Stinkender Ziegenbock: "Massive Bedrohungen" im Nachbarschaftsstreit in Oberfranken

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Muss der Nachbar Ziegengeruch an der Grundstücksgrenze tolerieren? Eine Frage, die das Landratsamt zu klären hat. Wie es mit der geplanten Käserei von Astrid Gerstacker-Brunne und Kathrin Küfner in Pechgraben weitergeht? Ausgang offen. Der Gemeinderat hatte das Einvernehmen zum Bauvorhaben erteilt. Foto: Archiv/Adam
Muss der Nachbar Ziegengeruch an der Grundstücksgrenze tolerieren? Eine Frage, die das Landratsamt zu klären hat. Wie es mit der geplanten Käserei von Astrid Gerstacker-Brunne und Kathrin Küfner in Pechgraben weitergeht? Ausgang offen. Der Gemeinderat hatte das Einvernehmen zum Bauvorhaben erteilt. Foto: Archiv/Adam

Im Ziegenstreit von Pechgraben sind die Fronten zwischen den Nachbarparteien verhärtet. Das Landratsamt prüft - und setzt auf den Austausch.

Anonyme Briefe, mit Bibelstellen zum Thema Gewalt "gewürzt": Silvia Eichner redet von einer neuen Qualität der Anfeindungen gegen sie. Die Landschaftsarchitektin, die im sogenannten Ziegenstreit von Pechgraben mit ihren Nachbarinnen Kathrin Küfner und Landwirtin Astrid Gerstacker-Brunne im Clinch liegt, spricht mit bebender Stimme von "massiven Drohungen", wie sie es nennt. "Mir wurde nahegelegt, ich soll meinen Mann und meinen Krempel einpacken und abhauen. Und das ist noch der harmlose Teil, vieles andere ist nicht zitierfähig."

Die ehemalige CSU-Gemeinderätin habe die Schriftstücke der Polizei vorgelegt und Anzeige gegen unbekannt erstattet. "Ich weiß nicht, ob es was bringt. Aber ich wollte, dass der Vorgang aktenkundig wird. Man weiß ja nie, was noch kommt. Wir fühlen uns nicht mehr sicher auf unserem Anwesen."

Seit 15 Jahren betreibt Silvia Eichner ihre Firma für Landschaftsarchitektur und -planung in Pechgraben, seit 30 Jahren lebt sie im Ort. "Ich habe mich ehrenamtlich im Gartenbauverein engagiert, meine Ideen, Arbeitsleistung, Materialien und Maschinen zur Verfügung gestellt. Und jetzt? Menschen, mit denen ich über Jahrzehnte bestens ausgekommen bin, zerreißen sich das Maul über mich. Dabei habe ich diesen Streit nie in die Öffentlichkeit getragen - aber wir sind die Leidtragenden, weil der Dreck kübelweise über uns ausgeschüttet wird und Lügen verbreitet werden."

Der Bock und die Gärtnerin

Dieser Streit beginnt, als das Ehepaar Küfner sowie Landwirtin Astrid Gerstacker-Brunne auf dem Nachbargrundstück eine Ziegenzucht aufziehen wollen. Mitsamt Bock, der Nachzucht wegen. Aber nicht nur das: Es soll eine Käserei entstehen mit Dorfladen, in dem der selbst produzierte Ziegenkäse verkauft wird. Silvia Eichner betont: "Ich habe nichts gegen die Ziegenhaltung, ich habe ja selber welche. Aber der Geruch des Bocks unmittelbar zu meinem Haus und der Firma ist unerträglich und geschäftsschädigend. Und was besagte Landwirtschaft angeht: Da haben meine Nachbarn schlicht Tatsachen ohne jedwede rechtliche Grundlage geschaffen. Dazu braucht es aber auch emissionschutzrechtlicher Genehmigungen. Ja, wir haben das eingefordert, haben sogar eigene Vorschläge gemacht - all das wurde von der Gegenseite in den Wind geschlagen." Mittlerweile beschäftigt sich eine Bayreuther Anwaltskanzlei mit der Causa.

So weit hätte es nicht kommen müssen. "Warum halten die Nachbarn die Ziegen samt Bock nicht einfach weiter weg von der Wohnbebauung?", fragt Silvia Eichner. Es stünden vier Hektar Land zur Verfügung. "Muss man uns da so auf die Pelle rücken?" Zur Erklärung: Die Scheunen beider Grundstücke stoßen direkt aneinander. Kathrin Küfner hat auf ihrer Seite die Ziegen untergebracht, dahinter steht den Tieren ein Auslauf zur Verfügung. Draußen trennt ein Zaun die Ziegen hüben wie drüben.

Aber wie viele Ziegen sind es? Und vor allem: Wie viele Böcke? "Es bleibt ja nicht bei einem", sagt Silvia Eichner und rechnet vor: "Bei den aktuell knapp 50 weiblichen Ziegen bekommt jede im Schnitt bis zu drei Junge pro Jahr, also reden wir von über 150 Tieren - darunter sind, rein hypothetisch, 50 Böcke. Dabei ist der eine schon unerträglich." Silvia Eichner spielt auf die olfaktorische Belästigung an. Hier wiege ein Ziegenbock besonders schwer und übertreffe laut Normtabelle die Geruchsbelästigung durch Schweine um das Fünffache. "Wir konnten im vergangenen Sommer keine Fenster aufmachen, keine Wäsche raushängen. Und das Schlimmste: Unser Garten am und hinter dem Haus ist unsere Geschäftsgrundlage, sozusagen unsere Ausstellungsfläche, auf der wir uns präsentieren. Aber wie soll ich Kunden eine Musterpflanzung mit Duftpflanzen vorführen, wenn es penetrant nur nach Bock stinkt? Das ist so, als hätte man ein Restaurant, aber der Duft der Speisen würde von den Gerüchen aus der angrenzenden Toilette überlagert. Das ist absolut geschäftsschädigend und ruinös. Und die Gemeinde stellt sich taub. Ich frage mich, ob wir als Firma in Pechgraben und der Gemeinde mit unserem Betrieb überhaupt noch erwünscht sind?"

