Wenn die Treppe nicht mehr aufwärts führt

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Nachdenkliche Momente gab es nicht nur im Film, sondern auch während der Podiumsdiskussion. Arzt und Filmemacher Axel Schmidt, Dipl.-Psychologin Nadine Behring sowie Sabine Feuerbach-Heim während einer eindringlichen Frage aus dem Publikum.Markus Häggberg
Nachdenkliche Momente gab es nicht nur im Film, sondern auch während der Podiumsdiskussion. Arzt und Filmemacher Axel Schmidt, Dipl.-Psychologin Nadine Behring sowie Sabine Feuerbach-Heim während einer eindringlichen Frage aus dem Publikum.Markus Häggberg
Eindringliche Momente konnte die Podiumsdiskussion vorweisen. So wie hier, während der international anerkannte Spezialist für Depressionen,Manfred Wolfersdorf, auf Chancen bei der Behandlung verwies. Im Hintergrund zu sehen: Sabine Feuerbach-Heim, Leiterin einer Kontaktstelle für Betroffene.
Eindringliche Momente konnte die Podiumsdiskussion vorweisen. So wie hier, während der international anerkannte Spezialist für Depressionen,Manfred Wolfersdorf, auf Chancen bei der Behandlung verwies. Im Hintergrund zu sehen: Sabine Feuerbach-Heim, Leiterin einer Kontaktstelle für Betroffene.
 
Eindringliche Momente konnte die Podiumsdiskussion vorweisen. So wie hier, während der international anerkannte Spezialist für Depressionen, Manfred Wolfersdorf, auf Chancen bei der Behandlung verwies. Neben ihm zu sehen: Sabine Feuerbach-Heim, Nadine Behring, Axel Schmidt und Uwe Leidinger.Markus Häggberg
Eindringliche Momente konnte die Podiumsdiskussion vorweisen. So wie hier, während der international anerkannte Spezialist für Depressionen, Manfred Wolfersdorf, auf Chancen bei der Behandlung verwies. Neben ihm zu sehen: Sabine Feuerbach-Heim, Nadine Behring, Axel Schmidt und Uwe Leidinger.Markus Häggberg
 
Den Kinosaal hinauf stiegen am Donnerstag viele Hoffende, einen Hinweis auf besseren Umgang mit Depressionen zu erhalten.
Den Kinosaal hinauf stiegen am Donnerstag viele Hoffende, einen Hinweis auf besseren Umgang mit Depressionen zu erhalten.
 
en Kinosaal hinauf stiegen am Donnerstag viele Hoffende, einen Hinweis auf besseren Umgang mit Depressionen zu erhalten
en Kinosaal hinauf stiegen am Donnerstag viele Hoffende, einen Hinweis auf besseren Umgang mit Depressionen zu erhalten
 

Der Kinosaal in Lichtenfels war voll und das Thema brisant: Depression.

