Das Surren der Nadel und Hardrock

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Einer Tätowierung nicht unähnlich kann auch Airbrush sein. Helmgestaltung einmal anders. Foto: Markus Häggberg
Einer Tätowierung nicht unähnlich kann auch Airbrush sein. Helmgestaltung einmal anders. Foto: Markus Häggberg
Einer Tätowierung nicht unähnlich kann auch Airbrush sein. Helmgestaltung einmal anders. Foto: Markus Häggberg
Einer Tätowierung nicht unähnlich kann auch Airbrush sein. Helmgestaltung einmal anders. Foto: Markus Häggberg
 
Was immer diese Maske auf der Lampe auch will, ein Kommentar zum Geschehen will sie nicht sein. Foto: Markus Häggberg
Was immer diese Maske auf der Lampe auch will, ein Kommentar zum Geschehen will sie nicht sein. Foto: Markus Häggberg
 
Zettel hin oder her, aber gerade ist der Platz besetzt und nicht frei. Foto: Markus Häggberg
Zettel hin oder her, aber gerade ist der Platz besetzt und nicht frei. Foto: Markus Häggberg
 
Die Freundinnen Vanessa Dehler, Veronika Müller, Eliana Roor und Anna-Lena Heppner dürfen sich ab vergangenem Samstag für immer an ihre gemeinsame Zeit erinnern. Foto: Markus Häggberg
Die Freundinnen Vanessa Dehler, Veronika Müller, Eliana Roor und Anna-Lena Heppner dürfen sich ab vergangenem Samstag für immer an ihre gemeinsame Zeit erinnern. Foto: Markus Häggberg
 
Freundschaft symbolisch und im Heilungsprozess. Tätowieren strapaziert die Haut. Foto: Markus Häggberg
Freundschaft symbolisch und im Heilungsprozess. Tätowieren strapaziert die Haut. Foto: Markus Häggberg
 
Die Szene gibt sich gerne auch düster. Aber der Kakao konterkariert diesen Eindruck hier auf dem Bild von einem Stand. Foto: Markus Häggberg
Die Szene gibt sich gerne auch düster. Aber der Kakao konterkariert diesen Eindruck hier auf dem Bild von einem Stand. Foto: Markus Häggberg
 
Hier ist die V-Form des V8-Motors gut zu erahnen. Foto: Markus Häggberg
Hier ist die V-Form des V8-Motors gut zu erahnen. Foto: Markus Häggberg
 
Foto: Markus Häggberg
Foto: Markus Häggberg
 
Stoizismus in Reinkultur. Schmerzen und Tattoos gehören zusammen, dieser Mann aber, wenn er auch nicht genießt, schweigt doch. Foto: Markus Häggberg
Stoizismus in Reinkultur. Schmerzen und Tattoos gehören zusammen, dieser Mann aber, wenn er auch nicht genießt, schweigt doch. Foto: Markus Häggberg
 
Manche Kunden haben ganz exakte Vorstellungen. Das, was auf dem Handy zu sehen ist, dient als Vorlage und wird auf der Wade haargenau nachgestaltet. Foto: Markus Häggberg
Manche Kunden haben ganz exakte Vorstellungen. Das, was auf dem Handy zu sehen ist, dient als Vorlage und wird auf der Wade haargenau nachgestaltet. Foto: Markus Häggberg
 
Ein sehr persönliches Motiv: Um die gezeigte Uhrzeit ist die Mutter der Trägerin dieses Tattoos verstorben. Foto: Markus Häggberg
Ein sehr persönliches Motiv: Um die gezeigte Uhrzeit ist die Mutter der Trägerin dieses Tattoos verstorben. Foto: Markus Häggberg
 
Das ist Leidenschaft: Franky gehört zum Stand von No. 13 Ink - vor allem aber ist er auch Fan seines Vereins Union Berlin und hat sich die besten Zeitungsschlagzeilen zum Aufstieg auf den Arm geholt. Foto: Markus Häggberg
Das ist Leidenschaft: Franky gehört zum Stand von No. 13 Ink - vor allem aber ist er auch Fan seines Vereins Union Berlin und hat sich die besten Zeitungsschlagzeilen zum Aufstieg auf den Arm geholt. Foto: Markus Häggberg
 
