Der fünfte Mann des Staffelberg- Flugzeugabsturzes ist gefunden

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Die Trümmer der am 13. Januar 1936 auf dem Staffelberg abgestürzten Junkers W 34. Rechts im Bildhintergrund ist die Adelgundiskapelle zu sehen. Die W 34 war zunächst für einen Piloten und fünf Passagiere eingerichtet, später gab es sie auch für zwei Piloten mit Doppelsteuer und bis zu sechs Passagieren. Archiv A. Geußdem
Die Trümmer der am 13. Januar 1936 auf dem Staffelberg abgestürzten Junkers W 34. Rechts im Bildhintergrund ist die Adelgundiskapelle zu sehen.  Die W 34  war zunächst für einen Piloten und fünf Passagiere eingerichtet, später gab es sie auch für zwei Piloten mit Doppelsteuer und bis zu sechs Passagieren. Archiv A. Geußdem

1936 starben beim Absturz einer Junkers vier Insassen. Der Name des fünften Passagiers tauchte bisher nirgends auf. Hobbyhistoriker Claus Clemens fand nun heraus, dass dieser einzige Überlebende wohl Hans-Jochen Bobsien gewesen ist.

Eine dürre Zeile in einer angloamerikanischen Quelle über den deutschen Luftwaffen-Hauptmann Hans-Jochen Bobsien ist für Hobbyhistoriker Claus Clemens das Indiz dafür, dass er den bisher unbekannten fünften Mann der 1936 auf dem Staffelberg abgestürzten Junkers W 34 mit hoher Wahrscheinlichkeit identifizieren konnte: "1936-40 discharged from the Luftwaffe as a result of injuries suffered in a flying accident and employed as a Junkers test pilot." Bobsien war demnach 1936 bei einem nicht genannten Flugunfall verletzt worden, schied daraufhin aus der Luftwaffe aus und wurde Testpilot bei Junkers. 1940 wurde Bobsien als Oberleutnant reaktiviert.

Doch der Reihe nach. Über den Flugzeugabsturz vom 13. Januar 1936 ist längst Gras gewachsen. Drei der Toten waren von Anfang an namentlich bekannt. Mit Fragezeichen versehen war lange Zeit der Name des vierten Toten, der mit krakeliger Schrift geschrieben war und als "Scharnier" gelesen wurde. Der Name des einzigen Überlebenden blieb unbekannt. Dass er identifiziert werden könnte, schien aussichtslos (siehe Box unten).

Als Rolf und Axel Harnier aus Fulda und Bad Hersfeld vor einigen Jahren Bad Staffelstein besuchten, weil ihr Onkel Rudolf 1936 beim Flugzeugabsturz "auf dem Staffelstein" ums Leben gekommen war, kam Bewegung in die Sache. Zunächst konnten die Brüder den Namen des vierten Mannes eindeutig als Rudolf Harnier benennen.

Der Zufall führte Regie

Ein Zufall wollte es, dass der Hobbyhistoriker Claus Clemens aus Ludwigshafen in seiner Heimatstadt Fulda im Hotel "Peterchens Mondfahrt" von Rolf Harnier übernachtete. Er sprach den Hotelier an, ob er einen Axel Harnier kenne, mit dem er einst konfirmiert wurde. "Ja, das ist mein Bruder", antwortete der.

Axel Harnier (74) nahm Kontakt zu Claus Clemens auf. Beim Treffen der beiden sprachen sie über Jugenderinnerungen. Zu Hause machte Claus Clemens das, was er hin und wieder tut: Er gibt Namen von Bekannten in Internet-Suchmaschinen ein uns schaut, welche Verbindungen sich ergeben. "Eine Spielerei", nannte er das im Gespräch mit dieser Zeitung. "Ich gab den Namen Harnier ein, und da tauchte plötzlich ein Bild aus Ihrer Zeitung auf" - ein Foto des 1936 auf dem Staffelberg verunglückten Leutnants Rudolf Harnier. "Von der Sache hatte ich noch nie etwas gehört. Das hat mich neugierig gemacht", sagte der 73-Jährige. Daraufhin gab er "Staffelberg 1936" in einem Internetforum ein und fand Einträge zu den vier Toten und darüber, dass der fünfte Insasse unbekannt sei.

Er machte sich auf die Suche nach dem fünften Mann und begann zu recherchieren. Angloamerikanische Archive und Internetforen durchforstete er - und wurde tatsächlich fündig. "Der Schlüssel zu der Sache" sei ein Eintrag eines Forumsmitgliedes gewesen, der etwa so lautete: "Ich bin neu hier ... unter anderem war Hauptmann Bobsien in der Maschine." Eine nähere Begründung und die Nennung einer Quelle fehlten leider.

