Der Hauptgeschäftsführer der Hanns-Seidel-Stiftung, Peter Witterauf, sieht in der Schließung von Kreuth Chancen fürs Bildungszentrum Kloster Banz.
Peter Witterauf nennt Banz einen "Ort mit Gemeinschaft stiftendem Effekt" und mit großer Strahlkraft in die Region. Ein solches Identifikationsobjekt sei für eine politische Stiftung ein riesiger Vorteil. Der Wegfall von Wildbad Kreuth als Bildungszentrum und Tagungsstätte biete für das Bildungszentrum Banz viele Chancen: "Für Banz bringt das eine massive Aufwertung und starke Zukunftssicherung." Natürlich sei es für die Hanns-Seidel-Stiftung eine schwierige Entscheidung gewesen, Kreuth aufzugeben, die nicht ohne Zwang zustande gekommen sei: Eine massive Mieterhöhung und hohe Bauinvestitionen hätten zu dieser Vorstandsentscheidung geführt.
Auslastung von Banz ist gestiegen
Nun könne sich die Stiftung auf Banz konzentrieren, die Finanzkräfte bündeln, in Banz die Seminarräume medientechnisch auf den neuesten Stand bringen und sie für Laptops und Tablets auslegen, sagt Peter Witterauf. Rund 10 000 interne Teilnehmertage mehr würden nun, nach dem Aus für Kreuth, jährlich in Banz registiert. Dazu zählt zum Beispiel die Konferenz des stiftungseigenen Instituts für Internationale Zusammenarbeit, zu der momentan rund 50 Auslandsmitarbeiter aus allen Teilen der Welt nach Banz gekommen sind. Für ein Bildungszentrum mit Gastronomie seien jedoch externen Seminare von Firmen, Verbänden und Behörden ebenso wichtig - "zur Qualitätssicherung und wegen der Symbolkraft", sagt er. Der Verwaltungsleiter von Banz, Michael Möslein, ergänzt: "Als wir vor 30 Jahren in hier Banz anfingen, warben die Inhaber der Ferienwohnungen noch mit fließendem Warm- und Kaltwasser auf den Zimmern; heute sind WLAN-Verbindungen längst Standard - und die Voraussetzung für moderne Seminararbeit."
Die nun frei werdenden Finanzmittel investiere die Stiftung nach und nach in Kloster Banz, fährt Peter Witterauf fort. "Wir sind im Umbruch, wir brauchen mehr junge Leute", denn "wir stellen schon fest, dass die Kluft zwischen Parteien und Bevölkerung größer geworden ist". Gerade die jüngsten Ereignisse in Dresden, als Politiker auf der Straße rüde beschimpft wurden, gäben zu denken. Es sei ein strikter Auftrag an eine politische Stiftung, stark für die Demokratie zu werben, gerade in unserer komplexen, globalisierten Welt.
"Wie erreiche ich jungen Menschen?" sei eine Kernfrage, der sich die Stiftung widmen werde. Die Wirkungsweise der modernen Kommunikationsmittel und das Nutzungsverhalten in sozialen Netzwerken stehe dabei mit allen Chancen und Gefahren im Mittelpunkt. Das sei ein weites Feld, das vom Datenschutz bis zur Sprachverrohung reiche, sagt der 62-Jährige.
Multimedial lernen
Für die Seidel-Stiftung resultiere daraus, dass weiterhin Medienseminare im Rahmen der politischen Bildungsarbeit angeboten werden. Die Methodik werde jedoch verändert - weniger Frontalunterricht, dafür mehr multimediales Lernen und innovative Wege.
Hierbei setze die Stiftung stark auf die Zusammenarbeit mit Schulen, an die sich das Seminarprogramm richte. "Ein gutes Echo an den Schulen ist mir wichtig", erklärt Peter Witterauf. Die CSU-nahe Stiftung stoße dabei kaum auf politische Vorbehalte, doch das basiere wohl auf jahrzehntelang gewachsenem Vertrauen: "Wir wollen jungen Menschen keine Parteipolitik beibringen, sondern ihnen aufzeigen, wo die Möglichkeiten und Grenzen einer Demokratie sind." Im Fokus seien ganz fundamentale inhaltliche Aspekte - etwa die Frage, ob jemand persönlich durch den Kauf von Fair-Trade-Produkten den Handel beeinflussen kann.
Stolz ist der Hauptgeschäftsführer auf die internationale Arbeit. Die Erfahrung der Auslandsrepräsentanten soll künftig noch stärker in die Bildungsarbeit einfließen, denn diese Mitarbeiter könnten sehr authentisch die Situation ihres jeweiligen Landes vermitteln. Gleichwohl werde es aus Sicherheitsgründen weltweit schwieriger, Auslandsbüros zu unterhalten - jenes in Afghanistan musste deshalb vor einigen Jahren geschlossen werden. Dass es gelang, im vergangenen Jahr in Banz eine Delegation aus Nord- und eine aus Südkorea zusammenzubringen, wo eine gute Diskussion entstand, wertet er als großen Erfolg.
Mittler zwischen Nationen
Peter Witterauf sieht die Stiftung in der Rolle einer Denkfabrik, eines Mittlers zwischen verfeindeten Nationen, zwischen Orient und Okzident. "Wir sind gerade dabei, in der Türkei ein neues Büro zu eröffnen." Der Dialog zwischen Staaten, Religionen und Weltanschauungen dürfe nicht abreißen. Die Türkei sei für die Europäer wichtig, weil sie viele Beziehungen in den arabischen Raum unterhalte und weil sie wirtschaftliches Potenzial habe: "Die Türkei wird an politischem Gewicht gewinnen und schon deshalb ist sie für unsere Stiftung interessant".
Eine Denkfabrik braucht kluge Köpfe. Das Institut für Begabtenförderung der Hanns-Seidel-Stiftung fördert deshalb mit Stipendien junge Menschen im In- und Ausland. Derzeit unterstütze sie rund 1000 Stipendiaten. Die ausländischen Stipendiaten, unterstreicht er, "gehen zu fast 100 Prozent in ihre Heimat zurück". Auch das gehöre zur Philosophie der Seidel-Stiftung, die vernünftige Lebensbedingungen in Krisenländern schaffen und Fluchtursachen bekämpfen will.
"Einmalige Stiftungen"
Politische Stiftungen, wie wir sie in Deutschland kennen, sagt Peter Witterauf, seien in der Welt eine relative einmalige Sache; Stiftungen in anderen Ländern seien oft interessensbezogen. "Demokratie sei kein Selbstläufer, man muss immer wieder darum werben."
Und auch in Deutschland hätten sich die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahre geändert. "Wir sind inzwischen die einzige politische Stiftung in Deutschland, die noch sowas hat wie in Banz - man braucht aber einen solchen Ort, der Symbol- und Strahlkraft hat."