Sinnesreise durch die Welt des Gerstensafts

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Weiß, was ein gutes Bier ausmacht: Frank Püschel aus Burgkunstadt ist frisch diplomierter Biersommelier. Heidi Bauer
Weiß, was ein gutes Bier ausmacht: Frank Püschel aus Burgkunstadt ist frisch diplomierter Biersommelier.  Heidi Bauer

Frank Püschel ist Biersommelier - Von der hohen Kunst, in einem Meer an Aromen das richtige Bier geschmacksecht zu zapfen und zu kredenzen

Immer wieder schwenkt er das Glas in seiner Hand vor seinen Augen hin und her, prüft mit Kennerblick, taucht seine Nase in die Öffnung, schnuppert in das Meer aus Aromen, nimmt einen kleinen Schluck und lässt ihn auf der Zunge zergehen: "Das ist ein Pils: Leichter, schlanker Charakter, angenehm spritzig mit feinherber Hopfenbittere, passt hervorragend zum Beispiel zu Fischgerichten."

Frank Püschel nippt noch einmal und bestätigt dann sein fachmännisches Urteil. Der Burgkunstadter muss es wissen: Er ist "frisch gebackener" - diplomierter - Biersommelier. Der 50-Jährige absolvierte eine entsprechende zweiwöchige Ausbildung bei der Doemens Academy in Gräfelfing und in Kiesbye`s Bierkulturhaus in Obertrum.

Der edle Gerstensaft ist eine große Leidenschaft von Püschel. Schon von Berufs wegen muss sich der Handelsfachwirt, der seit 1996 bei der Weismainer Püls-Bräu tätig und dort für Logistik und Export zuständig ist, mit der Vielfalt der Aromen und Sorten des Bieres gut auskennen: "Mir war es wichtig, die Hintergründe besser kennenzulernen, weil ich einfach viel mehr über Bier wissen wollte", erläutert er.


Hopfen aus dem eigenen Garten

Seit seiner Jugend fasziniert ihn das Thema Bier: "Nicht allein das Trinken, sondern die Herstellung und die Philosophie, die dahinter steckt", stellt er klar. Regelmäßig braut er auch mit Bekannten selbst und macht mit ihnen Blindverkostungen. In seinem Garten baut der Burgkunstadter sogar selbst Hopfen an. Deswegen ließ er sich nicht lange bitten, als ihm sein Chef die Fortbildung vorschlug, denn für sein Metier ist sie geradezu essentiell.

In seiner Position sieht sich der Handelsfachwirt als Mittler zwischen Brauerei, Kunde und Verbraucher in aller Welt. Das Bier ist für ihn nicht nur fränkischer Exportschlager, sondern auch Kulturgut: "Wir haben hier die größte Braurereidichte der Welt und ausgezeichnete Biere. Das gilt es auch zu vermarkten." Deswegen war Püschel die Zusatzqualifikation wichtig, er schränkt aber gleichzeitig ein: "Beim Biersommelier steht definitiv die beratende Funktion im Vordergrund, nicht die Herstellung. Das Wissen, dass sich ein Braumeister in Jahren aneignet, kann man in zwei Wochen mit Sicherheit nicht erwerben."

Doch auch wenn ihm die Ausbildung "Riesenspaß" gemacht hat, war sie hart, ein Marathon für Geschmacksnerven und Geist: "Man lernt nicht nur, wie ein Bier schmecken muss und was eine Sorte ausmacht, sondern alles rund um die Geschichte, die Rohstoffe, die Herstellung und das Servieren von Bier", schildert Püschel. Steht in der ersten Woche in Gräfelfing vor allem die Theorie im Mittelpunkt, darunter die nationalen und internationalen Bierstile, psychologische Zusammenhänge und Sinnesphysiologie bei der Sensorik und die Biersprache, so ist es in der zweiten die Praxis.


Von Bierfehlern und "Off-Flavours"

"Die zwei Wochen sind sehr intensiv", sagt der Burgkunstadter Fachmann und schmunzelt ein wenig. Denn selbstredend wird zum trockenen Wissen auch viel flüssiges Übungsmaterial eingeschenkt. Auf dem Stundenplan stehen viele Verkostungen, Bierbrauen, Kochen, Museumsbesuche und ein Gastrocheck. Die Teilnehmer müssen "Bierfehler", "Off-Flavours", genauso erschmecken wie die besten Begleiter einer jeweiligen Sorte des Gerstensafts. Sie lernen und prüfen Schanktechniken, erfahren Wissenswertes über die Rechtsgeschichte sowie die des Biertrinkens an sich und die der Bierkultur - und am Ende der jeweiligen Ausbildungswoche stehen praktische und theoretische Prüfungen für ein Diplom.

Die Biervielfalt scheint derzeit nahezu grenzenlos: In einer Münchner Kneipe konnten die angehenden Sommeliers allein unter 160 verschiedenen Bieren wählen, weltweit sind es ungezählte. Deswegen müssen die Biertester lernen, wie die Biere durch Einsatz aller Sinne zu unterscheiden sind. Die Verkostungsgläser ähneln von der Form her eher Weingläsern und haben oben eine schmale Öffnung: "Durch die schmale Öffnung wird der Schaum cremig und feinporig. Wenn er sich setzt, entsteht eine große Fläche, so dass sich Geruch und Aroma besser entfalten können", erklärt der Burgkunstadter.

