"Die Beamten haben sich absolut souverän und korrekt verhalten (...) und gaben ihnen ja Mega-Chancen, jetzt endlich die Tür aufzumachen", sagte die Gefragte. Zehn Minuten lang, so die Frau, habe das Klingeln und Anklopfen gedauert.
Eine Nachbarin rief die Polizei, weil sie eine Frauenstimme hörte, die um Verschonung rief
Doch war es wirklich Gewalt oder einfach nur lauter Sex, den sie wahrnahm? Hierzu erkundigte sich Jensch noch einmal mit Nachdruck. "Also ich bild' mir ein, dass ich von Sex a weng a Ahnung hab - aber das war für mich keiner, nicht einmal in der Hardcore-Phase." Es habe immer Klatschgeräusche gegeben, und sie habe gehört, so die Frau weiter, wie die Freundin des Mannes "eher darum gebettelt hat, dass er aufhört".
Als der 37-Jährige damals die Polizei anging, sie zu schubsen und aus der Wohnung zu schieben begann, wurde ihm das erst untersagt und dann kam es zur Fesselung. Doch im Polizeiauto, so die Anklageschrift, habe sich der Mann auch unflätig benommen. So legte er, was er selbst zugab, seine Füße auf die Rückenlehne der Beifahrerin, machte sich steif und widerständig. Dass es bald Fußfesseln und Handschellen für ihn gab, darüber beschwerte sich der Angeklagte. Vor allem auch darüber, dass er in den Schwitzkasten genommen wurde. In seiner Zeugenaussage erklärte der Beamte allerdings die Notwendigkeit dieses Vorgehens.
Doch am meisten durfte man auf die Aussage der Freundin gespannt sein. Würde sie ihren Freund be- oder entlasten? Die Frau schien es nicht leicht zu haben. Immer wieder wirkte es, als ob sie Blickkontakt zu dem Angeklagten suchte, immer wieder schien der aber ins Leere oder in die Weite zu schauen, so wie er es während der Verhandlung überhaupt zu tun schien.
Über den Beziehungsstatus zu dem 37-Jährigen ist seine Freundin nicht im Klaren
Über ihren Beziehungsstatus war sich die Frau auch nicht im Klaren. Ist man jetzt noch zusammen oder nicht? Jedenfalls, so die 43-Jährige, hätten die Nachbarn wegen eines gleichen Vorfalls schon mal geklingelt, und sie könne "vergewissern, dass er nichts gemacht hat, was ich nicht wollte".
"Haben Sie mal laut gerufen: Bitte schlag mich nicht?", fragte Richterin Jensch die Frau. Ihre Antwort lautete: "Nein."
Das alles konnte aber die Zweifel von Staatsanwalt Geyer nicht zerstreuen. Er ging in seinem Plädoyer davon aus, dass alle Punkte der Anklage erwiesen seien. Im Hinblick auf das Bundeszentralregister, in dem vermerkt ist, dass der Angeklagte vor vielen Jahren schon mal wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Bedrohung oder auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte belangt wurde, hielt er eine Geldstrafe in Höhe von 6300 Euro für angemessen. Rechtsanwalt Peter Christ hingegen forderte einen Freispruch. Die Polizei habe in der Wohnung des Mannes nichts zu suchen gehabt.
Der Angeklagte muss 4200 Euro Strafe zahlen
In seinem Schlusswort äußerte der Angeklagte kein Bedauern für irgendwas. Er hielt fest, dass seine Nachbarin die Polizei für ihre Zwecke missbraucht habe, nach dem Motto: "Jetzt wischen wir ihm eins aus."
Dann erfolgte nach wenigen Minuten das Urteil, und es sollte ein Schuldspruch werden. Richterin Jensch ging davon aus, dass es zu einer vorsätzlichen Körperverletzung gekommen war. Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte war ohnehin erwiesen. Das Urteil sollte auf 4200 Euro Geldstrafe lauten.
Zu den zehn Minuten, in denen der 37-Jährige nicht auf Klopfen und Klingeln reagierte, äußerte die Richterin auch eine Vermutung: "Vielleicht hat man sich eine Verteidigungsstrategie zurechtgelegt, wenn die Polizei reinkommt."