Elmar Dippold war 1936 als Neunjähriger auf dem Staffelberg dabei, als ein abgestürztes Flugzeug geborgen wurde. An die Bergung der Toten und Verletzten erinnert sich der alte Herr mit Grausen.
Elmar Dippold ist 86. An ein Erlebnis seiner Kindheit erinnert sich der Bamberger, als wäre es gestern gewesen: An den Flugzeugabsturz am 13. Januar 1936. Als er kürzlich eine Reportage im FT darüber las, war er wie elektrisiert, wurde da doch über sein Kindheitserlebnis berichtet - und er ist vermutlich heute der letzte Augenzeuge, der davon erzählen kann.
Der 13. Januar 1936 war ein trister, grauer Wintertag. Elmar Dippold lebte damals mit seiner Familie in Romans thal am Fuß des Staffelbergs. Sein Vater war hier Lehrer und er, der Neunjährige, besuchte die Dorfschule. Bis zum Mittag dauerte die Schule. Zum Abschluss wurde jeden Tag ein Gebet gesprochen. Just als die Schüler an diesem 13. Januar beteten, erschütterte ein Knall die Stille am Obermain. "Des hat aan Schlag getan, als wär' die Welt untergegangen", beschreibt Elmar Dippold diesen Augenblick.
Die Leute liefen zum Unfallort Den Schülern war die Ursache nicht gleich klar, aber die Nachricht, dass am Staffelberg ein Flieger abgestürzt sein müsse, habe sich im Ort wie ein Lauffeuer verbreitet. "Ein Teil der Leut' ist 'naufgerannt wie die Verrückten", beschreibt der Zeitzeuge die nun folgenden Szenen. Als die Romansthaler am Fuß des Plateaus angelangt waren, teilte sich die Gruppe: Die einen liefen direkt hinauf zum Plateau, die anderen nach rechts, um die Felskrone herum. Elmar Dippold schloss sich der Gruppe an, die direkt auf den Gipfel stürmte. "Es war ziemlich dunstig", beschreibt er die Situation; man konnte nicht viel sehen, "aber wir hörten Hilferufe von oben". Die Romans thaler folgten diesen Rufen, die von drei oder vier Leuten kamen, die zum Holzmachen am Staffelberg waren, als die Junkers W 34 im Nebel gegen den Steilhang des Bergs stieß und abstürzte.
Diese Menschen waren die ersten, die Hilfe leisteten, wenngleich das nicht mehr viel half, weil zwei der Insassen sofort tot waren und zwei andere so schwer verletzt, dass sie wenig später im Lichtenfelser Spital starben. Ein fünfter Mann, dessen Identität bis heute unbekannt ist, überlebte.
"Wir sahen das Flugzeug liegen - der Motor war ein Klumpen", beschreibt Elmar Dippold die ersten Eindrücke auf dem Plateau. "Dann haben wir Verletzte gesehen, Tote lagen herum", und die seien grauenvoll verstümmelt gewesen.
Der Wecker tickte nochAn ein Schreien der Verletzten erinnert sich Elmar Dippold nicht: "Die zwei Schwerverletzten waren bewusstlos."
Von allen Seiten kamen indes Schaulustige hinzu: "Ein Zirkus war des, von Horsdorf und von Loffeld sind sie auch rauf' komma." Koffer lagen überall verstreut.
Einer war aufgerissen, erinnert sich der Augenzeuge, und heraus quollen Uniformen und Faschingskostüme. Und noch etwas prägte sich dem Neunjährigen ein: Auf dem Plateau, ganz vorn auf der Felsenkrone, lag ein Wecker, der noch tickte.
"Der Flieger ist über eine Hecke geprescht, die Tragflächen rasierten die Hecke ab" - das ist ein weiteres Detail seiner Erinnerungen. "Dann hat er sich überschlagen und ist auf dem Plateau liegen geblieben. Wo der Motor lag, ist jahrzehntelang kein Gras gewachsen, weil dort Öl und Benzin ausgelaufen waren."
Zudem erinnert sich Elmar Dippold daran, dass ein großes Bugrad der Junkers den Hang hinuntergerollt und auf dem zur Klause führenden Weg liegen geblieben war.
Schlechte WetterverhältnisseDas Flugzeug, sagt Elmar Dippold, sei aus Dresden gekommen und nach Giebelstadt zu einer Faschingsveranstaltung unterwegs gewesen.
"Der Höhenmesser war vereist. Die flogen nach Sicht - und das war schlecht. Fünf Meter höher, und die wären drüber gekommen", fährt der 86-Jährige fort, der in seiner Jugend, zum Kriegsende, selbst noch in der Pilotenausbildung gewesen ist. Tragische Umstände führten zu dem Unfall, vor allem aber die schlechte Sicht: "Der Berg war fast zu, es war so richtig schmieriges Wetter. Die Maschin' is' vielleicht 150 Sachen geflogen, wenn der Berg frei gewesen wär', hätten die ihn gesehen."
Die Toten, sagt Dippold, seien geborgen und zunächst in der Kapelle aufgebahrt worden. Die Verletzten wurden von den zusammengelaufenen Bürgern auf Tragen geborgen. Als die toten Flieger so da lagen, sei das ein furchtbarer, grausamer Anblick gewesen. "Ich war net lang oben", ergänzt er. Vielleicht, weil ihn das Erlebnis zu arg mitnahm. Sein ganzes Leben lang ging ihm dieser Unfall nicht aus dem Sinn.
Und noch heute besucht er immer zuerst die Stelle, an der das Flugzeug damals lag: "Der Staffelberg ist mein Hausberg. Die Stelle schau' ich mir immer an. Wenn ich rauf geh', geh' ich als erstes an den Platz hin, wo der Flieger abgestürzt ist."
Trümmer wurden abtransportiert Erst habe die Polizei, dann das Militär den Unfallort abgesperrt, ergänzt er. Die großen Trümmer, zum Beispiel die Tragflächen, seien den Hang hinunter gezerrt und in Richtung Romansthal geschleppt worden. Am Fuß der Felskrone hätten Dorfbewohner die Teile auf Ochsenkarren geladen und abtransportiert. In Romansthal holte das Militär die Wrackteile mit Lastwagen ab. Der überlebende fünfte Mann, sagt Elmar Dippold, sei irgendwann - es muss wohl in den 1960er Jahren gewesen sein - zurückgekehrt und habe sich die Absturzstelle angesehen.
Über die Identität dieses Mannes könne auch er nichts sagen.
Als Souvenirs hatte sich der Junge 1936 zwei Positionslampen der Junkers mitgenommen. Jahrelang hat er sie aufgehoben, doch dann waren sie eines Tages verschwunden. Das bedauert er heute, denn sie waren materielle Zeugnisse dieses prägenden Kindheitserlebnisses.
Und an noch etwas erinnert sich der 86-Jährige: An das anschließende Donnerwetter des Vaters zu Hause. Der schimpfte, weil sein Sohn aus Neugier und Abenteuerlust auf den Staffelberg gelaufen war.