In Lichtenfels und Kulmbach finden im April und Mai 2022 Ausstellungen zur Verfolgung und Deportation von 64 oberfränkischen Juden statt. Die Ausstellungen sollen auf das Ausmaß und die Schwere der Judenverfolgung aufmerksam machen.
Die gemeinsame Ausstellung „Da49, Da512 – Züge in den Tod“ vergegenwärtigt 80 Jahre nach ihren Deportationen aus Oberfranken die Lebensgeschichten von 64 Jüdinnen und Juden aus den oberfränkischen Städten – und ihren Weg in den Tod. Dem „Holocaust“, dem Völkermord der Nationalsozialisten an den europäischen Juden, fielen insgesamt 5,6 bis 6,3 Millionen Menschen zum Opfer. Nach Angaben der Stadt finden die Ausstellungen in Lichtenfels (vom 25. April bis 08. Mai 2022) und Kulmbach (vom 22. April bis 13. Mai 2022) statt.
Seit 1933, dem Beginn ihrer radikal nationalistischen und vom gewalttätigen Rassenwahn geprägten Diktatur, hatten die Nazis den Juden in Deutschland die wirtschaftliche, berufliche und die bürgerliche Existenz geraubt. Zuletzt, mit der Verschleppung in die todbringenden Konzentrationslager oder Vernichtungsanstalten, raubten sie ihren Opfern auch Individualität und Namen: KZ-Häftlinge waren nur noch Nummern. – Um an 64 oberfränkische Opfer der Deportationen des Jahres 1942 zu erinnern, hat nun eine fachkundige Gruppe von Engagierten in Kooperation mit dem Stadtarchiv Lichtenfels eine Ausstellung erarbeitet, die zunächst im Stadtarchiv Kulmbach und in der ehemaligen Synagoge Lichtenfels gezeigt wird. Mangels eines Ausstellungsraums in der Vestestadt wird an die Coburger Opfer in der Lichtenfelser Präsentation erinnert. Nachdem im Herbst 1941 eine erste Deportationsserie, u. a. mit dem „Frankentransport“ nach RigaJungfernhof, stattgefunden hatte, wurden in den Jahren 1942 und 1943 die noch verbliebenen Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager im östlichen Mitteleuropa verschleppt und zum allergrößten Teil ermordet.
Dem Sonderzug „Da49“ wurden in Bamberg am 25. April 1942 die Opfer aus Unter-, Ober- und Mittelfranken „zugeladen“; 52 aus dem westlichen Oberfranken. Am Bamberger Bahnhof wurde der Zug zum rollenden KZ. Mit ca. 1.000 Gefangenen war er zu 140 Prozent überbelegt. Das Kürzel „Da“ war die Bahnkennung für „Deutsche Aussiedler“. Die Bahn berechnete der SS den normalen Fahrpreis von 4 Pf. pro Person und Kilometer, gab aber bei mehr als 400 Personen 50% „Mengenrabatt“. Die Gestapo hatte sich das Geld von den Deportierten geholt, die für die Fahrt in ihren Tod 60 RM zahlen mussten. Knapp vier Tage später erreichte der Zug Krasnystaw bei Lublin, von wo aus der Fußweg 17 km ins Transitghetto Krasniczyn führte. Vermutlich Anfang Juni 1942 ermordete die SS sie in den Gaskammern des Vernichtungslagers Sobibor. – Dahinter steckte ein komplexes von SS und Gestapo gesteuertes TäterNetzwerk, das in den wesentlichen Grundzügen während der sog. „Wannsee-Konferenz“ im Januar 1942 organisiert worden war. Am 9./10. September 1942 wurden die letzten 12 Juden aus Oberfranken verschleppt: Die bisher verbliebenen Älteren und während des ersten Weltkrieges Ausgezeichneten aus ganz Franken sammelte die Gestapo an der „Fäkalienverladestation“ der Stadt Nürnberg und schickte die 1.000 Opfer mit dem Sonderzug „Da 512“ in das vorgebliche „Altersghetto“ Theresienstadt nördlich von Prag – in den „Stall vor dem Schlachthaus“, wie es eine Überlebende treffend bezeichnet hat: Wer von den 140.000 hierher Deportierten hier nicht verhungerte wie Frieda Reuter aus Hochstadt, wurde später in die Vernichtungslager im heutigen Polen in den Tod geschickt. Nur 51 der Deportierten von „Da 512“ überlebten, darunter Sali Altmann aus Coburg.
Die Initiative zur Ausstellung geht zurück auf Gaby Schuller aus Coburg, die auch die Biografien der Deportierten aus Coburg recherchierte. Christine Wittenbauer, Stadtarchiv Lichtenfels, sowie Manfred Brösamle-Lambrecht haben die Gestaltung und technische Organisation der Ausstellung gemeistert. Sie haben zudem die Opferbiografien des Lichtenfelser Raumes sowie wesentliche Teile der allgemeinen Informationen zum judenfeindlichen Mordprogramm der Nazis, zu den Täternetzwerken vor Ort und zu den Deportationen recherchiert und zusammengestellt. Wolfgang Schoberth erarbeitete und gestaltete die Kulmbacher Biografien. Dr. Hubertus Habel konzipierte und realisierte einen Teil der allgemeinen Aspekte.
Ausstellungsorte und -zeiten:
Ehemaligen Synagoge Lichtenfels: Judengasse 12, vom 25.4. bis 8.5.2022, Montag und Donnerstag 16 bis 19 Uhr, Freitag und Sonntag 14 bis 17 Uhr sowie zu Sonderöffnungen für Gruppen und Schulklassen mit pädagogischer Begleitung durch StD a. D. Brösamle-Lambrecht nach telefonischer Vereinbarung unter 09571/795-134.
Stadtarchiv Kulmbach: Buchbindergasse 5, 22.4. bis 13.5., Montag bis Freitag 9-17 Uhr. Nach diesen ersten Präsentationen wird die Wanderausstellung u. a. in Schulen präsentiert.