Es ist nicht üblich, Einverständniserklärungen auf Knien zu unterschreiben, auch wenn das hier gerade so aussieht. Foto: Markus Häggberg
Es ist nicht üblich, Einverständniserklärungen auf Knien zu unterschreiben, auch wenn das hier gerade so aussieht. Foto: Markus Häggberg
 
Die Qual der Wahl bei auszusuchenden Motiven. Foto: Markus Häggberg
Die Qual der Wahl bei auszusuchenden Motiven. Foto: Markus Häggberg
 
Falsche Scham trifft man auf Tattoomessen für gewöhnlich nicht an. Foto: Markus Häggberg
Falsche Scham trifft man auf Tattoomessen für gewöhnlich nicht an. Foto: Markus Häggberg
 

Tattoo & Custombike heißt seit heuer der Tattoo-Treff, zu dem sich Fans seit mehreren Jahren in der Lichtenfelser Stadthalle treffen - Ein Besuch

V2. Das wirft Fragen auf. Aber hinter dem Kürzel steht kein Raketenmodell, eher ein Motor mit zwei Zylindern. Das ist Motorradfahrerjargon und der wird von den V2-Freunden aus Coburg gepflegt. Genauso wie neuerdings ein schon seit mehreren Jahren in der Stadthalle stattfindender Tattoo-Treff. Seit 2020 und unter ihrer Ausrichtung heißt er Tattoo & Custombike. Ein mit Trends, Begegnungen und Geschichten angereicherter Ort.

Individuelle Motorräder und individuell Verzierte

Ein Surren liegt in der Luft. Das, was die Tätowiernadeln hier leisten, lädt sich akustisch noch mit Hardrock auf. Mindestens Hardrock, oft härter. Menschen liegen auf Liegen, lassen ihre Beine, Schultern, Arme verzieren. Und im hinteren Viertel der Stadthalle haben Händler Motorräder abgestellt, Custombikes genannt. Das passt, sagt hier jemand von den Veranstaltern, denn Custombikes sind individuelle Motorräder und Tätowierte individuell Verzierte. 27 Stände sind in der Halle aufgebaut, allein 15 von Tätowierstudios aus dem ganzen Bundesgebiet. 15 Studios haben aber auch mehr als nur einen Mitarbeiter und Klaus Albrecht, ein in die Organisation eingebundener Biker, tippt auf insgesamt 35 Tattoo-Künstler hier. Es gibt Tageskarten und Kinder bis zwölf haben den Eintritt frei.

Fragen auf dem Oberschenkel

Einer der Tätowierer hat gerade eine junge Frau in Arbeit. Auf ihrem Oberschenkel Fragen über Fragen: Wo bin ich gewesen? Was hab' ich gemacht? Wie hat das begonnen? Wann fing das an? Was hab' ich getan? Luise heißt die 18-Jährige aus Sonneberg und das mit den Fragen ist bei ihr so eine Sache für sich. Die junge Frau hat Erinnerungsschwächen und traut sich nicht zum Arzt. Der könnte ja unliebsame Diagnose stellen, vielleicht sogar irgendwas mit Tumor. Das aber möchte die junge Frau aus dem Hotelgewerbe lieber nicht hören. Selbst einfachste Getränkerezepturen habe man ihr aufgeschrieben, sagt sie. Ganze Tage und ganze Nächte vergesse sie, die gingen einfach verloren ins Nirgendwo. Sie vergisst auch, wenn sie gelobt wird. Fragen über Fragen und die Nadel verewigt sie ihr alle.

Polka-Trash

"Der allwissende Glen", so würde er genannt. Ihn könne man zu Trends und sonstigem Allerlei befragen, sagt jemand von den V2-Freunden und so sitzt man dann eben Glen beim Kaffee gegenüber. "Glen mit einem N, nicht wie Glenn Miller, der hatte zwei N", sagt der freundliche und zugängliche Mann. Sein rechter Arm ist "Old School", alte Schule also. So nennt man diesen Tätowierstil. Sein linker Arm ist "Eigenkreation". So derart zwei Stile vor Augen geführt zu bekommen reizt zu der Frage, was denn nun derzeit Tattoo-Mode ist. Es sind "realistic Tattoos", fotorealistische sogar, denn auf Vorlage eines Bildes "vom Hund, vom Opa oder von den Kindern", werden diese auf der Haut nachempfunden. Aber der Begriff, der wirklich aufhorchen lässt, lautet Polka-Trash - Polkamüll also. So heißen fotorealistische Motive, die mit grafischen Elementen versetzt sind.

