Christina Wittmann: von Bad Staffelstein nach Thiès

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Christina Wittmann bei einer Visite im Krankenhaus in Thiès. Fotos: Matthias Hoch
Bei ihrer Arbeit wünscht sie sich mehr Schmerzmittel für die Patienten.
 
Durch ihre Jugendarbeit beim BDKJ ist Christina auf die Bistumspartnerschaft zwischen Bamberg und Thiès aufmerksam geworden. Nun lebt sie seit mehr als einem halben Jahr im Senegal ...
 
 
 
 
 
 
 
 
Sie musste mit einfachsten Arbeitsmaterialien auskommen.
 
 

Christina Wittmann aus Bad Staffelstein arbeitet als Krankenschwester im Senegal. Sie liebt das Land und die Gastfreundschaft der Menschen. Doch der Arbeitsalltag ist nicht immer einfach.

Da steht alles drin, in ihrem Tagebuch. Vom schmerzverzerrten Gesicht eines schreienden Kindes, dem die Mutter den Mund zuhält. Von begrenzt zur Verfügung stehendem medizinischen Gerät bei ihrer Arbeit als Krankenschwester in Thiès. Aber auch die Namen ihrer neuen Freunde und die Liebe zum Senegal schildert Christina Wittmann in ihren Aufzeichnungen zu ihrem derzeitigen freiwilligen sozialen Jahr.

Als die 24-Jährige im September aus dem oberfränkischen Bad Staffelstein in das westafrikanische Land reist, glaubt sie nicht, dass sie die 195 Seiten ihres Reisebuchs vollschreiben wird. Jetzt, nach einem halben Jahr, braucht sie ein neues. Zu viel hat sie in den vergangenen sechs Monaten erlebt. "Ja, das Abenteuer meines Lebens", bestätigt sie.

Wir besuchen sie im Krankenhaus Saint Jean de dieu.

In der Chirurgie leistet sie freiwilligen Pflegedienst. Ein einfacher Gebäudekomplex. Ein Metalltor davor.
Marmorplatten findet man nur im Empfangsbereich. In den Zimmern Metallbetten auf kaltem Fußboden. Insgesamt 110 Betten stehen in der 1983 vom Orden der Barmherzigen Brüder gegründeten Einrichtung. Fernseher und Klimaanlage gibt es nur in wenigen Einzelzimmern. Die 25.000 Francs pro Tag für ein solches, das trotz Klimaanlage und Fernseher immer noch weit unter deutschen Standards liegt, können sich die meisten Patienten nicht leisten. Der Preis für ein gängiges Achtbettzimmer liegt bei 8000 Francs pro Tag, etwa zwölf Euro.

Wir stehen im gepflegten Garten der Anlage. Säuselnder Saharawind. Über 30 Grad im Schatten. Etwa ein Dutzend Einheimische sitzen neben ihren Kochtöpfen. Sie haben gerade das Essen für die Angehörigen gebracht. "Das ist hier anders als in Deutschland", sagt Christina. Das Pflegepersonal übernimmt hier meist nur die medizinische Pflege. Waschen, Essenbringen und Füttern übernehmen die Familienmitglieder der Patienten. Auch die Nachsorge nach der Operation übernehmen die Eltern, Eheleute oder Geschwister. Die Verwandten sitzen neben dem Bett und passen auf ihre Liebsten auf. Als "Monitore auf zwei Beinen" bezeichnet Christina die Familienmitglieder, die sich überall im Krankenhaus aufhalten. Keine Geräte piepen, wenn sich die Lage eines Patienten verschlechtert. Der Angehörige schreit. Und die Krankenschwester eilt. Doch um ein frisch geöffnetes Wasser, um ein zusätzliches Kopfkissen oder andere Patientenwünsche, die Christina im deutschen Klinikalltag manchmal die Nerven rauben, muss sie sich hier nicht kümmern. "Die Patienten sind mit weniger viel mehr zufrieden", betont sie.

Auch den Umgang mit den anderen Kollegen beschreibt sie als "lockerer als im deutschen Berufsalltag".

Sie muss keine Wochenenddienste leisten wie in ihrer früheren Stelle im Lichtenfelser Klinikum. Dort hatte sie nach ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin fünf Monate lang gearbeitet.
Weitere Unterschiede zum jetzigen Job sind für sie "die Hygienestandards, andere Krankheitsbilder und andere Arbeitsmaterialien".

Christina wünscht sich vor allem mehr Schmerzmittel für die Patienten und erinnert sich beispielsweise an den schmerzhaften Eingriff bei einer 24-jährigen Frau mit Abszess in der Brust:

"Als ich gesehen habe, wie die das machen, wie die Brust aufgeschnitten wird und welche Menge an Eiter rauskam, hab ich mich gefragt, wie man das als Frau überhaupt aushält, und musste mich danach erst mal fünf Minuten setzen." Sie zeigt uns den rudimentären Operationssaal, die relativ dunklen Behandlungszimmer. In einem steht ein altes Röntgengerät aus Deutschland. Nur die nötigste Technik ist vorhanden. "Es reicht für die Grundsicherung, für alles Weitere muss man in die Kliniken nach Dakar", erklärt Christina. Sie wirkt selbstbewusst und überzeugt von ihrer Arbeit. Die täglichen Herausforderungen und wie sie die meisterte haben sie gestärkt. "Gerade am Anfang war es schon heftig zu sehen, wie Chirurgie sein kann. In Deutschland schon als Metzgerei verrufen, hier ist wirklich der Name Programm", sagt sie ruhig und steckt sich eine Zigarette an.

Sie hat uns mittlerweile auf den Gehsteig vor das Krankenhaus begleitet.

Pferdekutschen fahren vorbei. Mütter tragen ihre Babys in Tüchern auf dem Rücken. Christina grüßt freundlich. Wechselnd zwischen Französisch, der Amts-, und Wolof, einer der Stammessprachen. Beide hat sie erst hier im Senegal gelernt. Die fremde Kultur motiviert sie. Auch die anfangs fremde Religion. 95 Prozent der Bewohner im Senegal sind Moslems. Als engagierte Katholikin ist sie fasziniert von dem friedlichen Miteinander:

"Man bekommt das hier mit, wenn zum Beispiel gleichzeitig der Muezzin schreit und die Glocken der Kirche läuten: Das ist total geil!"

Über ihr kirchliches Ehrenamt beim BDKJ Bamberg wurde sie auf die Bistumspartnerschaft Thiès - Bamberg aufmerksam. Sie nahm Anfang 2010 an einer Partnerschaftsreise in den Senegal teil. "Da hab ich mich ins Land verliebt", erklärt sie. Durch die bestehenden Kontakte und die Unterstützung der Diözese Bamberg kam schließlich das freiwillige soziale Jahr zustande. "Ich bekomme ein monatliches Taschengeld von 100 Euro. Flug, Kost und Logis übernimmt auch das Bistum." Sie lebt in einer Gastfamilie. Zu acht in einem Haus. Alleine hier wird es wohl die kommenden sechs Monate noch genug Stoff für Christinas neues Tagebuch geben: "Wenn ich wieder unter der Dusche stehe und kein Wasser kommt. Wenn wieder der Internet-Chat unterbrochen wird, weil Stromausfall ist. Und wenn ich wieder Sehnsucht nach einer fränkischen Gelbwurst bekomme." Aber auch ein Blick in die Zukunft wird sich in den Aufzeichnungen wiederfinden. Denn Christina weiß schon jetzt, dass aufgrund ihrer Erfahrungen im Senegal sich ihr Leben nach ihrer Rückkehr in Deutschland ändern wird.

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