Es wird geprüft

Wie aber geht es weiter im Ziegenstreit, der in Dorfkreisen längst zum Zickenstreit umgemünzt worden ist und den gestern Abend sogar die BR-Fernsehsendung "Quer" aufgriff? "Ich gehe davon aus, dass die Sachlage beim Landratsamt aktuell noch geprüft wird. Einen anderen Kenntnisstand habe ich schlicht nicht", bekundet Kathrin Küfner auf Nachfrage. Sie hofft darauf, dass ihrer Zukunft als potenzielle Direktvermarkterin nicht länger Steine in den Weg gelegt werden. Aber ob die Sache damit erledigt ist?

"Ich wüsste gerne, was Frau Eichner wirklich stört: Ist es nur der eine Bock - oder doch die gesamte Ziegenhaltung?" Ein Vorschlag, den die Firmeninhaberin ihr gemacht habe, sei für Kathrin Küfner nicht praktikabel. "Wir haben das nicht per se einfach abgelehnt - unsere Betriebswege sind nicht dafür geeignet. Ein Beispiel: Sie wollte, dass wir unsere gesamte Herde auslagern und dafür weiter entfernt auf dem Grundstück einen Unterstand bauen. Das reicht aber nicht, denn unsere Ziegen sind nicht einfach nur zur Landschaftspflege da, sondern werden intensiv gehalten zur Milcherzeugung, dafür brauchen sie eine feste Behausung. Natürlich könnten wir unsere Ziegen auch am Feldrand halten - aber sollen wir dann zweimal pro Tag für uns unnötig weite Wege zu unseren Tiere rausfahren?"

Nicht gelten lässt die Ziegenhalterin auch Eichners Berechnung, wonach die Anzahl der Böcke auf Sicht sprunghaft ansteige. "Aus tierschutzrechtlichen Gründen dürfen wir 40 Mutterziegen plus Nachzucht halten. Natürlich sind darunter auch Böckchen. Aber: Die werden nach drei Monaten geschlachtet - zu dem Zeitpunkt sind sie noch gar nicht geschlechtsreif und können somit den besonderen Geruch nicht entwickeln. Wir haben de facto einen geschlechtsreifen Bock. Alles andere sind Fake-News."

Was in all der Diskussion untergehe, sei ein Vorschlag, den Kathrin Küfner ihrerseits unterbreitet habe. "Im August haben wir den Bock 50 Meter vom Wohnhaus der Eichners entfernt dauerhaft eingezäunt. Die Sachverständige des Landwirtschaftsamts hat bestätigt, dass so kein unzumutbarer Geruch wahrnehmbar ist. Auch das Umweltamt hat die Emissionen geprüft - ohne Einwände."

Küfners hatten gehofft, damit die Grundlage für weitere Gespräche zu schaffen. "Die Hoffnung mussten wir leider begraben." Nun ist ein Runder Tisch vonseiten des Landratsamts anberaumt (siehe unten). Wann der stattfindet? Schulterzucken. Ein fixer Termin konnte noch nicht gefunden werden.

Aus Sicht von Silvia Eichner sei dazu festzustellen: "Alle bisherigen Termine wurden von Küfners abgesagt, nicht von uns." Und was die Überprüfung der Emissionen angeht, stellt sie sich die Frage: "Warum ist seit Bauantragstellung der Bock nicht mehr auf dem Grundstück?"

Das sagt die Behörde

Das Landratsamt Kulmbach prüft derzeit nach Auskunft der Pressestelle die baurechtliche Zulässigkeit der Ziegenhaltung samt Einrichtung einer Käserei sowie eines Dorfladens in Pechgraben. Maßgeblich hierfür sei, ob sich die geplante Nutzung nach Art und Ausmaß in die nähere Umgebung um das Baugrundstück einfügt. "Da es für den Bereich der beabsichtigten Ziegenhaltung keinen Bebauungsplan gibt, kommt es darauf an, welche Art von Gebiet der jetzige Baubestand darstellt. Das Landratsamt hat sich bei dieser Prüfung an der tatsächlich vorhandenen Bebauung bzw. ausgeübten Nutzungen zu orientieren." Die Behörde habe sich also mit der Frage zu befassen, ob es sich bei dem bestehenden Gebiet um ein Dorfgebiet, ein Mischgebiet oder eine sonstige "Gemengelage" handelt. Das Prüfverfahren laufe noch.

Das Landratsamt nehme keine Umplanung von Pechgraben vor und treffe keinerlei eigene planerische Entscheidung. "Die zukünftige städtebauliche Entwicklung von Pechgraben kann alleine die Gemeinde Neudrossenfeld im Rahmen ihrer Planungshoheit steuern. Nur sie hat die Möglichkeit, über eine Bauleitplanung zu beeinflussen, welchen Charakter Pechgraben haben soll."

Der Bauantrag sei erst auf Betreiben des Landratsamts gestellt worden. Dies deshalb, da es sich bei dem Vorhaben um eine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung handele. Auch wenn die betreffende Scheune früher schon zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wurde, so wurden darin nie Tiere, und vor allem nie Ziegen gehalten.red

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