Wenn sich Flüchtlinge auf den Lkw schleichen

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Dass Flüchtlinge versuchen, sich unbemerkt auf den Lkw zu schmuggeln, um in ein anderes Land zu gelangen, ist in der Branche ein bekanntes Problem. Foto: Log-in
Dass Flüchtlinge versuchen, sich unbemerkt auf den Lkw zu schmuggeln, um in ein anderes Land zu gelangen, ist in der Branche ein bekanntes Problem. Foto: Log-in

Flüchtlinge, die sich unbemerkt auf den Lkw schmuggeln: Ein Problem, mit dem Fuhrunternehmen seit Jahren zu kämpfen haben. Auch in Kulmbach.

"Wenn so etwas passiert, dann ist das der Supergau für den Spediteur." Mit diesen Worten kommentiert Michael Möschel den Fall, der sich in der vergangenen Woche in Kulmbach zugetragen hat. Am Mittwoch waren auf einem Lkw, der aus Osteuropa kam, afghanische Flüchtlinge illegal eingereist. Erst auf dem Betriebsgelände einer Kulmbacher Firma wurden sie entdeckt (siehe Info "Der Fall in der vergangenen Woche"). Von einem Supergau spricht Möschel deshalb, weil schnell der Verdacht einer Straftat - nämlich der Schleusung - gegen den Spediteur im Raum steht.

Neu sind solche Vorkommnisse wie in der vergangenen Woche für die Branche nicht, sagt Möschel, der Geschäftsführer von MGTM Fleetservice in Kulmbach ist. "Das ist ein Riesenthema schon seit mehreren Jahren." Vor allem für die Speditionen, die nach Großbritannien fahren, das neben Deutschland ein beliebtes Ziel von Flüchtlingen sei.

Etwa 30 Kilometer vor der französischen Hafenstadt Calais beginne ein kritischer Bereich. Dort säßen Flüchtlinge, die nach Großbritannien wollten, versteckt in den Gräben entlang der Straßen und würden darauf warten, dass ein Lkw anhält. Dann würden sie versuchen, sich auf dem Laster zu verstecken und so nach Großbritannien zu kommen. Das gehe sogar soweit, dass Personen vor die Brummis sprängen, um sie so zu stoppen und die Fahrer abzulenken, während andere heimlich unter die Planen an den Ladeflächen schlüpften.

"Es gibt hier nichts, was es nicht schon einmal gegeben hat", umreißt Möschel den Einfallsreichtum der Flüchtlinge. Deshalb habe er seine Fahrer angewiesen, ihre Routen und Ruhephasen so zu planen, dass sie in diesem Korridor nicht halten müssen - nicht einmal zum Tanken. In Großbritannien, wo die Zöllner mit ihren Hunden die Lastwagen kontrollierten, würden die illegalen Passagiere in der Regel schnell entdeckt. "Und dann steht der Vorwurf der Schleuserei im Raum." Möschel mag nicht ausschließen, dass dies manchmal sogar der Fall ist, aber der Anteil der schwarzen Schafe liegt seiner Ansicht nach im Promillebereich.

Beliebt bei den Flüchtlingen sind Lastwagen mit Planenaufliegern, wie sie zum großen Teil im Fernverkehr unterwegs sind. "Wenn der Fahrer vorne schläft, können sie leicht in den Auflieger schlüpfen." Nachdem wegen Corona die Rast- und Gaststätten entlang der Autobahnen geschlossen sind, suchen sich die Fahrer, wo immer es möglich ist, einen Stellplatz, um die Ruhezeiten einzuhalten. Was den potenziellen Schwarzfahrern zusätzlich entgegenkommt. Dass ein Fahrer nach jeder Pause den Auflieger kontrolliert, sei - zumindest auf europäischen Strecken beziehungsweise im Schengenraum - nicht die Regel.

Anders sehe es bei Lastwagen mit festen Aufbauten (zum Beispiel Kühlauflieger) aus. Hier bestehe ein Zugang meist nur über ein Portal am Heck, das durch ein Schloss gesichert ist. "Da ist es nicht so leicht reinzukommen. Außerdem sieht man sofort, wenn das Schloss beschädigt ist", erklärt Möschel.