Wer hätte mit so viel Andrang gerechnet? Am Donnerstag ging über die Neue Filmbühne, was schmerzhaft interessant war und zu einer Diskussion anregen sollte. Uwe Leidinger springt die Treppen hoch, geht durch die Plüschsesselreihen und reicht das Mikrofon an Menschen, die nach Antworten verlangen. Dann nimmt er das Mikro an sich und schleunigst den umgekehrten Weg nach unten, dorthin wo ein Quartett aus Ratgebern und Verständigen direkt vor der Leinwand sitzt. "Wir hätten den Saal heute noch dreimal so voll bekommen können", erklärt der moderierende Mitarbeiter der AOK.
Zwar waren die Tickets für den Dokumentarfilm "Die Mitte der Nacht ist der Anfang vom Tag" kostenfrei zu erhalten gewesen, doch dass nur Sparfüchse in den roten Plüschsesseln gesessen hätten, ist höchst unwahrscheinlich. Zu verschämt wäre dafür auch im Jahre 2017 noch der Umgang mit einem für viele Menschen peinlichen Thema, zu sehr liefe man Gefahr, beim Besuch eines solchen Filmes samt Diskussionsrunde von anderen Besuchern gar für depressiv gehalten zu werden. Außer man ist Betroffener, ein Gleicher unter Gleichen oder Ratsuchender für den Umgang mit erkrankten Familienmitgliedern oder Freunden. Welche Dimensionen die Krankheit in ihren Augen erreichen kann, erklärte eine Besucherin drastisch: "Es ist das Schlimmste - dann lieber Krebs."
2010, so der Kölner Filmemacher Axel Schmidt gegenüber unserer Zeitung, hätten die Vorplanungen für "Die Mitte der Nacht ist der Anfang vom Tag" begonnen, jener Dokumentation, die vier an Depression erkrankte Menschen bei der Bewältigung ihres Lebens begleitet, ohne Wertungen vorzunehmen. Ein Projekt, das mit Unterstützung des Deutschen Bündnisses gegen Depression sowie der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zustande kam und von der AOK auf "Kino-Tour" geschickt wird.
Schon die Eingangssequenz ist dabei anrührend, spricht in ihr eine junge Frau doch davon, dass ihre Erkrankung ihr klargemacht habe, dass es in ihrem Leben eine unliebsame Kellertür gibt, hinabführend zu einer sich immer wieder meldenden Erkrankung. "Ich werde gezwungen zu leben", spricht eine andere Frau, der der emotionale Bezug zu Schönheit und Lebenssinn abhanden kam. Schmidt ist selbst Facharzt für Psychiatrie und sein Film hält rhythmisch mit dem Titel mit. Denn die Mitte des Films markiert auch den Beginn hoffnungsvoller Aussichten für die betroffenen Begleiteten. Als Teil des Quartetts erwartete auch er, als das Licht nach 78 Minuten Spielzeit im Saal wieder anging, die Fragen aus dem Publikum.
Und die kamen. "Wie kann man als Ehepartner Hilfe leisten?", lautete eine der Fragen. Die Beantwortung nahm Sabine Feuerbach-Heim in die Hand, eine Kontaktstelle für Selbsthilfe bei Depressionen in Coburg leitend. "Bitte nicht so Sachen sagen, wie: ,Jetzt reiß dich doch mal zusammen.‘ Es ist besser zu sagen: ,Wir stehen den Tag gemeinsam durch.‘ Es ist kein Nicht-Wollen, sondern ein Nicht-Können, das muss man begreifen lernen", so die Sozialpädagogin. Neben ihr saß mit Mediziner Manfred Wolfersdorf ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit Lehrstuhl. Er rückte ins Bewusstsein, wovon die Weltgesundheitsorganisation bei Depressionen bis 2020 ausgeht: "Als die zweithäufigste Krankheit überhaupt." Er stellte auch heraus, was Männer und Frauen bei der Inangriffnahme ihrer Krankheit unterscheidet. "Männer flüchten sich mehr in den Sport oder in Süchte [...] und haben mehr Autoaggressivität."
Dieses verdrängende männliche Verhalten mochte sich auch in der Besetzung des Publikums widerspiegeln: zwei Drittel Frauen, ein Drittel Männer. Doch auch die AOK selbst hatte sich einer gesundheitspolitisch wohl heiklen Frage zu stellen. So wollte jemand aus dem Publikum wissen, wieso es angesichts eines vielfältigen Krankheitserscheinungsbildes nur drei Therapieformen gebe. Christian Grebner, Chef der AOK-Direktion in Coburg, verwies darauf, als Kasse "nur Exekutive" zu sein und nur das an Therapie anbieten könnend, wozu sich für einen Behandlungskatalog "ein Bundesausschuss entscheidet". Allerdings setzte er auch einen Hoffnungsschimmer, sprach er doch davon, dass individuelle Verhandlungen sehr wohl möglich seien. Eine gute halbe Stunde sollte der Austausch zwischen Fragestellern im Publikum zu Fragen wie Medikation bei Depressionen oder die richtige Art, es den Kindern beizubringen, dauern. Was bei den Besuchern in Erinnerung bleiben könnte, ist eine durch diesen Abend vertiefte Einsicht dafür, dass es keinen Grund für Scham gibt. Und auch Facharzt und Filmemacher Schmidt sprach an diesem Abend davon, durch den Film neue Erkenntnisse zur Depression erhalten zu haben. "Ich habe Menschen (die gefilmten Akteure) vielfältiger kennengelernt als in therapeutischen Sitzungen."