Ein ehemaliges Paar, das nach einem gewalttätigen Vorfall eine Beziehung miteinander einging, hatte sich am Mittwoch auf dem Amtsgericht zu diesem Vorfall zu äußern. Die Frau als Angeklagte, der Mann als Zeuge. In dem Verfahren voll gegensätzlicher Aussagen kam es doch zu einem Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung.
Unterschiedlicher hätten die Erinnerungen zum Abend des 6. Januar 2015 nicht vorgebracht werden können. Es soll gegen 21.30 Uhr in einem Altenkunstadter Lokal gewesen sein, so die angeschuldigte 20-jährige Angeklagte aus demselben Ort, als sich ein junger Mann ihr näherte, um ihr mitzuteilen, dass er für sie frei sei. Ein zweites und drittes Mal sei der junge Mann vorstellig geworden um zu erwähnen, dass das nun die letzte Chance auf ihn sei.
Dann wäre dessen Freundin aufgetaucht und die beiden hätten einander geküsst. Doch statt mit dieser Frau einen netten Abend einzuläuten, habe er die 20-Jährige als "Schlampe" bezeichnet, in den Schwitzkasten genommen, weggeschubst und dabei - als Folge eines Reflexes - ein volles Cocktailglas ins Gesicht geworfen bekommen.
Nachdem Richter Ortwin Jaunich den Geschädigten zu dessen Zeugenaussage aufrief, bekamen die Anwesenden eine völlig andere Version zu hören.
Nur mit ihr geredet habe er, so der 23-jährige Weismainer. Dann sei der Glaswurf passiert und der habe eine Schnittwunde am Kopf mit sich gebracht. "Das klingt sehr spontan", warf Richter Jaunich ein und konfrontierte den Gefragten mit seinem einstigen Vernehmungsprotokoll, in dem es hieß, die junge Frau hätte öfter Spitzen in Richtung der den 23-Jährigen begleitenden Frau geäußert.
Der Verteidiger der Angeklagten, Bernd Legal, hakte beim Zeugen nach, ob es stimme, wonach er seine Mandantin in den Schwitzkasten genommen habe. "Ich habe noch nie jemanden in den Schwitzkasten genommen und ein Mädchen schon zweimal nicht", so die Antwort. Wie es komme, dass er erst zwei Tage nach dem Vorfall zur Polizei ging, wollte hingegen Jaunich wissen.
"Na ja, das geht ja so nicht!", so die grundsätzliche, aber nicht bestürzt wirkende Beantwortung.
Überhaupt wirkte das Verhältnis zwischen Angeschuldigter und Geschädigtem nüchtern, mit einem Hauch Freundschaftlichkeit. Im Nachgang des Vorfalls, so hieß es, habe sich die junge Frau bei dem Mann per SMS entschuldigt. Alkoholisiert waren sie beide. Sie mit fünf bis sechs Cocktails, er mit an die zwei Promille.
Kein Schwitzkasten
Zwei weitere Zeugen sollten auftreten, Security-Mitarbeiter des Abends. Einer konnte nichts zur Erhellung beitragen, der andere war Augenzeuge. Als solcher gab er an, nur ein Wegschubsen ohne Schwitzkasten gesehen zu haben. Und den Glaswurf aus etwa eineinhalb Metern Entfernung. Angetrunken seien alle gewesen, das Opfer sogar "stark". Kein Schwitzkasten - keine Notwehr, so die Schlussfolgerung von Staatsanwalt Philipp Kar.
Nicht einmal einen Reflex wollte er annehmen. Da die Frau bislang unbescholten war und ein Jugendgerichtsbericht von jugendtypischem Verhalten sprach, plädierte er lediglich auf eine Geldstrafe, wenngleich diese "spürbar" sein solle. 1000 Euro wären hierfür angemessen.
Bernd Legal hingegen wollte von einer Provozierung des Wurfs ausgehen, rief in Erinnerung, dass die Frau und der Mann zu einem späteren Zeitpunkt eine Beziehung eingingen. Richter Jaunich entschied auf schuldig und stimmte einer Geldstrafe zu. Jedoch blieb er 300 Euro unter der Forderung Kars.