Die Verkostung an sich läuft immer nach dem gleichen Schema ab, aber Vorsicht: Allein beim Einschenken und Zapfen kann man gravierende Fehler machen, führt Püschel vor Augen: "Der Spruch "Ein gutes Pils braucht sieben Minuten" ist genauso alt wie falsch: Ein Bier, an dem so lange herumgezapft wurde, kann nicht mehr frisch sein. Stattdessen sollte das Pilsglas zunächst langsam mit der ersten Schaumkrone bis zum oberen Rand gefüllt werden. Nun wartet man, bis sich der Schaum gesetzt hat. Wenn man dann nachzapft, bekommt man eine wunderschöne Schaumkrone und hat bereits nach etwa drei Minuten ein frisches reines Pils."


Hopfig-herb bis schokoladig

Dann schwenkt der BIersommelier das Glas, inspiziert Farbe des Bieres und Konsistenz des Schaums, saugt den Geruch mit der Nase ein, bevor er trinkt. Nach dem Schlucken bleibt der Mund geschlossen, der Tester atmet durch die Nase aus und nimmt dabei weitere Aromen wahr - die so genannte retronasale Wahrnehmung. Schließlich bildet er sich sein Urteil: "Man lernt, die Biere zu beschreiben: Wie sind sie vom Charakter her? Eher bananig-fruchtig, rauchig-malzig oder etwa mit leichter Schokoladennote?", erklärt Frank Püschel weiter.

Aus einem Glas nimmt er Hopfenblüten, zerreibt sie zwischen den Fingern und hält ein Blättchen hoch: "Das Gelbe hier, das ist das Lupulin. Es enthält die Hopfenharze und Hopfenöle, die für die Bitterstoffe und Aromen im Bier verantwortlich sind." Deshalb wird der Hopfen zum Erhalt der feinen Aromen meist vakuum verpackt , die sogenannten Pellets. Zudem wirkt er beruhigend und ist für die Schaumstabilität verantwortlich.

Doch nicht nur Hopfen, sondern auch das Wasser ist mit geschmacksentscheidend: "Einen halben Tag haben wir allein nur über das Wasser geredet. Für einen Hektoliter Bier braucht es allein sechs Hektoliter Wasser", weiß der Sommelier.


Auch aufs Glas kommt es an

Die Seminarteilnehmer kochen auch ein Menü mit Bier. Bei einem richtiggehenden Verkostungsmarathon testen sie 16 verschiedene Biere zu 16 Käsesorten und müssen beschreiben, wie sich der Geschmack verändert und welcher Gerstensaft zu welchem Milchprodukt am besten harmoniert. "Zu einem kräftigen Käse schmeckt ein dunkles Bier einfach besser", hat Püschel festgestellt, und außerdem: "Ein Bier entfaltet sich erst im passenden Glas."

Über Bier lässt sich mindestens so endlos schreiben wie philosophieren. Doch eine Frage sei erlaubt: Warum gibt es ihn eigentlich, den edlen Gerstensaft? Die Antwort ist genauso einfach wie einleuchtend: Vermutlich entdeckte man schon in der Frühgeschichte irgendwann zufällig die alkoholische Gärung, die Glücksgefühle hervorgerufen hat. Schnell hat man bemerkt, dass Bier nicht nur schmack- sondern auch nahrhafter ist als Wasser, weiß der Burgkunstadter.

Sind im Augenblick stark gehopfte und Craft-Biere, mit Geschmacksrichtungen von Schokolade bis Whiskey voll im Trend, so glaubt Frank Püschel, dass dies ein vorübergehender Hype sein wird und der heimische Biertrinker wohl auch in Zukunft seiner Linie und den traditionellen Klassiker-Sorten treu bleiben wird. "Die Geschmacksrichtungen ändern sich im Lauf der Zeit", stellt der Logistiker der Weismainer Püls-Bräu fest - das nicht zuletzt aus eigener persönlicher Erfahrung.

War er früher bekennender Weißbiertrinker, zog er später das Pils vor und genießt heute eher mal die dunkleren Sorten. Frank Püschel schmunzelt und unterstreicht: "Doch ich trinke wie die Weinkenner nicht zum Durst, sondern zum Genuss. Höchstens ein bis zwei Bier am Tag! Bier ist für mich ein wichtiger Bestandteil fränkischer Lebensart und somit ein genialer internationaler Kulturbotschafter!"


Der Biersommelier

Die Ausbildung zum Biersommelier wird seit rund 13 Jahren angeboten. Inzwischen gibt es etwa 1600 Biersommeliers im deutschsprachigem Raum. Durch vielseitiges und vielschichtiges Bierwissen sollen die Teilnehmer befähigt werden, sowohl Kunden einer Brauerei, Einkäufer als auch Gast und Gastronom zu beraten. Sie sind zum einen Experten, um den Gast über den Herstellungsprozess des Bieres, die richtige Bierauswahl zur gewählten Speise und die positiven gesundheitlichen Auswirkungen des moderaten Bierkonsums zu informieren. Zum anderen sind sie in der Gastronomie verantwortlich für die ausgeschenkte Bierqualität und die perfekte Präsentation des Bieres. Sie erstellen Bierkarten, beraten den Koch und organisieren den Biereinkauf.

Ausbildungsstätten und Quelle: www.bierkulturhaus.com und www.doemens.org