Tätowiertwerden ist keine Sucht

Fragt man Glen, wie viel ein Tätowierer heutzutage über Haut wissen sollte, antwortet er: "So viel, wie es irgendwie geht." Dabei hat der Lüneburger "noch die alten Zeiten im Kopf, da hat sich keine Sau dafür interessiert". Den Endvierziger ärgert ein wenig, dass aus einer Szene eine Branche wurde. Es hat Kommerzialisierung stattgefunden. "Damals war ein anderes Universum als heute", bilanziert Glan und man muss es glauben, denn während in den 80ern noch "aufgelöste Kohletabletten" Tinte spendeten, so würden heute ständig Unbedenklichkeitstests zu Farben gemacht. Spricht man ihm gegenüber an, dass viele Tätowierte in Bezug auf die Vielzahl ihrer Tattoos von Sucht sprechen, dann winkt er mit Verweis auf Kokain und Alkohol ab. "Ich weiß, was Sucht ist. Ich finde, Sucht hat was mit Kontrollverlust zu tun und das lässt sich mit Tätowiertwerden nicht vergleichen." Der Mann liebt das Tätowieren und es habe ihn aus Sümpfen gezogen. "Immer wenn ich mich aufs Zeichnen (der Vorlagen) konzentriere, hat das einen kleinen Raum abseits der Sucht freigemacht."

Noch so ein Trend: episclerale Tätowierung. Das heißt nichts anderes als dass Tätowierfarbe unter die Lederhaut des Auges injiziert wird. Eine Frau hier in der Halle trägt das. Sie ist auch ansonsten ungewöhnlich - und ungewöhnlich dunkel und großflächig tätowiert, dabei von zierlichster Gestalt. Eine Knäbin, hätte Thomas Mann geschrieben. Manche Menschen hier geben Rätsel auf.

Freundschaftstatoo

Eine Frage, die auch auftaucht: Brauchen Tätowierer, um konzentriert zu arbeiten und Striche exakt zu setzen, auch mal Pausenzeiten? Ja, es gibt Tätowierer, die einem sagen, dass sie für gewissenhaftes Arbeiten kleine Pausen einlegen. So umfangreich, dass es großer Pausen bedarf, ist der erwählte Körperschmuck von Veronika Müller, Vanessa Dehler, Eliana Roor und Anna-Lena Heppner nicht. Die vier jungen Frauen haben sich in der Erzieherausbildung kennengelernt und haben etwas vor: Es wird ein Freundschaftstattoo. Die das sagt, ist die Redwitzerin Vanessa Dehler. Sie werden sich je vier allerkleinste Herzen auf die Arme stechen lassen, doch von den vier Herzen symbolisiert nur das eine ausgemalte Herz das eigene Selbst. Das ausgemalte Herz sitzt bei jeder der Frauen an einer anderen Stelle und irgendwie hat der Einfall etwas von "Einer für alle, alle für einen". Doch was, wenn es mal zu einem Streit unter ihnen kommen sollte? "Dann steht das für die Erinnerung an die gemeinsame gute Zeit", sagt Eliana Roor. Für 280 Euro Umsatz haben sie gesorgt.

Zwei Monate währte die Vorbereitungszeit für die am Samstag und Sonntag stattgefundene Schau zu Tattoo und Custombike. Klaus Albrecht sitzt unweit des Eingangs auf einem Stuhl und besieht sich die Besucher, betrachtet auch die Szenen im Gastronomiebereich, wie auch dort Umsatz entsteht. Aber um Umsatz allein gehe es wirklich nicht. Ja, es hätten noch ein paar Aussteller mehr hier sein können. Aber es gab Terminüberschneidungen. Eine Auflage 2021 werde es gewiss geben. "Wir sind schon dran, Terminvereinbarungen laufen."