten: Um das Spiel am Ende zu gewinnen, scheinen beim Poker alle Tricks erlaubt.


Frankenschnellweg in Nürnberg: Poker um eine teure Straße

Otto Heimbucher vom Bund Naturschutz (BN) hat seine Karten zur Überraschung der Stadt als Erster auf den Tisch gelegt. Via Nürnberger Zeitung hat Heimbucher der Stadt einen "Kompromiss" angeboten. Die gemachten Vorschläge wie Tempolimit, Flüsterasphalt und Verkehrsleitsystem haben allerdings eine gefährliche Hintertür. Heimbucher will als Vorsitzender der Nürnberger BN-Kreisgruppe seine rund 7000 Mitglieder über eine mögliche Vereinbarung zwischen Stadt und Kläger abstimmen lassen.


Offiziell zeigte sich Bürgermeister Christian Vogel (SPD) "erfreut" über das Gesprächsangebot, damit man "doch noch zu einer gütlichen Einigung" komme. Freilich dürfte sich Vogel in Wirklichkeit über den unerwarteten Schachzug seines Gegenübers mächtig geärgert haben. Schließlich hatte die "Pokerrunde" vereinbart, sich in aller Stille zu treffen.


Verhandlungen als Glücksspiel?

Mit am Tisch hocken werden nicht nur Naturschützer und Stadtvertreter. Otto Heimbucher ist nebenbei auch noch CSU-Stadtrat. Richard Mergner vom Landesverband des BN hat schon klargemacht, dass Heimbucher nicht allein einen Kompromiss mit der Stadt aushandeln kann. Mergner ist Landesbeauftragter und seit 1999 sogar verkehrspolitischer Sprecher des Bundesverbandes BUND. Nach der von Heimbucher angekündigten Mitgliederbefragung sind freilich auch noch die rund 7000 BN-Mitglieder in Nürnberg eingeladen, ihren Platz am Verhandlungstisch einzunehmen. Hier werden die Naturschützer mit André Winkel auf einen alten Bekannten treffen. Winkel war Geschäftsführer beim BN, bevor die Stadt ausgerechnet ihn zum Sprecher für den Ausbau des Frankenschnellwegs machte. In dieser Konstellation dürfte die Verhandlungsrunde zum kompletten Glücksspiel mutieren.

Derzeit ist der Baubeginn auf ungewisse Zeit verschoben. Der Landesverband des BN hatte beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Projekt geklagt. Die Münchner Richter hatten den Fall im Sommer an den Europäischen Gerichtshof verwiesen, der klären soll, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung für den Ausbau der Kreisstraße notwendig sei. Die Stadt stellt sich auf den Standpunkt, dass eine solche Prüfung de jure nicht notwendig ist. Schließlich handele es sich offiziell nur um eine Kreisstraße. Man habe sogar die Schneeräumpflicht, führte Bürgermeister Vogel als Beweis an. Wenn es eine Autobahn wäre, argumentierte Vogel weiter, müsste sich der Bund um die Straße kümmern. Quod erat demonstrandum. Freilich sagt niemand so gerne, dass die Stadt aus dem Teilstück erst im Jahr 2007 eine Kreisstraße gemacht hat. Vorher firmierte das Teilstück sogar als Privatstraße. Besonders bei der SPD erinnert man sich auch nicht so gerne daran, dass sich die Sozialdemokraten jahrzehntelang mit Händen und Füßen gegen den kreuzungsfreien Ausbau der vierspurigen Straße gestemmt haben. Mit dem Beginn der großen Koalition im Rathaus setzte gegen Ende der 2000er-Jahre ein Umdenken ein. Als der Nürnberger CSU-Bezirkschef Markus Söder vom Umwelt- zum Finanzminister aufstieg, schien das Ende der jahrzehntelangen Debatte um den "Frankenschleichweg" nahe. Die Ampeln sollten endlich abgebaut, der Dauerstau endlich beendet werden. In einer legendären Sitzung des baye rischen Kabinetts auf der Kaiserburg sicherte der Freistaat der Frankenmetropole saftige Zuschüsse zu. "Frankenschnellweg: 395 Millionen", soll Söder an Maly noch von der Burg gesimst haben.

Der Jubel dieser Tage über den Durchbruch ist längst verflogen. Auch Ende 2015 ist immer noch nicht klar, wann die Ampeln auf dem Frankenschnellweg abmontiert und in die Mottenkiste gepackt werden. Denn der BN argumentierte vor Gericht erfolgreich, dass es sich beim Frankenschnellweg de facto um eine Schnellstraße handelt und die Umweltverträglichkeitsprüfung deshalb nach EU-Recht erforderlich sei. Auch wenn die Stadt die Trasse im Stadtgebiet als Kreisstraße ausgewiesen habe.
Bis die Mühlen der Justiz gemahlen haben, muss die Stadt sich in Geduld üben. Das zerrt nicht nur an den Nerven sondern schmerzt auch den Stadthaushalt. "Jedes Jahr Verschiebung kostet uns rund 15 Millionen Euro Mehrkosten", rechnete Finanzreferent Harald Riedel (SPD) auf Anfrage vor. Mittlerweile geht man bei der Stadt von einer dreijährigen Verzögerung aus. Der Druck auf alle Verhandlungspartner ist also enorm. Eigentlich sollten 2016 schon die Bagger rollen. Noch vor Weihnachten wollen sich Befürworter und Gegner zum ersten Mal an einen Runden Tisch setzen. Offiziell steht ein Termin freilich noch nicht fest. Mittlerweile hat die Pokerrunde erneut Stillschweigen vereinbart. Man darf umso gespannter sein, wie die erste Runde in diesem Pokerspiel ausgehen wird.