Reiner Hamm (94) wurde für 75-jährige Mitgliedschaft in der DAV-Sektion Kulmbach ausgezeichnet. 20 Jahre lang stand er sogar an der Spitze der Ortsgruppe.
Der Duft der Berge, das Gefühl des warmen Winds um die Nase, die Erholung nach einem strapaziösen Aufstieg. Für Reiner Hamm sind all diese Sinneseindrücke der letzten Jahrzehnten so präsent, als hätte er eben erst einen 4000-er bestiegen. Und das obwohl der heute 94-Jährige seit vielen Jahren blind ist. Aufgrund seiner Lebensleistung und seiner immensen Kraft und Willensstärke war und ist er Vorbild vieler Wander- und Kletterfreunde in der Region.
20 Jahre lang war er Sektionsvorsitzender des Deutschen Alpenvereins Kulmbach, seine Fachvorträge haben viele Besucher berührt, seine Erinnerungsbüchlein und Wanderbeschreibungen finden begeisterte Leser. In dieser Woche ist Reiner Hamm für 75-jährige Mitgliedschaft beim Deutschen Alpenverein geehrt worden.
Schöne Erinnerungen Mit seiner Tochter Regine Pearson und seiner Enkeltochter Johanna Pearson sitzt der ehemalige Leiter der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach heute viele Stunden in seinem Sessel und erinnert sich gerne an seine Touren. "Wir gehen gerne verschiedene Erinnerungsbüchlein durch", erzählt Enkelin Johanna. "Es ist beeindruckend, an welche Details er sich erinnert." An Details früherer Wanderungen in den 50er Jahren und auch an viele Einzelheiten von Touren, die Hamm noch bis vor wenigen Jahren unternommen hat. Doch man kann fast nicht nur von "seinen Touren" sprechen. Denn Hamm war nie allein. Immer dabei: Ehefrau Luise. Ihr Leben lang, haben beide jeden Urlaub genutzt, um in die Berge zu fahren und ihre gemeinsame Leidenschaft für das Tourengehen zu leben.
Manchmal mit der ganzen Familie Manche Touren waren etwas für die ganze Familie: Wenn sie Lust hatten, durften da auch Kinder und Enkelkinder der Hamms mitkommen. Andere Touren, vor allem ins Hochgebirge, waren aufwendiger und schwieriger und daher nur den Eltern vorbehalten. Dass solche Touren manchmal auch sehr entbehrungsreich sein können, das haben Hamm und seine Frau nie so empfunden. Das Wandern und Klettern und im Winter das Langlaufen war ihr Leben.
Hamm erinnert sich an diese Zeiten mit seiner verstorbenen Frau gerne zurück. "Es ist unschätzbar wertvoll, dass meine Frau Liesel immer an meiner Seite war. Ohne sie wären viele Touren gar nicht möglich gewesen", betont Hamm. Und das ist tatsächlich keine Übertreibung. Vor allem seitdem sich sein angeborenes Augenleiden vor rund 20 Jahren verschlimmerte, war Luise Hamm so etwas wie das sehende Auge ihres Mannes. "Sie hat mich untergehakt und gestützt, sie war das aktive Element", erinnert sich Hamm und Enkeltochter Johanna ergänzt: "Meine Großmutter hat alles ganz achtsam verfolgt, meinen Großvater geführt, ihm den Weg, das Gelände und die Umgebung beschrieben. Sie war unendlich geduldig und sehr mutig." Reiner Hamm nickt dazu. "Diese starken Bilder im Kopf, verbunden mit den Schilderungen meiner Großmutter, haben ihm wahnsinnig geholfen", ist sich die Enkeltochter sicher.
Mit sich selbst im Reinen Heute geben ihm seine Erinnerungen, aber auch der Austausch mit seiner Familie Zufriedenheit. Auch auf die baldige Geburt eines weiteren Urenkels freut sich Hamm. Vielleicht ist auch das eine Sache, die man am Berg lernt: Mit sich selbst im Reinen zu sein und glücklich das zu genießen, was man hat.