Nikolaus: fürs Staunen gebucht

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Philipp macht angesichts des Nikolaus große Augen. Für Thomas Micheel (im Kostüm) ist ein Besuch wie dieser Routine geworden. Foto: privat
Philipp macht angesichts des Nikolaus große Augen. Für Thomas Micheel (im Kostüm) ist ein Besuch wie dieser Routine geworden. Foto: privat
Thomas Micheel ist seit drei Jahrzehnten "Nikolaus"
Thomas Micheel ist seit drei Jahrzehnten "Nikolaus"
 

Seit über 30 Jahren werden in Redwitz Männer in roten, pelzverbrämten Mänteln losgeschickt, um Kindern eine Freude zu machen. Thomas Micheel ist einer von ihnen.

Wer zu spät anruft, muss damit rechnen, dass der Nikolaus keinen Termin mehr frei hat. Denn der himmlische Bote ist ja auch nur ein Mensch und bei seinen Auftritten irdischen Zwängen unterworfen. Er kann nicht überall gleichzeitig sein, auch wenn sich ein Team die Einsätze aufteilt. Bei der Redwitzer Wasserwacht kann man seit gut 30 Jahren so einen Auftritt für seine Kinder ordern. Die Nachfrage ist ungebrochen, wie wir aus der Buchungszentrale erfahren. Am 6. Dezember, dem Nikolaustag, werden von 16 bis 19.30 Uhr fünf Männer in ihren typischen Kostümen losgeschickt, um Kinder zum Staunen zu bringen.

Einer der am längsten aktiven Redwitzer Nikolause ist Thomas Micheel, der mittlerweile direkt gebucht wird, manchmal für Vereinsfeiern, meistens aber von Familien. Er hat schon gewisse "Stammkunden", doch wenn die Kinder älter werden, ergibt sich ein natürlicher Wechsel. Der 5. und 6.
Dezember, je nach Wochentag manchmal noch das auf den Nikolaustag folgende Wochenende, sind seine Haupt-Einsatztage. Auch nach mehr als 30 Dienstjahren schlüpft er immer wieder gerne in diese Rolle, die Kinderaugen groß werden lässt. "Ich mache es, weil es mir Spaß macht. Das Schönste ist, diese echte, ehrliche Freude zu sehen", sagt er. Denn die Kinder hätten keine große Erwartungshaltung. Sie freuen sich über das klassische Nikolaus-Geschenk mit Mandarinen, Nüssen oder einem kleinen Spielzeug vielleicht sogar mehr, als wenn ein ganzer Berg von Paketen vor ihnen aufgetürmt wird. So jedenfalls die Einschätzung des erfahrenen Überbringers dieser Überraschungen. Gerade die Kleinsten seien da schnell überfordert: Das eine Päckchen noch nicht aufgemacht, schon wird das nächste abgestellt, und noch eines... Wenn man hinter lauter Präsenten das Kind fast nicht mehr sieht, kommt ihm das schon manchmal befremdlich vor. Aber mit Urteilen hält sich Thomas Micheel zurück. "Das steht mir nicht zu", sagt er. "Ich werde von den Leuten für diesen Dienst gebucht, und ich will meine Sache so gut wie möglich machen." Dazu gehört für ihn auch eine Vertrauensbasis. Das Private der Familien bleibt privat.

Lob und Tadel

Über Prinzipielles spricht er aber schon. Dass er als Nikolaus nicht bereit ist, ein Kind eine Viertelstunde lang mit Kritik und Tadel zu überschütten und ihm dann - aus erzieherischen Gesichtspunkten völlig unpassend - ein Geschenk zu überreichen. Als Lehrer, was sein eigentlicher Beruf ist, und Vater wäre ihm dies zuwider. Deshalb sollte auf dem Zettel, der ihm von den Eltern ausgehändigt wird, immer auch etwas Gutes über das Kind draufstehen.

Viel Zeit zum Einlesen hat Thomas Micheel nicht. Der Zeitplan ist straff, an der Haustür überfliegt er die schriftlichen Informationen, fragt gegebenenfalls nach, um gut auf die Kinder eingehen zu können. Er ist dankbar dafür, dass seine Frau ihn auf seiner Tour begleitet. Für die Kinder unmerklich packt sie noch vor seinem Eintreten in die gute Stube den Gabensack zusammen, fungiert zudem als Fahrerin, denn die Montur empfindet er doch als ein wenig sichtbehindernd.

Am Ablauf der Nikolausbesuche in den Familien hat sich in seinen Augen in den vergangenen 30 Jahren eigentlich nichts geändert. Es gibt immer noch ängstliche und aufgeweckte Kinder oder kleine Frechdachse, die angesichts der schwer einzuschätzenden erzieherischen Instanz plötzlich vor Ehrfurcht erstarren.
Manche der Beschenkten bedanken sich mit einem selbst gemalten Bild. Zum Abschied gehört auf jeden Fall das Handgeben.

Insgesamt gibt es jetzt weniger Kinder im Ort, dafür aber tun sich manchmal befreundete Familien zusammen und bestellen den Nikolaus für ihre Kinder gemeinsam, wie Thomas Micheel erzählt. Einmal sei er von einer türkischen Familie bestellt worden, einmal habe ihn ein Mann einen wertvollen Ring an seine Frau überreichen lassen. Das sind Besonderheiten, an die er sich erinnert. Und an kleine Pannen wie das streikende Auto im Schnee oder das Geschenk, das durch ein Versehen beinahe beim falschen Kind gelandet wäre.

Dann merkt er noch augenzwinkernd eine Beobachtung an: "Wen man im Griff haben muss, das sind die Großmütter. Die reden gern rein und lassen das Kind wenig zu Wort kommen." Weil so ein Verhalten ja alles verderben würde, würde er in diesen Fällen die noch nie eingesetzte Rute dann doch zumindest gerne mal zeigen...