Ein Winter, der noch keiner ist: Landwirt Gerhard Reif befürchtet eine Schädlingsplage, wenn es nicht kälter wird. Dem Borkenkäfer macht das feuchte Klima dagegen zu schaffen. Ein Gartenexperte staunt über seltene Anblicke.
Milde Temperaturen, strahlend blauer Himmel, fast frühlingshaftes Klima: Der Winter 2015 ist bislang keiner. Und er sorgt für ungewöhnliche Anblicke zu dieser Jahreszeit: Vielen Spaziergängern im Kessel ist in den vergangenen Tagen ein gelb blühendes Feld aufgefallen.
Hierbei handelt es sich aber nicht um Raps, wie vom einen oder anderen vermutet, sondern um ein Unkraut, im Volksmund Hederich genannt, erklärt der stellvertretende Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV), Gerhard Reif aus Gößmannsreuth. "Der Raps kann noch nicht blühen, dafür ist er viel zu niedrig."
"Normalerweise gefriert der Hederich weg", weiß Reif. Nur heuer nicht. "Der Winter geht einfach in die falsche Richtung." Und bringt damit die Pflanzen in ihrem Jahresrhythmus durcheinander. "Die Pflanzen wissen nicht, dass sie jetzt eigentlich ruhen müssen. Dazu ist es einfach nicht kalt genug."
Im schlimmsten Fall kommt es dazu, dass die Pflanze Wasser saugt und dann bei Frost der Stängel aufplatzt. Fäulnisbakterien haben dann leichtes Spiel. Ein Beispiel aus den vergangenen beiden Jahren hat Reif parat: "Da sind uns die Walnüsse erfroren."
Auch mit Blick auf Schädlinge wie Mäuse hofft er auf einen Wintereinbruch. "Wenn die nicht erfrieren, vermehren sie sich lustig weiter. Das kann mitunter ein Problem werden. Wir hatten schon im Herbst eine Mäuseplage. Wenn die nicht auf natürliche Weise reduziert wird, kann es nächstes Jahr extrem werden." Ob da ein kleiner Ausläufer des Winters, wie er für das Wochenende angekündigt ist, ausreichen wird?
Gerhard Reif hat jedenfalls gelernt, mit den Kapriolen des Wetters zu leben: "Wenn kein Winter mehr kommt, muss man den Frühling abwarten und schauen, was passiert. Als Landwirt darf man nicht verzweifeln. Da haben wir schon Schlimmeres überstanden." Zum Beispiel den Verlust von 20 Hektar Wintergerste in einem Jahr. Aber er ist zuversichtlich: "So, wie es aussieht, kommt der Winter noch."
Für Stadtförsterin Carmen Hombach ist die Lage "im Moment noch nicht tragisch". Mit Blick auf die Eindämmung des Borkenkäfers sei die Wetterlage gar nicht schlecht. "Bei Feuchtigkeit verschimmelt der Käfer." Gegen trockene Kälte habe der Schädling dagegen einen natürlichen Schutzmechanismus.
Um nicht mit Käfer-Altlasten in das Frühjahr zu gehen, appelliert sie an alle Waldbesitzer, jetzt die befallenen Bäume aufzuarbeiten.
Für die Tiere des Waldes sei der milde Winter eher angenehm, fährt sie fort. "Die finden noch Nahrung ohne Ende." Das gelte auch für das Schwarzwild, was wiederum die Landwirte wegen der zu erwartenden Wildschwein-Schäden nicht freuen dürfte. "Es gibt schon die ersten Frischlinge."
Dem Boden fehlt Wasser
Den Winter wünscht sich Carmen Hombach aus einem ganz praktischen Grund herbei: wegen des Schnees. "Der müsste langsam schmelzen und das Wasser in den Boden krabbeln." Denn das Erdreich sei nach wie vor - ab einer Tiefe von 20 Zentimetern - zu trocken, die Wassersättigung nicht erreicht. Der Matsch vermittle einen falschen Eindruck, sei nur oberflächlich.
Das bestätigt auch Kreisfachberater Friedhelm Haun. "Rund 150 Liter pro Quadratmeter sollten bis zum Frühjahr noch kommen", sagt er und spricht ebenfalls von einem ungewöhnlichen Winter. "Normalerweise werden nach dem 15. November kühlere Temperaturen erwartet." Heuer habe sich der Herbst aber bis Weihnachten gezogen. So etwas habe es schon lange nicht mehr gegeben, auch wenn man sich inzwischen ja an grüne Weihnachten gewöhnt habe.
Aber ein gelb blühender Winterjasmin oder der rosa blühende Duftschneeball seien um diese Jahreszeit kein normaler Anblick. Nach strengen, langen Wintern sehe man sie manchmal erst im März. Auf der anderen Seite gebe es Pflanzen, die ohne Frost überhaupt nicht blühen würden (zum Beispiel Hyazinthen).
Aber solange die Bäume nicht ausschlagen, gehe es noch, so Haun weiter. Aber wenn deren Blüten einmal durch Frost zerstört seien, würden sie nicht mehr neu gebildet.
Abdecken und reinräumen
Hobbygärtnern empfiehlt der Fachmann, empfindliche Pflanzen (zum Beispiel Hochstammrosen) abzudecken, Kübelpflanzen reinzuräumen. Wobei robustere Arten wie Oleander, Feige oder Ölbaum durchaus Temperaturen bis -8 Grad vertragen. Dennoch sollten die Gewächse in Sicherheit gebracht werden, empfiehlt Fachberater Friedhelm Haun. Denn er ist überzeugt, dass der Winter noch kommen wird.