Oliver Kaiser aus Schirradorf gehört zu den Grundstückseigentümern, die einen Vertrag mit dem angeschlagenen Windanlagen-Finanzierer Prokon haben - und nicht wissen, ob je eine Anlage entsteht. Mittwochabend befasst sich der Gemeinderat mit einem Bauantrag des Unternehmens aus Itzehoe. Eine Ablehnung gilt als sicher.
Der Wind weht schon ganz ordentlich, aber er verfängt sich in keinem Rotor. Vielleicht wird er das nie an diesem Feldweg zwischen Schirradorf und Azendorf. Auf dem Acker vor der Waldlichtung, die sich wie eine Landzunge in die Szenerie schiebt, wächst Getreide. Eigentlich sollte hier Energie geerntet werden. Windstrom. Jedenfalls wenn es nach Prokon geht. Und nach Oliver Kaiser.
Der Schirradorfer blickt auf sein Eigentum, 3,2 Hektar groß. Das Areal ist verpachtet an einen Landwirt. Noch. Ein Vertrag mit der Firma Prokon aus Itzehoe besiegelt, dass sich hier mal ein Windrad erheben soll, fast 200 Meter hoch. Eines von 16, die der Finanzierer von Windanlagen auf dem insgesamt 450 Hektar großen Areal umsetzen will. Besser gesagt: wollte.
Denn erst flogen die Vorrangflächen von den Karten des Regionalen Planungsverbands Oberfranken-Ost - und jetzt kämpft Prokon als Unternehmen ums wirtschaftliche Überleben.
Der Vertrag, den Prokon mit mehreren Grundstückseigentümern der Gemeinde geschlossen hat, liegt bei Oliver Kaiser auf dem Wohnzimmertisch, dazu ein Luftbild vom Standort, wo der Rotor dereinst stehen soll. Der Schirradorfer hatte die Vereinbarung im August 2012 unterschrieben. "Die Modalitäten sehen vor, dass Prokon binnen drei Jahren mit dem Bau der Anlage begonnen haben muss." Kaiser als Verpächter der Fläche würde, wie er sagt, rund 7000 Euro pro Jahr erlösen. "Natürlich sieht es im Moment nicht danach aus."
Planungsverband sagte "Nein" Und das hat zwei Gründe.
Einer ist der Beschluss des Regionalen Planungsverbands vom Juli vergangenen Jahres: Bei der Sitzung in der Hofer Freiheitshalle war die ursprünglich als Nummer 95 markierte Vorrangfläche Schirradorf-Nord herausgenommen worden, nachdem sowohl Landrat Klaus Peter Söllner als auch Bürgermeister Günther Pfändner (CSU) sich dafür stark gemacht hatten. "Es gibt natur- und vogelschutzrechtliche Bedenken dagegen", sagt Pfändner und verweist unter anderem auf den in diesem Gebiet brütenden Wanderfalken.
Nichtsdestotrotz haben Pfändner und der Gemeinderat in der Sitzung heute Abend über einen Bauantrag für ein Windrad zu befinden - eingereicht von Prokon.
"Ich will dem Gremium nicht vorgreifen", sagt Pfändner, "aber ich gehe davon aus, dass wir als Kommune eine ablehnende Stellungnahme abgeben und diese dem Landratsamt als zuständige Genehmigungsbehörde mitteilen werden."
Oliver Kaiser verwundert das nicht, wie er sagt. "Die Gemeindespitze hat in Sachen Windkraft um 180 Grad geschwenkt. Deswegen gab es auch den Vorstoß bei der Planungsverbandsitzung, die Flächen zu streichen." Der Schirradorfer steht auf seinem Grund und Boden und deutet mit seiner Hand in Richtung des potenziellen Anlagenstandorts. "Der geplante Rotor auf meinem Grundstück wäre der nächstgelegene an der Wohnbebauung, aber selbst er wäre über 1000 Meter weg - und damit 200 Meter mehr, als es die Vorgaben des Planungsverbands vorsehen." Er wendet seinen Blick und schaut zurück zur Ortschaft.
"Ich wüsste nicht, wen ein Windrad hier stört." Sollten sich die Windkraft träume in der Gemeinde Wonsees zerschlagen, "dann bringt mich das finanziell auch nicht um, aber ich würde es bedauern, denn ich bin überzeugt vom Ausbau alternativer Energien", sagt Kaiser. Allerdings würde er, wie er zugibt, selber nicht in das Genussschein-System investieren, wie es Prokon fährt. "Mir wäre dieses Geschäftsmodell zu unsicher."
Dass Prokon offenbar akut entlang einer Insolvenz schlittert, hat der Schirradorfer verfolgt. "Mir selber wurde bisher nichts mitgeteilt, dass sich der Vertrag zerschlagen hat." Wie der Anlagenfinanzierer aus dem hohen Norden auf einen ablehnenden Bescheid der Gemeinde reagiert, kann Oliver Kaiser nur vermuten: "Möglich, dass Prokon klagt." Die Klage wäre beim Verwaltungsgericht in Bayreuth anhängig.
Zuvor aber hat die Regierung von Oberfranken mit ihrer landesplanerischen Beurteilung noch ein gewichtiges Wort mitzureden.
Und auch was die Regionalplanung betrifft, ist da noch keine Rechtskräftigkeit hergestellt, denn: Die zweite Anhörung zu den Änderungen ist noch nicht abschließend behandelt. Es kann also sein, dass die bürokratischen Mühlen noch länger mahlen, bis es die Rotoren in Schirradorf tun. Oder eben nie.