Bewerbungstraining auf Banz mit Härtetest

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Heißer Stuhl Bewerbungsgespräch: Sie zeigt Selbstbewusstsein. Foto: Markus Häggberg
Heißer Stuhl Bewerbungsgespräch: Sie zeigt Selbstbewusstsein. Foto: Markus Häggberg
 

Sozial engagierte Schüler erhielten vom Lions Club Lichtenfels eine Belohnung in Form eines Trainings von Vorstellungsgesprächen.

Oberhalb der Tischkante wirkt Berfin Dogan ganz normal. Unterhalb der Tischkante aber gibt sie ein fahriges Bild ab, verdreht sie die Beine, greifen ihre Hände nervös nach einander. Sie sitzt, wenn man so will, vor aller Augen auf einem "heißen Stuhl" und soll einen guten Eindruck hinterlassen. So einen von der Art, der einen möglichen Ausbildungsbetrieb von ihr überzeugen könnte. Acht Stunden voller Tipps, Trick und unbequemer Wahrheiten liegen hinter der 16-Jährigen und ihren 23 Mitschülern/-innen der Viktor-von-Scheffel-Realschule.


Auch fiese Methoden gezeigt

Und jetzt sitzt ihr mit Referentin Biljana Rudic eine Frau gegenüber, die auch fiese Methoden eines Bewerbungsgesprächs kennt. Es sollte eben praxisnah sein, was der Lions Club Lichtenfels den Staffelsteiner Neuntklässlern am Mittwoch als Kurs spendierte.
Härtetest und Analyse inklusive.
Mit "Ich habe Angst vor" beginnt jeder Satz auf den roten Kärtchen, welche den jungen Menschen im Saal 6 der Hanns- Seidel-Stiftung ausgehändigt wurden. Biljana Rudic, die derzeit ihren Doktor in Wirtschaftspädagogik anstrebt und im "Recruiting", in der Rekrutierung von Mitarbeitern also, erfahren ist, will die Ängste kennenlernen, die entlang der im Halbrund Sitzenden, zwischen Benedikt zu ihrer Rechten und Jonas zu ihrer Linken zu Vorstellungsgesprächen vorhanden sind. Rudic ist somit Teil eines Geschenkes, welches der Lions Club Schülern machte, die sich nachweislich sozial engagieren.
Die Angst, die gut ein Drittel der Schüler zu Vorstellungsgesprächen umtreibt, hat einen Namen: Blackout. "Angst davor, zu großen Druck aufzubauen", nannte dies der 16-jährige Miselfelder Rico Schmitt. Aber es muss nicht unbedingt ein Blackout sein, schon Unbeholfenheit kann schaden. "Der erste Eindruck entsteht in weniger als einer Sekunde", erklärt Rudic. "Danach sucht der Mensch nach Gründe, diesen ersten Eindruck zu bestätigen", so die 34-Jährige weiter.
So gesehen lag der Schüler Eric Märkl bei ihr besonders richtig. Der brachte es fertig, während der Vorstellung seiner Person zwei Praktika lediglich zu erwähnen, aber nicht zu beschreiben. Dabei liegen sie mit Schreinerei und Ergotherapie so weit voneinander entfernt, dass er damit einem möglichen Arbeitgeber so etwas wie weitreichende Interessen hätte signalisieren können. Hätte er überzeugt?


Unbedachtes Flur-Geplauder

Walter Mackert ist selbst Lions-Mitglied und vor Ort. Manchmal, das kommt vor, greift er in die Gespräche ein und erzählt von seiner Erfahrungen mit Vorstellungsgesprächen, steuert Anekdotisches bei. Und gerade vorhin, so erzählt er, sei er auf dem Flur Zeuge einer Unüberlegtheit geworden, die man sich keinesfalls leisten sollte. Zwei Männer hätten, in Erwartung des ihnen noch unbekannten Arbeitgebers, auf dem Gang darüber geplaudert, mit wie wenig Interesse man sich beworben habe. Was also, wenn er, der ihnen unbekannte Mithörer, ihr Arbeitgeber gewesen wäre? Überzeugt hätten die Belauschten nicht, aber wie man in Vorstellungsgesprächen überzeugt, füllt einen ganzen Seminartag.
Worauf bei der Körpersprache achten? Was anziehen? Wie gewiss pünktlich sein? Aber dass man was von seinen künftigen Azubis auch was erwarten dürfe, dafür öffnete Rudic die Augen. "Ein Tag auf einer Ausbildungsmesse kostet einen Betrieb nämlich 3000 bis 7000 Euro", sagt sie leichthin und lässt damit manche Münder staunend offenstehen. "Was würdet ihr an meiner Stelle machen?", fragt sie in die Runde, als sie davon erzählt, wie schnell sie bei jährlich 700 von ihr in kürzester Zeit zu bearbeiteten Bewerbungsunterlagen die ohne "Türöffnerzeugnis auf Stapel Zwei" landen ließ. Nicht einmal eine Minute lang nähmen sich manche Sachbearbeiter für eine Auswahl Zeit. Ein Vorstellungsgespräch ist also auch eine Möglichkeit, Punkte zu sammeln, wo man beim Zeugnis welche gelassen hat. "Ja, nein, ja, nein" - so liefen allerdings manch monotone Bewerberantworten ab.
Und eben das kreideten Rudic und Mackert an und gaben Tipps dazu, wie eine Gesprächsführung samt Körpersprache besser gelingen kann.
Die 16-jährige Berfin hatte im abschließenden Programmteil, dem "Vorstellungsgespräch" mit Biljana Rudic, noch Glück. Doch ob ihre Mitschülerin Melissa Scheer verstand, wie ihr geschah? Nach ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung, nach der von ihr bevorzugten politischen Partei wurde sie von Rudic gefragt - allesamt unzulässige Fragen, bewusst von der Doktorandin eingestreut, mit der nachgereichten Aufklärung, wonach solche nicht beantwortet werden müssen. Aber gerade in dieser Situation bewährte sich die 15-Jährige Melissa prima. Mit "Das ist mir zu privat" konterte sie die Testfragerin aus und bewahrte doch für alle sichtbar Haltung.