Erzbistum Eichstätt: Schock-Bericht zu Missbrauchspriester - Bischof Hanke wusste seit 12 Jahren Bescheid
Autor: Daniel Krüger
Franken, Montag, 05. Dezember 2022
Ein neu veröffentlichter Bericht zu Missbrauchsfällen durch einen fränkischen Priester zeigt nicht nur ein viel größeres Ausmaß des "Grauens". Auch Bischof Hanke steht jetzt unter Druck - er wusste schon lange von den Taten.
- Untersuchung zu fränkischem Missbrauchspfarrer veröffentlicht
- Bischof Hanke unter Druck - trotz "verbrecherischer Vergangenheit" nicht reagiert
- "War ein großer Fehler": Priester wurde in Schwabacher Altenheim übergriffig - keine Warnung aus Bistum
- Taten "aktiv vertuscht": Bistum half bei Flucht nach Afrika - Generalvikar wurde vor Ermittlungen gewarnt
Die Unabhängige Aufarbeitungskommission (UAK Eichstätt) hat am Donnerstag (24. November 2022) ihren Zwischenbericht zu dem fränkischen Missbrauchspriester veröffentlicht, der vor der Polizei nach Afrika geflohen war - und nach der Verjährung in einem Schwabacher Seniorenheim wieder übergriffig wurde. Dieser zeigt schockierende Details der Vertuschung durch die Kirche. Gleichzeitig musste der aktuelle Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke schwere Versäumnisse einräumen.
Geschlechtsverkehr mit 12-jährigem Mädchen - fränkischer Pfarrer schon vor Weihe "auffällig"
Den Stein des Anstoßes hatte der Fidei-Donum-Bericht vom August 2022 gegeben, in dem Missbrauchsfälle durch im Ausland eingesetzte Priester untersucht worden waren. Hier war auch ein Absatz zu dem Priester aus Mittelfranken enthalten. Der Bericht scheine aber "tatsächlich nur an der Oberfläche zu kratzen", so die UAK. Die Akten des Bistums Eichstätt zeichneten ein "viel weitreichenderes Szenario" nach. Der Priester soll etwa laut einem damaligen Haftbefehl zwischen 1966 und 1969 fünf Mädchen und Frauen im Alter von neun bis 17 Jahren missbraucht haben.
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Mit einer 12-Jährigen, so die Polizei, soll der Geistliche 1966 Geschlechtsverkehr gehabt haben. Die weiteren Vergehen, welche dem Haftbefehl zufolge alle Opfer betrafen: "Das Betasten der Scham und Küssen der Brüste der Kinder und Jugendlichen und das Zwingen zur manuellen sexuellen Befriedigung." In anderen Schriftstücken habe man jedoch noch "Aussagen und Andeutungen von Vorgesetzten zu weiteren Missbrauchsfällen" gefunden. Daraus schließt die UAK, dass es zur damaligen Zeit insgesamt zehn Missbrauchsopfer gegeben habe.
"Bereits während seiner Studiums- und Seminarzeit zeichneten sich Auffälligkeiten im Verhalten" des Pfarrers ab, heißt es im Bericht. Trotzdem wurde er 1956 zum Priester geweiht. "Gebe Gott, daß dieser Wille auch immer stark genug ist", hieß es im Personalakt - gemeint sei damit die Kraft des Geistlichen, "sich zurückzuhalten", gewesen. Eine "ganze Reihe von Dokumenten" zeige, dass sexuelle Übergriffe "spätestens seit 1967 innerhalb der Führungskräfte des Bistums Eichstätt bekannt gewesen sein mussten", so die UAK. Hier war der Pfarrer im Treuchtlinger Gemeindeteil Gundelsheim und in Wittesheim, wenige Kilometer entfernt, tätig.
Missbrauchspfarrer wird in Kloster im Kreis Kitzingen geschickt - dann kommt der Haftbefehl
Als Reaktion schickte das Bistum den Täter demnach zunächst zu einem "Kur-Aufenthalt" im Allgäu. Doch nach der Rückkehr in seine Pfarreien habe er weiter missbraucht. Nachdem im Januar 1969 parallel polizeiliche Ermittlungen gegen den fränkischen Pfarrer aufgenommen wurden, sollte dieser ins Kloster Münsterschwarzach (Landkreis Kitzingen) - wo auch der Wallenfelser Pfarrer Dieter S. wenige Jahre zuvor "wieder zur Besinnung" kommen sollte. Einen Monat vor dem Erlass des öffentlichen Haftbefehls wurde der Eichstätter Generalvikar Pfeiffer laut Akten durch "einen Vertrauten" insgeheim vor den Ermittlungen gegen den Priester gewarnt. Dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Münsterschwarzach.
Von 1969 bis 1973 hielt sich der Missbrauchspfarrer dann trotz internationalem Haftbefehl in Tansania auf. Aus den Akten geht hervor, dass der Geistliche bereits ab dem ersten Jahr durchgehend Geld von der Kirche erhielt - zunächst wohl über eine Vollmacht seiner Schwester auf ein Postscheck-Konto, später über Spenden, etwa aus und nach Münsterschwarzach. Ab 1974 habe sich der Pfarrer dann in Brasilien aufgehalten, wo er in der Gemeinde Itumbiara tätig gewesen sei - hier und in Afrika seien bisher keine Missbrauchsfälle bekannt, heißt es. 1984 kehrte er demnach zurück nach Deutschland und wurde wieder im Bistum München-Freising eingesetzt.