Von Moden und Kuriosem

Die oberfränkischen Schachtage finden alljährlich zu Jahresbeginn in der Frankenakademie in Schney statt. Zumindest ist das seit nun 31 Jahren so. Genauso lange gibt es Geschichten und Kurioses rund um dieses Ereignis. Turniersplitter eben, wie das im Schachjargon heißt.
Sieben Runden gilt es im Hauptturnier für die 54 Teilnehmer zu überstehen. Zwei Runden zwischen dem 3. und 5. Januar sowie die Abschlussrunde am 6. Januar. Danach ist man rechtschaffen groggy. Doch was setzt einem Schachspieler eigentlich während einer Partie zu? Ist es die Konzentrationsleistung? Bedingt! Es ist eine Mischung aus manchem, vor allem aus dem Schmieden von Plänen, aus Berechnungen und einer Form von Angst. Wer stundenlang spielt, befürchtet stundenlang, einen Fehler zu machen oder etwas "Tödliches" übersehen zu haben. Erst recht, wenn man auf der Schachuhr seine Zeit verrinnen sieht, also man ist.
Wie die Kinder
Ach ja, die Tür zum Spielsaal. Wenn sie ins Schloss fällt, dann tut sie das nicht leise. Wohl zwei- bis dreimal pro Tag werden die Spieler von Hauptschiedsrichter Ingo Thorn und Turnierdirektor Jan Trinkwalter zu akustischer Rücksichtnahme angehalten. Aber Erwachsene sind eben auch nur Kinder - es klappt mit der Rücksichtnahme eben nicht immer.
K wie Karenzzeit. Auch beim Schach gibt es diesen Begriff. Kommt ein Spieler mehr als 15 Minuten zu spät zu seiner Partie, hat er die Partie verloren. Aber was, wenn es beide Spieler nicht rechtzeitig zu ihrer Partie schaffen? "Dann werden beide genullt, dann haben beide verloren", ist vom Turnierdirektor über diesen denkbar möglichen Umstand zu erfahren.
Kaum Pause für Schüpferling
Andreas Schüpferling weiß, was Arbeit am Brett bedeutet. Der Mann, der für den SK Michelau spielt, durfte am Samstag von der dritten Runde nahezu nahtlos in die vierte Runde gehen. Von 8.30 bis 13.15 Uhr dauerte seine Partie, dann hatte er 40 Minuten Pause, ehe er ab 14 Uhr noch einmal einen mehrstündigen Kampf absolvierte.
Londoner System in Mode
Inwieweit Wolfgang Siegert mit Mode vertraut ist, war schwer in Erfahrung zu bringen. Der Mann sitzt unterhalb des Spielsaals, und seine Aufgabe besteht darin, das Turnierbulletin zu verfassen. Für das Internet. In diesem Bulletin nachzulesen sind alle Partien und ihre Züge, denn die Spieler haben Notationspflicht. So landen nach jeder Runde die unterschriebenen Partieformulare bei ihm, und er wird im Laufe der Tage hunderte Partien händisch in seinen Laptop eintippen. Aber darum geht es nicht, es geht ja um Mode. Auch beim Schach gibt es Moden, und die bestehen in den Eröffnungssystemen, die Uneingeweihten wie eine Geheimsprache vorkommen. Da gibt es die Sizilianische Verteidigung und Grünfeld-Indisch, da gibt es Ben-Oni oder Holländisch und noch viel mehr. In Wolfgang Siegerts Bulletin werden sich aus diesen Tagen vermehrt Partien finden, die vor allem einen Anfang nahmen: den des Londoner Systems. Das Kuriose dabei: Es tauchte schon in der "Göttinger Handschrift" von circa 1500 auf, jenem berühmten Traktat über das Schachspiel in lateinischer Sprache. Passend dazu ein launiger kurzer Dialog zwischen dem Kulmbacher Goran Sabol und dem Sonneberger Karl-Heinz Jacob nach ihrer Partie aus der vierten Runde, die zur Holländischen Eröffnung zählte und an der sich Sabol die Zähne ausbiss: "Ich hasse diese Holländische Eröffnung", lautete sein Fazit. Die von nicht ganz ernstem Bedauern getragene Antwort Jacobs: "Oh, das habe ich nicht gewusst."
Matthias Bergmann ist auch einer von ihnen. Die Rede ist von manchen Jugendtrainern, die auch vor Ort sind, um im Nachgang der Partien diese mit ihren Schützlingen zu analysieren. Der Lichtenfelser, der für den SV Seubelsdorf in der Bezirksoberliga an vorderem Brett spielt, ist stark genug, um selbst Favorit auf den oberfränkischen Titel zu sein. Aber er spielt nur verhältnismäßig selten mit. Und doch hat er so seinen ganz eigenen Bezug zu den Schachtagen: "Ich finde, man muss nicht selbst spielen, um dabei zu sein. Es ist auch so immer ein Wiedersehen mit Freunden."
Klaus von Loeffelholz ist der wohl älteste Spieler im Feld. Der Mann ist bald 80, aber noch sehr gefährlich. Die beiden vielleicht größten Spieler aller Zeiten hat er 1986 live gesehen. "Ich habe um Eintrittskarten angestanden und bald saß ich im Saal", erklärt der Coburger, sich an den WM-Kampf zwischen Karpow und Kasparow erinnernd. Aber auch der Ex-Weltmeister Vesselin Topalow habe ihm mal auf die Schultern geklopft. "Topalow hat mich mal begrüßt, weil er dachte, er kennt mich."
Delia Leuchsenring spielt in der U12 um den Titel. Das Mädchen aus Oberkotzau hat etwas Besonderes zuwege gebracht. Irgendwie gelang es ihr, sich bei der Meisterschaft eine Blase am Fuß zuzuziehen. Das mehrmalige Wechseln zwischen den Turniersälen und dem Essenssaal brachte das mit sich. Soll niemand sagen, Schach sei keine Bewegungssportart.