Häufig versuchten die Flüchtlinge, aus Ungarn, Griechenland oder Rumänien weiterzukommen. "Alle osteuropäischen Grenzen sind Hotspots. Da kontrolliert niemand einen Laster, der ausreisen will."

Das Problem ist auch Robert Gammisch seit Jahren bekannt. Der Neuenmarkter Unternehmer und Chef der Log-in Spedition bestätigt vor allem bei Großbritannien und Griechenland die Probleme: "Es ist irre, was da abläuft." Es sei fast schon eine Kunst, zu verhindern, dass Illegale sich auf den Lkw schmuggeln. "Da hast du als Fahrer keine Chance, bist aber verantwortlich", umreißt er die Lage. Vor zwei Jahren habe seine Spedition so ein Problem in Italien gehabt, als dort ein Lkw für zwei Monate stillgelegt wurde.

Anders als Möschel will er seine Hand allerdings nicht für jeden Fahrer ins Feuer legen. "Es weiß keiner sicher, ob nicht doch der Fahrer mitgespielt hat. Man muss ja nur schauen, was die Leute in Polen oder Rumänien verdienen." Aber selbst bei Deutschen könne man nichts ausschließen. "Es gibt keine Statistik, wie viele Fahrer an solchen Vorfällen beteiligt sind und mitkassieren." Mit Blick auf den Kulmbacher Vorfall wundert er sich jedenfalls, dass der Fahrer nicht bemerkt haben will, dass der verplombte Laderaum nicht mehr verplombt war. "Das muss er kontrollieren."

Andererseits sei er froh, dass den Afghanen während der Fahrt nichts passiert ist. "Menschenleben sind das Wichtigste." Angesichts der Zustände in den Flüchtlingslagern sei es sogar verständlich, dass Leute versuchen, dort wegzukommen.

Die unerwünschten Mitfahrer sind nach den Worten von Robert Gammisch aber nicht das einzige Problem in der Branche, die auch mit Diebstählen zu kämpfen hat. Um dem entgegenzuwirken gebe es sogar eigene Sicherheitsgesellschaften, die sich auf die Prävention von Straftaten spezialisiert haben.

Eine dieser Gesellschaften, der auch Log-in angehört, ist die "Tapa", die Transported Asset Protection Association (übersetzt "Gesellschaft zum Schutz transportierter Güter"). Sie gibt Sicherheitsstandards vor, nach denen sich Fuhrunternehmen zertifizieren lassen können. Dazu zählt auch ein Türöffnungsalarm für Laderaumtüren. Damit unerwünschte Mitfahrer keine Chance mehr haben.

Der Fall in der vergangenen Woche

Auf einem Lastwagen aus Osteuropa waren in der vergangenen Woche acht afghanische Flüchtlinge - vier Erwachsene, zwei Jugendliche, zwei Kinder - illegal nach Deutschland eingereist. In Kulmbach wurden sie entdeckt.

Nach ersten Ermittlungen der Beamten waren die "blinden Passagiere" offenbar auf einem Rastplatz unbemerkt zugestiegen. Wo genau sie sich Zutritt zu dem ursprünglich verplombten Laderaum des Lastwagens verschafft hatten, muss noch geklärt werden. Der Fahrer des Sattelzuges hatte davon nach eigener Auskunft nichts mitbekommen. Er habe in seiner Zugmaschine geschlafen. Der Mann wird von der Polizei als Zeuge vernommen, er dürfte nach jetzigem Kenntnisstand nichts mit der Schleusung zu tun haben. Offiziell beladen war der Lkw mit Waren für eine Kulmbacher Firma.

Laut Polizei befanden sich die Afghanen zwei Tage lang auf der Ladefläche - so lange dauerte die Fahrt von Rumänien bis nach Kulmbach. Die Flüchtlinge wurden nach ihrem Auffinden erstversorgt und vorläufig in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Bamberg untergebracht. red