Erwin Pelzig lässt sein Lichtenfelser Publikum aufmerken

2 Min
"Aufgemerkt!", hieß es bei Erwin Pelzig. Foto: kag
"Aufgemerkt!", hieß es bei Erwin Pelzig. Foto: kag
Kein gebremster Schaum: Hartmut unterstreicht seine Überzeugung mit einem Schluck "Keiler Weißbier". Foto: kag
Kein gebremster Schaum: Hartmut unterstreicht seine Überzeugung mit einem Schluck "Keiler Weißbier". Foto: kag
 
Das Los entscheidet: Wer wird neuer Bundeslandwirtschaftsminister? Foto: kag
Das Los entscheidet: Wer wird neuer Bundeslandwirtschaftsminister? Foto: kag
 
In Vino veritas: Dr. Göbel sucht im Rotwein die Wahrheit. Foto: kag
In Vino veritas: Dr. Göbel sucht im Rotwein die Wahrheit. Foto: kag
 

Erwin Pelzig zeigte sich am Donnerstag in der Lichtenfelser Stadthalle hin- und hergerissen. Da wurde es bisweilen sogar dem Publikum schwindlig.

"Pelzig stellt sich" hieß es am Donnerstagabend in der Lichtenfelser Stadthalle vor einer beeindruckenden Kulisse. Rund 1200 begeisterte Zuschauer erlebten Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig in absoluter Höchstform. Mitgebracht hatte er zwei seiner altbewährten Kampfgenossen, den grantig resignierenden Dr. Göbel und den einfältig derben Hartmut. Hin- und hergerissen zwischen ohnmächtiger Wut und unendlich vielen Fragen stellte sich Erwin Pelzig der Wirklichkeit dieser Welt.

Was ist Wahrheit? "Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an jenen, die sie gefunden haben", lautete sein Credo. Doch der Wahrheitsmarkt ist völlig unübersichtlich, allein schon aufgrund des Internets, einer Kloake voller Scheinwahrheiten.
"Im Moment möchte einem dauernd schlecht werden, aber warum sich schon heute aufhängen, wenn es nächstes Jahr viel bessere Gründe gibt?"

"Kognitive Dissonanzen"

Er erleide bei der Wahrheitssuche immer wieder schwerste "kognitive Dissonanzen" so Pelzig. Die Erklärung des Begriffs für Zuhörer mit Bachelorabschluss folgt auf dem Fuß. Spätestens jetzt gibt Pelzig Gas und überschüttet sein Publikum in den folgenden zweieinhalb Stunden mit Fakten und "Wahrheiten" dass einem allein vom Zuhören schwindlig wird.

Er redet wie ein Wasserfall, gestikuliert auf der Bühne hin und her. "Schau'n Sie mich an, wie ich rumlauf. Wo trägt man so was noch außer hier in Lichtenfels?" Doch in der Mode wiederholt sich alles. "Nur wer seinem Stil treu bleibt, ist seiner Zeit voraus".

Dann wird's politisch.

So hat sich der Bundesverband der Kaninchenzüchter angesichts der jüngsten Papstäußerung beschwert: "Das haben die Kaninchen nicht verdient, dass man sie mit Katholiken vergleicht."
Schönreden muss man sich auch die repräsentative Demokratie. Doch auch die direkte Demokratie, siehe Pegida, ist auch nicht besser. Barwasser: "Die wollen das christliche Abendland retten, die gottlosen Ossis!" Und weiter über den zurückgetretenen Pegida-Chef: "Lutz Bachmann als amtsbekannte kriminelle Koksnase muss doch im Rahmen seiner Resozialisierung nicht gleich das Abendland retten. Der soll im offenen Vollzug Vogelhäuschen zusammenbauen."

Live ist etwas anderes als im Fernsehen

Pelzig live, das ist eben etwas ganz anderes als der Smalltalk mit seinen Gästen im Fernsehen. Alles kann man sich schönreden und man gewöhnt sich an alles. "Wir haben uns an die Wahl gewöhnt wie an die Darmspiegelung. Für beides gilt: Erst machen sie dir Angst, dann betäuben sie dich und dann kriechen sie dir hinten rein. Und wer hinten drin ist, ist fein raus; denn der muss dir die Wahrheit nicht mehr ins Gesicht sagen."
Überhaupt: Wäre es nicht viel besser, auf das Prinzip Zufall zu setzen? 500 Besucher haben ein Los bekommen. Pelzig wirft die Lostrommel an: Neuer Bundeslandwirtschaftsminister wird Carlo Grech aus Kirchlein. Ein weiteres Los macht Betina zu seiner Fahrerin.

Dr. Göbel und Hartmut sind ja auch noch da

Ausgiebig diskutiert das Einmann-Trio Dr. Göbel, Hartmut und Erwin Pelzig die Vor- und Nachteile des Zufallsprinzips. Den ständigen Rollenwechsel beherrscht Frank-Markus Barwasser meisterlich und die Zuhörer stürzen von einer Lachnummer in die nächste.

Nochmals geht es quer durchs politische Gemüsebeet von AfD bis FDP, von SPD bis CDU, von Sigmar bis Angela. Wäre die CSU ein Kind, würde man es mit Retalin vollpumpen. Pelzig zieht den Hut. "Die schaffen absolute Mehrheiten, das liegt am Wiedererkennungswert all ihrer Affären und Schmutzeleien."
Bundeswehrkasernen als Wertstoffhöfe für kaputte Panzer, frustrierte Minijober (Soldaten in Teilzeit) in Afghanistan und Hartz-IV-Empfänger für die Kinderbetreuung, auch Ursula von der Leyen wird dem Politikerstriptease unterzogen.
"Müssen wir nicht trotzdem hierzulande ein wenig dankbar sein?" Pelzig schlägt unvermittelt besinnlich-versöhnliche Töne an. Letztendlich widmet sich Pelzig ausgiebig der Frage "Was ist Gerechtigkeit?" Wie bei so vielen anderen Themen auch sammelt Pelzig alles in einer großen Mappe. "In den Zeiten der großen globalen Umverteilung wird Gerechtigkeit gerne mit Neid verwechselt."

Barwasser sei Dank

Wie wäre es da mit der oft geforderten totalen Transparenz? Pelzig wird richtig philosophisch. Würde nicht die totale Transparenz das Ende jeder Illusion bedeuten. Was, wenn wir dann die Ausweglosigkeit unserer Situation erkennen? Das kleinwenig "Resthoffnung" will man doch auf gar keinen Fall aufgeben!
Und so lacht auch das Lichtenfelser Publikum zweieinhalb Stunden lang und verdrängt nur allzu gern, wie problembeladen die Weltsituation ist. Mit Pelzig, Hartmut und Dr. Göbel lässt sich das Elend zumindest lachend ertragen. Frank-Markus Barwasser sei Dank.