Ein Sommer der Erkenntnis

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Reste von abgeernteten Sonnenblumen liegen auf einem Feld zwischen Bad Staffelstein und Unterneuses. Der Boden ist trocken, alle Felder sind gelb, die Natur verdorrt. Ausnahme und Zeichen für den Klimawandel zugleich, sagt IBC-Chef Udo Möhrstedt. Foto: Tobias Kindermann
Reste von abgeernteten Sonnenblumen liegen auf einem Feld zwischen Bad Staffelstein und Unterneuses. Der Boden ist trocken, alle Felder sind gelb, die Natur verdorrt. Ausnahme und Zeichen für den Klimawandel zugleich, sagt IBC-Chef Udo Möhrstedt. Foto: Tobias Kindermann
Udo Möhrstedt
Udo Möhrstedt
 

Monatelang Sonnenschein, konstant hohe Temperaturen. 2018 wird als ein außergewöhnliches Wetterjahr in Erinnerung bleiben.

Es war ein Sonnensommer, und es war ein Dürresommer. Vielleicht hat er geholfen, das Bewusstsein für ein Thema wieder aufzufrischen, das etwas aus dem Fokus geraten war: alternative Energie. Der Solarmarkt in Deutschland wächst wieder - und ist in Zeiten niedriger Zinsen auch für Leute interessant, die neben dem Umweltaspekt auch eine ansprechende Rendite für ihr Geld erwarten. IBC-Solar-Chef Udo Möhrstedt rechnet mit weiterem Wachstum.

FT: Wir hatten einen Sommer mit Dauersonnenschein und fast ohne Niederschläge. Hat sich das in Ihrem Unternehmen bemerkbar gemacht? Udo Möhrstedt: Ja, wir merken das an den Zahlen. Wir haben jetzt schon einen Zuwachs bei Solaranlagen wie im ganzen vergangenen Jahr. Aktuell liegen wir bei 1,7 GW. Auch Privatleute wollen mehr tun. Etwa 20 Prozent davon kommen aus Hausanlagen. Hier haben wir einen Zuwachs von etwa 20 Prozent. Insgesamt werden wir in Deutschland in diesem Jahr einen Zuwachs von 2,5 GW bekommen. Das ist auch das Ausbauziel der Bundesregierung.

Warum liegt trotz attraktiver Konditionen der Zubau an Solarfläche deutlich unter den Hochjahren, in denen es einen Anstieg von 7,5 GW gab? Das müssen Sie die Verbraucher fragen. Ich bin seit 35 Jahren in der Solarbranche und ich werde immer wieder überrascht. Wir waren vor sieben Jahren die ersten, die das Thema Speicherung von Solarstrom in Batterien angegangen sind. Bis Ende 2015 haben wir Speicher mit Bleibatterien und Lithium-Ionen-Akkus verkauft. Zum Jahreswechsel kam es mir vor, als habe einer einen Schalter umgelegt. Seitdem haben wir für den Hausbereich nur noch eine einzige Anlage mit Bleibatterien verkauft. In diesem Jahr haben wir übrigens inzwischen 1200 Speicher für Häuser abgesetzt.

Sie sehen also oft ein irrationales Verhalten? Nun, nicht immer. In den Hochjahren 2010 und 2011 waren, wenn man es richtig gemacht hat, bei Solaranlagen Renditen von bis zu 15 Prozent möglich. Das war auch der Grund, warum die Politik die Einspeisevergütungen so drastisch heruntergesetzt hat. Dann ist der Markt eingebrochen auf einen jährlichen Zuwachs von 1,3 GW im Jahr 2015. 2016 lag man dann bei 1,4, 2017 bei 1,6 GW.

Und wo liegen die Renditen bei Anlagen heute? Die bewegen sich bei etwa sieben bis neun Prozent. Es ist also eine attraktive Anlageform. Es liegt unheimlich viel Geld auf Sparbüchern. Eine 10 KW-Anlage kostet um die 8000 Euro. Es gibt ja heute kaum noch Möglichkeiten, sein Geld gut anzulegen.

Die vielen Sonnenstunden in diesem Sommer haben die Situation sicher noch einmal verbessert. Ja, sehr stark sogar. Wir haben in unseren großen Freilandanlagen Ende August schon den Strom ertrag gehabt, den wir im gesamten vergangenen Jahr hatten. Dieser Sommer ist gigantisch gewesen. Die höchsten Erträge pro Stunde produzieren wir übrigens Anfang Mai, wenn kalte, klare Luft und hohe Sonneneinstrahlung zusammenkommen. Dann arbeiten die Anlagen besonders effizient. Wenn es warm wird, sinkt der Wert etwas. Dafür hatten wir aber insgesamt mehr Sonnenstunden. 2003 haben wir ein ähnlich gutes Jahr gehabt. Auch 2006 war außergewöhnlich, aber etwas schlechter als 2003 und 2018.

Warum denken Sie, dass die Solarenergie weiter an Bedeutung zunehmen wird? Die Preise für die Zertifikate zur Erzeugung von Kohlendioxid werden steigen. Momentan liegen wir bereits bei 20 Euro pro Tonne im Jahr. Die Europäische Union nimmt Zertifikate aus dem Markt, so dass die Preise steigen werden. Die Stromerzeugung mit Kohlekraftwerken wird so immer unwirtschaftlicher. Unter Fachleuten geht man davon aus, dass die Grenze bei Steinkohle mit 25 Euro erreicht ist. In einem Monat wird die letzte deutsche Steinkohlezeche in Ibbenbüren geschossen. Dann muss Steinkohle importiert werden. Der Preis ist massiv angestiegen, weil in China, Indien und Japan große Mengen benötigt werden. Bei Braunkohle liegt die Grenze für eine rentable Stromerzeugung bei 35 Euro.

Nur finanzielle Aspekte? Nein, man spürt, dass der Klimawandel stattfindet. Der Temperaturzuwachs ist da. Die Ausreißer werden immer größer.

Das Interview führte Tobias Kindermann