In der Lichtenfelser Berufsschule werden heranwachsende Asylbewerber unterrichtet. Sie haben es schwer - ihre Lehrer und Betreuer auch.
Die einzigen beiden aus der Flüchtlingsklasse, die vergangenes Jahr den Quali geschafft haben, haben einen Abschiebebescheid bekommen. Ihr Lehrer weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Bittere Erfahrungen für ein ganzes Team. "Man könnte uns ja fragen, ob sich einer willig und gute Leistungen zeigt. Das wäre auch für die Schüler eine Motivation", sagt Berufsschulleiter Hans-Jürgen Lichy. Doch solche Abwägungen sind nicht gefragt.
"Das Klima hat sich geändert. Es geht nicht mehr darum, ob jemand bemüht und integriert ist", stellt Birgit Schumann fest. Die Diplom-Psychologin leitet bei der Kinder- und Jugendhilfe Oberfranken der Rummelsberger Diakonie den Bereich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Damit ist sie auch zuständig für das vor zwei Jahren eröffnete Wohnheim in Burgkunstadt, wo derzeit zwölf Jungen und Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren unter der Vormundschaft des Jugendamtes leben.
Die Stimmung habe sich verändert, sagt Schumann. Bayern habe Rückführungen heftig forciert. Die Lage in Afghanistan ist nicht besser geworden, es finden weiterhin Anschläge und Kämpfe statt, und das Auswärtige Amt warnt vor Reisen dorthin, weil man in "lebensbedrohende Situationen geraten" könne. "Trotzdem ist die Ablehnungsquote bei Asylgesuchen von Afghanen gestiegen", stellt Birgit Schumann fest. Nicht mehr Sachbearbeiter in den Landratsämtern vor Ort entscheiden jetzt, sondern die Zentrale Ausländerbehörde bei der Regierung in Bayreuth. Dort geht es nicht darum, ob jemand eine schulische, beziehungsweise berufliche Perspektive hat. Die gebe es durchaus: "Die Firmen stehen Schlange", weiß die Mitarbeiterin der Rummelsberger Diakonie. Jungen Leuten werde nach Praktika im Zuge ihrer beiden verpflichtenden Berufsschuljahre häufig ein Angebot gemacht. Vor einigen Jahren sei es noch so gehandhabt worden, dass Ausbildung Vorrang hatte und man eine zumindest befristete Aufenthaltserlaubnis bekommen konnte. "Das wird nicht mehr praktiziert", sagt Schumann. Es gebe zwar nach wie vor Einzelanhörungen, aber eine Chance hätten eigentlich nur diejenigen, die nachweisen können, dass sie persönlich verfolgt wurden oder eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban droht.
"Sehr belastende Situation"
In den Wohngruppen, die zur Ersatzfamilie der Heranwachsenden werden, sei dies eine sehr belastende Situation - für beide Seiten. Mitarbeiter hätten geäußert, in dem Bereich nicht mehr arbeiten zu wollen, weil sie den jungen Menschen nicht helfen können.
Und die betroffenen Flüchtlinge wiederum werden von Angst und Perspektivlosigkeit zermürbt. "Das kann eine Negativspirale in Gang setzen", sagt die Psychologin.
Manfred Loch, Berufsschullehrer in Lichtenfels, kennt die Probleme sehr gut. Bei vielen Schülern aus den Flüchtlingsklassen führe die psychische Belastung dazu, dass sie selbstverletzendes Verhalten zeigen. "Die ritzen sich." Er deutet entlang seines Armes und ergänzt: "Komplett bis hoch."
Für ihn und seine Kollegen gibt es "viele Baustellen". Sie müssen motivieren, Strukturen vermitteln, Vertrauen aufbauen - wirklich Lehrer sein. Der Verwaltungsaufwand nervt; gemeinsam mit Kooperationspartnern, die von einer externen Stelle ausgewählt werden, versuchen sie den jungen Leuten Bildung zu vermitteln. Manche können nicht lesen und schreiben oder dieses nicht in unserem Buchstabensystem. Andere, aus gebildeten Familien oder Ländern mit einem etwas höheren Wohlstand, verfügen über eine schulische Grundausbildung, einige sprechen Englisch. Diese Gruppe mit ihren völlig unterschiedlichen Ausgangspositionen soll binnen zwei Jahren zu einem Schulabschluss geführt werden. "Das ist für die meisten sehr schwer möglich", räumt Manfred Loch ein.
Die Abschiebebescheide im vergangenen Jahr haben auch diejenigen getroffen, die's geschafft hatten. Die Afghanen zu verabschieden, "total liebe Jungs, sehr dankbar", das sei ihm sehr nah gegangen, erzählt der Lehrer. Es gilt, eine professionelle Distanz zu wahren, um weitermachen zu können. "Wir machen's gern", betont er. Trotz allem. Das Problem sei die Zeit. Die zwei Jahre müssten auf vier verdoppelt werden, um einem Großteil wirklich eine Chance zu geben.
Birgit Schumann ergänzt diesen Wunsch: "Allen, die sich bemühen, unsere Sprache zu lernen und zur Schule gehen, sollte die Chance gegeben werden, eine Ausbildung zu machen." Die könnten sie auch nach einer Rückkehr in ihrem Heimatland nutzen, eine Art praktische Entwicklungshilfe.