Mehrere Personen sollen in der Nürnberger Südstadt kriminelle Strukturen aufgebaut haben und vor allem in zwei speziellen Bereichen tätig gewesen sein. Die monatelangen Ermittlungen gipfelten jetzt in Festnahmen.
Die Abteilung zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität der Kriminalpolizei Nürnberg ermittelt seit September 2023 in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft München I gegen mehrere Personen, die verdächtigt werden, kriminelle Netzwerke in der Südstadt von Nürnberg aufgebaut zu haben. Wie das Polizeipräsidium Mittelfranken berichtet, liegt der Fokus der vier Verdächtigen auf Schleusungskriminalität und dem Betrieb eines "Schattenfinanzwesens", bekannt als "Hawala-Banking".
"Hawala-Banking" ist ein anonymes Zahlungssystem, das auf gegenseitigem Vertrauen basiert und außerhalb jeglicher staatlicher Kontrolle agiert, erklärt die Polizei. Es erlaubt weltweit anonyme Geldtransfers. Aktuelle Ermittlungen deuten darauf hin, dass dieses System hauptsächlich im arabischen Raum genutzt wird, besonders in Ländern wie Syrien, wo ein strukturiertes, weltweit anerkanntes Bankensystem aufgrund der politischen Lage nicht verfügbar ist.
Kripo Nürnberg verbucht Erfolg - Täter sollen Hunderttausende Euro von Deutschland ins Ausland transportiert haben
Einer der Verdächtigen fungiert als "Hawaladar" und bietet unter dem Vorwand eines legal geführten Einzelhandels Geldtransfers gegen eine prozentuale Gebühr an. Bei diesen Transaktionen erfolgen Ein- und Auszahlungen durch die "Kunden" anonym, wie es heißt. Nach der Einzahlung, beispielsweise in Nürnberg, erhält der "Kunde" einen Bestätigungscode, welchen dieser an den Empfänger weiterleitet. Mit diesem Code erfolgt anschließend die Auszahlung des hinterlegten Geldes. Faktisch kommt es wie bei einem legalen Bankenwesen zu keinem tatsächlich physischen Geldfluss. Der Ausgleich der Konten der jeweils beteiligten "Hawaldaren" erfolgt durch weitere Ein- und Auszahlungen von Kunden beziehungsweise zu einem späteren Zeitpunkt durch veranlasste Geldtransporte über Kuriere.
Während der Ermittlungen wurden mindestens zwei weitere Personen identifiziert, die aktiv beteiligt waren. Die Polizei vermutet, dass täglich hohe Beträge im mittleren bis hohen fünfstelligen Eurobereich in das "Zahlungsbüro" der Verdächtigen eingezahlt wurden. Es besteht der Verdacht, dass die Gruppe monatlich mehrere Geldtransporte im mittleren bis hohen sechsstelligen Bereich von Deutschland in Länder wie Tschechien oder die Türkei organisiert hat.
Diese Gelder stammen laut den Ermittlungen aus eigenen "Hawala-Transaktionen" und dem Kauf größerer Geldsummen von mutmaßlich deutschlandweit aktiven Personen im selben Deliktsbereich. Der Gewinn resultierte aus den Gebühren für Geldtransfers und der Organisation von Geldtransporten ins Ausland, so der Hintergrund. Bislang konnten die Ermittler drei dieser Transporte in Grenznähe zu Tschechien und Österreich stoppen und etwa eine Million Euro Bargeld beschlagnahmen.
Täter bereichern sich als Schleuser - und führen zwei Entführungen durch
Darüber hinaus konnten die Ermittler eine Gruppe syrischer Staatsangehöriger identifizieren, die zwischen August 2022 und Oktober 2022 von Teilen der Gruppierung illegal nach Deutschland geschleust wurden. Die Täter erwirtschafteten damit demnach "Schleusungsentgelder" im fünfstelligen Eurobereich. Zudem sollen die Verdächtigen zwei Entführungen in den Regionen München und Brandenburg im Zusammenhang mit dem "Hawala-Banking" geplant und durchgeführt haben.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft München I wurden Haftbefehle gegen die Verdächtigen erlassen, ebenso wie 17 Durchsuchungsbeschlüsse, führt die Polizei fort. Die Razzia fand am Donnerstagmorgen (24. Oktober 2024) statt, mit der Beteiligung des Zollfahndungsamtes München, der Steuerfahndung Nürnberg, der Kriminalpolizei Nürnberg und der Staatsanwaltschaft München I, unterstützt von der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Drei der vier Haftbefehle wurden bereits vollstreckt.