Protest gegen neue Stromleitungen geht weiter

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Werbebanner für die landkreisweite Protestaktion gegen neue Stromtrassen, im Bild am Standort Bad Staffelstein. Über 80 gibt es davon, eine Bestellung für weitere 30 Transparente läuft. Foto: Popp
Werbebanner für die landkreisweite Protestaktion gegen neue Stromtrassen, im Bild am Standort Bad Staffelstein. Über 80 gibt es davon, eine Bestellung für weitere 30 Transparente läuft.  Foto: Popp

Über 1290 Einträge zählt die Online-Abstimmung gegen weiteren Stromleitungsbau durch den Landkreis Lichtenfels - und die Aktion wird fortgesetzt.

Die Zahl der Einträge auf der Internetseite www.fehlamplatz.de steigt stetig. 1291 waren es am Freitagabend. Sie alle lehnen den Bau von weiteren Stromtrassen durch den Landkreis Lichtenfels ab. Noch zu wenig, finden Gemeinderäte aus Redwitz. Die Aktion brauche mehr Öffentlichkeit. Die Vertreter des am stärksten von Hochspannungsleitungen betroffenen Ortes legen sich besonders ins Zeug. Sie haben es nicht dabei bewenden lassen, im Rathaus - wie in allen anderen Kommunen auch - Unterschriftenlisten auszulegen. Sie sind mit den Papieren direkt losgezogen und auf Menschen zugegangen: beim Feuerwehr- und beim Straßenfest, beim Trödelmarkt. Mit eigenen Plakaten werden sie auch im Umzug zum Schützenfest ein Ausrufezeichen setzen. Eine Meinungskundgebung auf solche Weise dürfte es hier noch nie gegeben haben.
Die Region sei durch bestehende Leitungen, durch A 73 und ICE-Trasse bereits über das verträgliche Maß hinaus belastet, betonte Landrat Christian Meißner (CSU) schon vor einem Jahr, als das erste"Gipfeltreffen"zum Thema organisiert wurde. Gemeinsam mit den Nachbarlandkreisen Kulmbach, Kronach, Bamberg und Forchheim wurde eine Ablehnung sämtlicher neuer Leitungsverläufe formuliert. Diese möglichen Stromtrassen wurden 2017 von der Bundesnetzagentur unter dem Namen "P 44 mod" wieder ins Spiel gebracht, nachdem sich die Region in Anbetracht des ursprünglichen "P 44"-Verlaufs schon außen vor hätte wähnen können. Sogar vom Netzbetreiber selbst abgelehnte, um ein Vielfaches teurere Strecken kamen zurück ins Paket, das dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt wird.
Tatenlos abwarten will man nicht. Ein zweiter Stromgipfel ist für September anberaumt, er soll am Umspannwerk in Redwitz stattfinden. "Entscheidend wird sein, was wir in Berlin erreichen können", sagt Landrat Meißner. "Hier läuft derzeit viel hinter den Kulissen." Es gebe intensive Gespräche zwischen der heimischen Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner (CSU) und Peter Altmaier (CDU) bzw. seinem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Ob der Minister im Spätsommer an den Obermain kommen oder eine Delegation von hier nach Berlin fahren wird, ist noch offen. Bis dahin bleibt der Eintrag in die Listen weiterhin möglich - für alle, die sich nicht im Internet registrieren können oder wollen. Allein in Redwitz waren das schon 1100.


Kommentar: "Es geht um mehr"

Es geht nicht nur um den Verlauf neuer Stromleitungen. Bei der Entscheidung, die letzten Endes der Bundestag zu treffen hat, geht es um viel mehr: um Glaubwürdigkeit, verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern und eine zukunftsträchtige Energieversorgung. Das sollte allen 709 Abgeordneten bewusst sein, bevor sie abstimmen.
Es darf nicht darauf ankommen, wer die besten Verbindungen hat und am lautesten Nein schreit. So wichtig es ist, dass Bürger ihre Stimme erheben - in der Frage um den Netzausbau müssen Abwägungen mit Vernunft Vorrang vor Mehrheitsspielchen haben. Die zentrale Frage lautet: Welche Leitungsführung verursacht den geringsten Umwelteingriff und die niedrigsten Kosten? Eigentlich wäre es Aufgabe der Bundesnetzagentur als zuständige Behörde gewesen, hierüber eine Entscheidung zu treffen und nicht dem Bundestag den Ball zuzuspielen. Die Frage, ob eine weitere Trasse wirklich sein muss, hat sie ja immerhin bejaht.
Trotzdem bleiben Zweifel, ob man nicht durch verstärktes Setzen auf Regionalität in der Energiepolitik dies hätte abwenden können oder gar noch abwenden könnte.