Claus Clemens suchte weiter und wurde im englischsprachigen Forum "12 o'clock high!" fündig. Hauptmann Hans-Joachim Bobsien wird dort als Pilot in einer Publikation von John Manrho und Ron Pütz über das Unternehmen "Bodenplatte" genannt. Bei einem Flugunfall 1936 erlitt Bobsien eine schwere Beinverletzung und schied im Mai 1937 aus der Luftwaffe aus, ist dort zu lesen. 1940 sei er als Oberleutnant und Pilot reaktiviert worden.

Über der Nordsee vermisst

Claus Clemens fand zudem einen Hinweis auf die "Operation Gisela", bei der Hans Bobsien als Pilot mit seiner Junkers Ju 88 am 4. März 1945 über der Nordsee abstürzte und seither als vermisst gilt. In den Verlustmeldungen des Generalquartiermeisters vom 19. März 1945 wird die Ju 88 G-6 unter "Absturz bei Wittmund" geführt. Vier Soldaten wurden als Tote registriert: Hauptmann Hans Bobsien, Oberfeldwebel Hans Steinadler, Unteroffizier Fritz Dessemeier und Gefreiter Hans Purth.

Über den Absturz auf dem Staffelberg sagt Claus Clemens: "Ich habe kein Dokument, das besagt, dass er in der Maschine war." Nach seinen Recherchen komme er aber zu der Schlussfolgerung, dass Hans Bobsien dieser fünfte Mann war, der 1936 den Absturz mit der Junkers W 34 auf dem Staffelberg überlebte. Der Beweis stehe noch aus, doch der Hinweis auf Bobsiens "flying accident" (Flugunfall) von 1936 sei sehr deutlich.

Im übrigen, fährt der Hobbyforscher fort, sei es nicht verwunderlich, dass der Name des fünften Mannes so lange unbekannt geblieben ist. Die im Aufbau befindliche Luftwaffe habe vieles geheim gehalten. Zudem seien die Umstände des Absturzes peinlich gewesen. So sei es schwierig, Vorgänge aus dieser nebulösen Zeit aufzuklären.

Die Chronologie des Absturzes einer Junkers W 34 auf dem Staffelberg und das Identifizieren der Besatzungsmitglieder

13. Januar 1936 Eine mit fünf Soldaten besetzte Junkers W 34 der Luftwaffe prallt, von Nord-Osten kommend, bei schlechtem Wetter im Sichtflug gegen das Felsplateau des Staffelbergs. Der Pilot, Hauptmann Wolf von Gültlingen (27), und Leutnant Rudolf Harnier (23), waren sofort tot. Die drei Verletzten wurden ins Lichtenfelser Krankenhaus gebracht, wo der Unteroffizier Peter Zapf (26) noch am selben Tag und Leutnant Karl Hermann Kurt von Plüskow (25) am 16. Januar ihren Verletzungen erlagen. Der Name des fünften Insassen tauchte in keiner Quelle auf und war bisher unbekannt.

11. Dezember 2013 Auf einen Zeitzeugenbericht im Fränkischen Tag mit Adolf Geuß (damals 79), der als kleiner Junge von dem Unglück erzählt bekommen hatte, meldete sich ein weiterer Zeitzeuge beim Fränkischen Tag: Elmar Dippold aus Bamberg. Er lebte 1936 mit seinen Eltern in Romansthal und war als Neunjähriger auf dem Staffelberg, wo er die Flugzeugtrümmer und die Leichen sah.

13. Januar 2016 Auf diesen Bericht wiederum wurden die Brüder Axel und Rolf Harnier durch Stadtarchivarin Adelheid Waschka aufmerksam gemacht, als sie Bad Staffelstein besuchten. Sie sind Neffen des 1936 tödlich verunglückten Leutnants Rudolf Harnier. Erst durch ihren Besuch wurde der Name Harnier gesichert, denn wegen der unleserlichen Handschrift in der Aufzeichnung wurde der Name bis dahin als Scharnier gedeutet und stets mit Fragezeichen versehen.

März und Juni 2016 Die drei Neffen Axel, Rolf und Otto Harnier besuchten den Staffelberg und ließen sich von dem 89-jährigen Zeitzeugen Elmar Dippold den Ablauf des Absturzes erklären.

November 2018 Durch einen Zufall wird der Hobbyhistoriker Claus Clemens aus Ludwigshafen in seiner Heimatstadt Fulda auf Rolf und Axel Harnier aufmerksam. Clemens begann, nach dem ominösen fünften Mann zu forschen, nachdem er auf infranken.de einen Artikel im Internet gelesen hatte. In Internetforen und in Online-Archiven fand er heraus, dass der unbekannte fünfte Insasse der Junkers W 34 wahrscheinlich Hans-Jochen Bobsien (geboren am 10. September 1908 in Dessau) gewesen ist. Bobsien starb als Hauptmann beim Absturz seiner Junkers Ju 88 in die Nordsee am 4. März 1945.

Zeitzeuge Elmar Dippold erinnert sich an Flugzeugabsturz auf dem Staffelberg