Begegnung zwischen Kultscheiben

4 Min
Egal in welcher Sparte man musikalisch beheimatet ist, auf der Börse wurde man fündig.
Egal in welcher Sparte man musikalisch beheimatet ist, auf der Börse wurde man fündig.
Bei allem Stöbern wurde Corona nicht vergessen. Manche hatten Handschuhe an.Markus Häggberg
Bei allem Stöbern wurde Corona nicht vergessen. Manche hatten Handschuhe an.Markus Häggberg
 
Auch die Aufbereitung des Angebots stach ins Auge. Wohltuend. Markus Häggberg
Auch die Aufbereitung des Angebots stach ins Auge. Wohltuend. Markus Häggberg
 
Man brauchte eine Weile, um sich Überblick über die Stile und Angebote zu verschaffen. Nach Herzenslust stöbern war Gebot des Tages.Markus Häggberg
Man brauchte eine Weile, um sich Überblick über die Stile und Angebote zu verschaffen. Nach Herzenslust stöbern war Gebot des Tages.Markus Häggberg
 
Angebotsvielfalt, auffällig gut aufbereitet. Markus Häggberg
Angebotsvielfalt, auffällig gut aufbereitet. Markus Häggberg
 
Ein gepflegter Plausch und eine Fachsimpelei am Rande ist Begleiterscheinung einer Schallplattenbörse. Sammeln ist Begegnung. Markus Häggberg
Ein gepflegter Plausch und eine Fachsimpelei am Rande ist Begleiterscheinung einer Schallplattenbörse. Sammeln ist Begegnung. Markus Häggberg
 
Gemeinsames StöbernMarkus Häggberg
Gemeinsames StöbernMarkus Häggberg
 
Was Stammgast auf Börsen, Standbetreiber und Lichtenfelser Udo Klinger hinter seiner Maske wirklich trieb, bleibt unerforscht. Auch er genoss die Wiederkehr der Börse.Markus Häggberg
Was Stammgast auf Börsen, Standbetreiber und Lichtenfelser Udo Klinger hinter seiner Maske wirklich trieb, bleibt unerforscht. Auch er genoss die Wiederkehr der Börse.Markus Häggberg
 
Marco Anderlik war auch hier, wenngleich mit weniger gefragtem Sortiment.Markus Häggberg
Marco Anderlik war auch hier, wenngleich mit weniger gefragtem Sortiment.Markus Häggberg
 
Kramen und stöbern - aber richtig.Markus Häggberg
Kramen und stöbern - aber richtig.Markus Häggberg
 
Ingo Reichenbach aus Saalfeld kaufte für seine Schlager-Sammlung ein.Markus Häggberg
Ingo Reichenbach aus Saalfeld kaufte für seine Schlager-Sammlung ein.Markus Häggberg
 
LPs und CDs sind nicht einfach nur Tonträger, sondern wegen der künstlerischen Cover auch Sammelobjekte.Markus Häggberg
LPs und CDs sind nicht einfach nur Tonträger, sondern wegen der künstlerischen Cover auch Sammelobjekte.Markus Häggberg
 

Szenen und Hintergründe einer Veranstaltung für Spezialisten, Enthusiasten und Suchende in Lichtenfels.

Schallplattenbörsen sind Orte der Begegnung. Die Lichtenfelser allemal - oder wo sonst trifft man eine katholische Schwester und den Präsidenten des Fastnacht-Verbands Franken? Szenen, Gespräche und Hintergründe zu einer Veranstaltung für Spezialisten, Originale, Enthusiasten und Suchende.

"Musik ist mehr als nur eine Datei..." steht wie eine Überschrift auf dem orangefarbenen Flyer, der stapelweise am Eingang zur AC-Halle ausliegt. Dieser Satz ist eine Grundhaltung, und die gehört Stefan Meiner. Der Thüringer ist Ausrichter der Platten- und CD-Börse, und seine Leidenschaft gilt der Musik, die noch griffig ist, die man als Vinyl oder CD erwerben kann, die nicht einfach abgekoppelt von allem aus Lautsprechern kommt, sondern Dokument ist - für Bands und ihre Geschichten, für das Design von Alben, für Zeitgeist in Noten.

Es ist Samstag und Stefan Meiner ist hier, morgen wird er mit seinem Sortiment in Würzburg sein. Es sei leicht gewesen, eine Halle für die Ausrichtung zu finden, sagt er, derzeit ist ja nix in Hallen los.

So stehen die LPs und Souvenirs, die CDs und Sondereditionen auf Podesten. Diese hat der AC gestellt, und es sind eigentlich die aufklappbaren Tribünen, die sonst bei Ringkämpfen zum Einsatz kommen.

Ein halbes Jahr lang war Meiner coronabedingt mit seinen Schätzen auf keinen Börsen, jetzt ist es wieder möglich, und der Mann genießt das, vor allem die Fachsimpeleien mit anderen Händlern. Musik ist eben Leidenschaft, und die Musik spielt heute hier, auch wenn sie nicht zu hören ist. Stattdessen hört man das Gemurmel der Besucher, hört das Kramen flinker Finger in den Fächern, in denen die LPs und CDs sortiert stehen. Bei den einen klingt es wie nach einem dumpfen Lufthauch, bei den anderen klackt es. Es dürfte in die Hunderttausende gehen, was in Kisten aufgestellt und nach Genre geordnet hier steht. Soul, Jazz, Folk, Funk, Heavy Metal, Hardrock, Flower Power, Liedermacher, Schlager und auch Klassik. Wer suchet, der findet. Doch gibt es sie, die eine, die einzige, die, die so etwas wie die Blaue Mauritius unter den Schallplatten ist?

