Viktor Bleibtreu verzückt Stadtsteinach mit (ur-)alten Liedern

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Im gestreiften Badeeinteiler sang Viktor Bleibtreu "Pack die Badehose ein". Foto: Klaus Klaschka
Im gestreiften Badeeinteiler sang Viktor Bleibtreu "Pack die Badehose ein". Foto: Klaus Klaschka
Hier steppt Viktor Bleibtreu im formal korrekten Frack mit Fliege undroter Nelke im Knopfloch. Foto: Klaus Klaschka
Hier steppt Viktor Bleibtreu  im formal korrekten Frack mit Fliege undroter Nelke im Knopfloch. Foto: Klaus Klaschka
 

Er steppt im Frack mit roter Nelke und trällert im gestreiften Badeeinteiler: Viktor Bleibtreu gastierte zum zweiten Mal in Stadtsteinach.

Vor 17 Jahren war Bleibtreu erstmals "drüben im alten Rathaus" aufgetreten, woran Wolfgang Martin eingangs erinnerte - nun stand er als Gast des Frankenwaldtheater in der alten Schule auf der Bühne.


Im schwarzen Mieder


Antiquitäten sind mittlerweile die Lieder und Couplets, die Viktor vorträgt. Die Stücke aus den 20er und 30er Jahren sind inzwischen ein Jahrhundert alt. Antik ist seine Show aber beileibe nicht. Schrilles, wie zum Beispiel Lieder der Zarah Leander im schwarzen Mieder zu singen, wäre damals unmöglich gewesen. Heute ist dergleichen für eine abwechslungsreiche Show fast schon notwendig.

Viktor Bleibtreu ist im wahren Leben Jürgen Treppner und mit kulturellen Dingen der Stadt Kulmbach befasst. Die Bühnenfigur Viktor sein künstlerisches Ventil, denn Kunst und Verwaltung haben oft ein gespanntes Verhältnis. Ihm zur Seite steht und sitzt am Klavier Vladimir Plakidin. Vladimir ist auch im wahren Leben tatsächlich Vladimir. Und er ist tatsächlich Russe; Konzertpianist und - wie er zugibt - eigentlich auf Rachmaninow fixiert, von dem er den Anfang des 2. Klavierkonzerts anspielt, bis das Orchester einsetzen würde, so dass er seinen Ausflug in die große Musik mangels Orchester abrupt beenden muss.


Bühnenjubliäum steht bevor


Nichtsdestotrotz ist Vladimir auch ein zuverlässiger Begleiter von leichter Musik. Und das schon seit Jahren. Demnächst feiert Jürgen Treppner mit ihm Bühnenjubiläum: Seit 20 Jahren stehen Viktor Bleibtreu und Vladimir Plakidin auf der Bühne. Aber trockene Routine ist noch nicht eingekehrt.

Inzwischen stehen auch die lockeren Schlager der 50er und 60er Jahre auf dem Programm. "Pack die Badehose ein" zum Beispiel, das seinerzeit die junge Conny Froboess trällerte, bevor sie zur ernsthaften Theaterschauspielerin mutierte.


Mal schnippisch, mal sogar unverschämt


Ins ernsthafte Fach hat sich Viktor Bleibtreu allerdings nie begeben. Er bleibt den Liedern der Zwangiger treu und hat in seinem aktuellen Programm "das Beste" (so der Titel der Show) zusammengefasst. Und die gibt er auch ganz stilgerecht zum Besten: Ein wenig distanziert mit einer Spur Arroganz, nach außen nobel, obwohl die Liedtexte oft schnippisch, manchmal sogar
unverschämt sind wie das über das Nachtgespenst, als das sich schließlich die eigene Ehefrau herausstellt.

Aber Viktor überrascht auch, wenn er Zarah Leander imitiert, sich dabei vom Publikum abwendet, sich des Fracks entledigt und schließlich im schwarzen Spitzenmieder auf der Bühne steht. Zu Zarahs Zeiten wäre das unmöglich gewesen. Heute ist ein solcher optischer Kunstgriff allerdings notwendig,
um deutlich zu machen, was in den 20er Jahren mit solchen Liedtexten damals noch dezent angedeutet wurde: Die Loslösung von der alten autoritären Kaiserzeit mit ihren festgelegten Rollen und Verhaltensweisen; man bleibt nach außen zwar distanziert vornehm, deutet aber an, welche Wirklichkeit eigentlich unter dieser formalen Maske steckt.

Entdeckt hat Bleibtreu auch einen "neuen Zwanzger": Den Berliner Thomas Pigor. Von ihm rezitiert er ein Chanson, das vor hundert Jahren entstanden sein könnte: "Müdigkeit (ist der größte Feind der Zärtlichkeit. Ich würd so gerne zärtlich mit dir sein, doch schlaf ich immer dabei ein ...)" Und
Bleibtreu trällert auch leppische Schlager aus den 50 er Jahren, in denen es nur um Banales geht - wie eben "Pack die Badehose ein" im gestreiften Badeeinteiler - oder um Zynisches, wie das angstvoll-schüchterne "Ich brech die Herzen der stolzesten Frau‘n", mit der einst Heinz Rühmann vor allem die mitleidige Species der Weiblichkeit für sich vereinnahmte.

Nach Bleibtreus und Plakidins heiterem Chancon-Abend geht ein äußerst vergnügtes Publikum beschwingt nach Hause, vielleicht noch mit dem einen oder anderen Ohrwurm aus vergangener Zeit auf den Lippen.