Die Gemeinde Michelau holt 73 Jahre nach dem qualvollen Tod von Oberst Hansen Versäumtes nach.
"Es ist immer traurig. Wir haben unseren Vater immer sehr vermisst. Ich war zwei Jahre, als er starb, meine Schwester ein paar Tage alt." Frauke Hansen ist die Tochter von Georg Alexander Hansen, Oberst im Generalstab. Er gehörte der Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 an, und er beschaffte den Sprengstoff, der Hitler töten sollte.
Sieben Jahre im Stölzelhaus
Von 1943 bis 1950 lebte die Familie in Michelau im Stölzelhaus, das heute ins Deutsche Korbmuseum integriert ist. Zur Erinnerung an den Widerstandskämpfer wurde am Dienstagnachmittag eine Gedenktafel am Eingang des Korbmuseums enthüllt. Mitgefühl signalisierte der Michelauer Bürgermeister Helmut Fischer: "Ich weiß, was es heißt, wenn man in jungen Jahren ein Elternteil verliert." Dabei schmerzt Frauke Hansen nicht nur der Tod ihres Vaters, der nur 40 Jahre alt wurde, sondern die Art und Weise, wie er ums Leben kam, "auf scheußliche, unehrenhafte Weise", wie sie sagt.
Der Offizier starb am 8. September 1944 unvorstellbar qualvoll in der Haftanstalt Plötzensee. Er wurde an einem dünnen Drahtseil erhängt. Der Todeskampf dauerte mehrere Minuten, berichten die Quellen. "Manchmal war ich sogar zornig, dass sich unser Vater nicht für uns entschieden hat", offenbart sich Frauke Hansen und fährt fort: "Es gibt immer wieder Leute, die in unserem Vater einen Verräter sehen bis hin zu Aussagen, ,wenn es keine solchen Männer gegeben hätte wie Ihren Vater, dann hätten wir den Krieg vielleicht noch gewonnen‘."
Auftrag, Versäumtes nachzuholen
"Ich bedauere sehr, was da seinerzeit geschehen ist" so Helmut Fischer in seiner kurzen Ansprache an der Gedenktafel. Gleichzeitig dankt er seinem Herrgott, dass ihm als Nachkriegsgeneration vieles von dem erspart blieb, was die Menschen in den Kriegszeiten alles ertragen mussten. Als ihm vor drei Jahren zwei Zeitungsartikel über den gebürtigen Sonnefelder Georg Alexander Hansen zugespielt wurden, mit der Frage, warum in Michelau nie auch nur ein Wort über den Widerstandskämpfer verloren wurde, sah Fischer darin den Auftrag, Versäumtes nachzuholen.
"Es ist mir ein Anliegen, dass diese Gedenktafel hier angebracht wird, selbst wenn es immer noch ein paar unverbesserliche Menschen gibt", so Fischer, der durchaus unbequeme Fragen und Konfrontationen nicht ausschließen will. "Wenn einer Streit sucht, muss er sich mit mir anlegen und nicht mit einer Familie", gibt er sich kämpferisch. So ist die Gedenktafel vielleicht der Versuch, etwas von dem wiedergutzumachen, was der Familie Hansen angetan wurde.
Enthüllung im kleinsten Kreis
Die Mehrzahl der jüngeren Generation kann ohnehin kaum verstehen, was ihre Eltern und Großeltern in den Jahren des Dritten Reichs so verblendet hat. Andererseits findet die Veröffentlichung der Gedenktafel im kleinsten Kreis statt. So vermisst man den Bezirksheimatpfleger Günter Dippold ebenso wie Vertreter des Gemeinderats, der Kirche oder der Michelauer Bürgerschaft. Der Termin war nicht in den Tageszeitungen angekündigt. Vor Ort sind nur der Heimatforscher Ernst Schmidt und seine Ehefrau, die Museumsleiterin Ariane Schmiedmann und der Pressevertreter.
Dabei erinnert sich Frauke Hansen trotz aller Widerwärtigkeiten immer noch gern an ihre Kindheit in Michelau, auch wenn in der Korbmachergemeinde damals Braun die angesagte Farbe war. "Es war eine sehr braune Zeit in Michelau damals, so hab' ich das von meiner Großmutter und meiner Mutter erzählt bekommen. Aber mit meinen Schulkameraden und -kameradinnen, zu denen unter anderen auch Gerd Backert gehörte, hatte ich ein gutes Verhältnis ebenso wie zu den Leuten in der Nachbarschaft."
Bei der Großmutter beginnt eine bessere Zeit. Hinter den Kindern liegt die Sippenhaft in Bad Sachsa. Dorthin hatte man die Geschwister gebracht.
In Sippenhaft genommen
Getrennt voneinander durften sie selbst ihren Nachnamen nicht mehr nennen. Ihre Mutter Irene Hansen, geborene Stölzel, wurde ins Nürnberger Frauengefängnis gesteckt. Dabei hatte die Familie noch Glück. Andere Verschwörerfrauen wurden mit ihren über 15-jährigen Kindern direkt ins Konzentrationslager transportiert.
Nach Lisberg gezogen
Nach 1950 zog Irene Hansen mit ihren Kindern nach Coburg. Dort besuchte Frauke Hansen das Gymnasium Alexandrinum. Heute lebt die 75-Jährige in einem Ortsteil der Gemeinde Lisberg im Landkreis Bamberg. Sie kommt aber immer wieder gerne nach Michelau zurück.