Johann Mitterbauer weiß genau, wovon die Rede ist. Aber er ist diesbezüglich entspannt. Er wirkt überhaupt sehr entspannt, sitzt auf einem Stuhl einen Meter von der Halle entfernt draußen und raucht. "Ich bin der Hans", sagt er, und dabei will sein Regensburger Dialekt nicht zu der Vorstellung passen, dass er aus Jena kommt. Dort aber hat er einen anerkannten Laden für LPs und CDS. Der Mann ist eine Institution und heute hier und morgen auch in Würzburg. Die Sache mit der einen, einzigartigen Platte, die kann er beantworten. Da gibt es beispielsweise eine Beatles-LP, die ein unverkäufliches Musterexemplar war, nur zur Testierung diente und 1964 bei dem Label Amiga in der DDR gepresst wurde. Es ist die Seltenheit, die hier zählt, und es gibt laut Mitterbauer zwei Menschen auf der Welt, die sie besitzen. Einer davon ist er selbst. Den Wert dieser Platte ordnet er "irgendwo zwischen vierstellig und fünfstellig" ein. Angekauft hat er sie "sehr günstig, sehr". Bei dieser Erinnerung stellt sich ein leises Lächeln auf seinem markanten Gesicht ein, und dann erzählt er von den Strapazen des Ausladens in die AC-Halle. Sein Stand ist immerhin knapp zwölf Meter lang, und da hatte er zu tun. "Um 7 Uhr habe ich angefangen, um 10 Uhr war ich fertig." In seinem Laden betreibt er nicht nur den An- und Verkauf von LPs und CDs, sondern auch eine Schallplattenwaschmaschine. Nein, ums Verkaufen alleine gehe es ihm nicht, sagt er. Es sei jetzt einfach mal wieder schön, mit anderen Händlern und Sammlern in Kontakt zu kommen, sich wieder auszutauschen. Corona hatte das unterbunden.

Womit man beim allzeit präsenten Thema wäre. Hier spielt zwar die Musik, aber es spielen eben auch Regeln eine Rolle. Die Laufrichtung der Besucher ist vorgegeben, mehr als 50 dürfen sich nicht an den Ständen der 15 Händler aufhalten, Maskenpflicht versteht sich von selbst, und Desinfektionsmittel steht auch auf einem Tisch. Das ist das Pragmatische, aber Schönes gibt es hier ebenfalls. Beispielsweise am Stand von Markus Sauter aus Heilbronn. Ein "Semi-Profi", wie er sich bezeichnet, aber dafür hat der Mann einen Blick für das Aufbereiten der Ware, für das Drapieren. Der Stand ist ein Hingucker, denn ausrangierte Schallplatten dienen hier gleichsam als Anzeigetafeln für jeweilige Musikstile. "Mein Stand wird oft fotografiert, zum Beispiel bei Festivals als Opener für Internetseiten - das war bestimmt schon drei-, viermal der Fall", berichtet er. Im Trend sieht er die 80er, die nun verstärkt nachgefragt würden, vor allem Synthiepop-LPs seien im Wert gestiegen. Auch für Sauter ist es der erste Markt seit März, und es geht ihm mehr ums Rauskommen und Zusammensein mit anderen Händlern und Musiksammlern als ums Verkaufen.

Dass man Marco Anderlik hier trifft, ist verwunderlich genug, denn eigentlich ist der Präsident des Fastnacht-Verbands Franken e.V. nicht aus der Branche. Gleiches gilt für die Frau, die neben ihm einen kleinen Stand hat und eine katholische Schwester namens Christiane ist. Jene versucht den Nachlass ihrer Eltern an den Mann zu bringen und hat es mit den Schlagern und Traumschiffmelodien nicht leicht gegen Rammstein, Rolling Stones und Pink Floyd. Auch Anderlik ist im Auftrag einer Witwe mit einem nicht sehr begehrten Nachlass-Sortiment aus Wiener Klassik, Couplets und Operetten vertreten. "Ich nutze die Zeit und habe hier einen schönen Vormittag", spricht er und bleibt vergnügt.

Einer, der richtig fündig wurde und ein Original zu sein scheint, kam extra aus Saalfeld angereist. Ingo Rechenbach heißt der Mann und er klingt sachverständig für DDR-Schlager und Schlager überhaupt. Dann packt er aus: Aus dem Archiv von Dieter Thomas Heck besitze er Scheiben, die diesem einstmals zur Bemusterung von den Plattenfirmen zugingen. Und bezüglich Ralph Siegel weiß er davon zu erzählen, dass sich dieser von jedem seiner deutschen Hits internationale Versionen zukommen ließ. Nach so was sucht der Mann, der von sich sagen kann, eine Sendung beim Bürgerradio SRB gehabt zu haben und mit Roberto Blanco persönlich bekannt zu sein. Musik erzählt Geschichten. Auf Börsen mehr denn nur als Datei.