Die Schützenvereine kämpfen um ihren Ruf - wieder einmal. Jüngster Anlass ist der Fall "Janina", als ein Sportschütze an Silvester in Unterfranken um sich geschossen hat und eine Elfjährige tödlich getroffen hat. Doch wie hoch sind die Hürden auf dem Weg zum Waffenbesitz? Wir haben bei der SG Ziegelhütten nachgefragt.
Der Fall "Janina" hat wieder einmal die Sportschützen ins Zwielicht gerückt. Wie immer, wenn einer von ihnen seine Waffe missbraucht. Reflexartig werden dann Rufe nach einem generellen Waffenverbot laut. "Das ist schade, denn die Schützenvereine schauen sich eigentlich genau an, wen sie aufnehmen und somit den Besitz einer Waffe ermöglichen", sagt Ronald Meisel von der SG Kulmbach-Ziegelhütten. Gegen schwarze Schafe sei aber niemand gefeit.
Wer denke, dass es ganz einfach sei, als Sportschütze an eine Waffe zu kommen, der irre. "Wir haben in Deutschland international mit das strengste Waffengesetz", sagt Marco Oettinghaus (Bild oben), Schützenmeister der SG Kulmbach-Ziegelhütten, die um jedes Mitglied kämpft. Schließlich muss der Verein seine große Schießanlage unterhalten. Schießen hat zwar große Tradition, liegt aber bei der Jugend längst nicht mehr so im Trend.
Da bezeichnet es Ronald Meisel schon als "Riesenerfolg", wenn beim Tag der offenen Tür zwölf Neulinge "hängen bleiben." Vor allem am Schießen mit Pfeil und Bogen waren die Besucher interessiert. "Der Bogen ist eine der wenigen Sportwaffen, die man ohne Schein schießen darf", ergänzt SG-Schützenmeister Marco Oettinghaus. Und sie ist zweifellos die Schießdisziplin mit den größten Zuwachsraten.
Doch auch "richtige" Luftdruck-Waffen durften die Gäste beim Tag der offenen Tür ausprobieren. Natürlich nur unter Aufsicht - "wir legen großen Wert auf Sicherheit", sagt Marco Oettinghaus.
Erst einmal ein Jahr Training
Wer Sportschütze werden will, sollte nicht nur Konzentrationsfähigkeit und ein gutes Zielvermögen mitbringen, sondern zuallererst einmal Geduld. Denn bevor jemand überhaupt an einem Wettkampf teilnehmen kann, muss er sich erst einmal ein Jahr lang im regelmäßigen Training beweisen (siehe auch Info "Sechs Schritte zum Sportschützen").
Wer es schließlich geschafft hat, vom Landratsamt eine Waffenbesitzkarte ausgestellt zu bekommen, muss strenge Sicherheitsauflagen einhalten. Oettinghaus erläutert: "Die Sportschützen müssen zu Hause ihre Waffen getrennt von der Munition in einem Safe aufbewahren und dürfen sie nicht in der Öffentlichkeit tragen." Sportschützen dürfen mit ihren Waffen nur auf dem kürzesten Weg zum Wettkampf reisen und diese nur verschlossen im Kofferraum transportieren.
Marco Oettinghaus glaubt nicht, dass Deutschland ein strengeres Waffenrecht braucht: "In Großbritannien ist nach dem Totalverbot von Waffen 1997 mehr passiert als vorher." Ronald Meisel ist froh, dass in Deutschland nicht jeder wie in den USA so einfach an eine Waffe kommt, sagt aber auch: "Ich verstehe die Leute in den ländlichen Gegenden der USA, die sich mit einer Waffen schützen wollen.
Wenn man Sportschütze werden will, braucht man nicht unbedingt eine eigene Waffe, sondern kann zum Beispiel auch mit vereinseigenen Waffen der SG Ziegelhütten schießen.
Eine Waffenbesitzkarte ist auch nicht auf Lebenszeit vergeben. "Du musst mit jeder Waffe mindestens ein Mal im Monat oder 18 Mal im Jahr schießen", erklärt Ronald Meisel. "Wenn also einer eine Waffe hat und nicht mehr zum Verein zum Schießen kommt, kann er die Berechtigung wieder verlieren, weil er dann ja kein Bedürfnis mehr zum Schießen hat."
Keine Probleme
Alle drei Jahre prüfen die Landratsämter die Inhaber einer Waffenbesitzkarte aufs Neue auf ihre Zuverlässigkeit. Zudem müssen die Schützen mit unangemeldeten Kontrollen rechnen. "Wer seine Waffe nicht sicher aufbewahrt, verliert seine waffenrechtliche Erlaubnis", sagt Michael Thebus vom Landratsamt Kulmbach.
Probleme mit Sportschützen gibt es eigentlich nicht. "Bislang haben alle Sportschützen, die ihre Karriere beendet haben, freiwillig ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse zurückgegeben und ihre Waffen und Munition Berechtigten überlassen."
Erfolgreicher Späteinsteiger
Alfred Deß ist ein spätberufener Schütze. Erst vor zwei Jahren, mit 68 Jahren, kam der Kulmbacher zum Schießen. "Ich bin über einen Zeitungsbericht auf das Bogenschießen bei der SG Ziegelhütten aufmerksam geworden", erzählt Deß. Und ist nach dem Schnuppertraining geblieben. Auch seine Frau schießt und ist wie er mittlerweile voll ins Vereinsleben eingebunden. "Wenn man in einem Verein ist, musst man auch an dessen Leben teilnehmen", sagt Alfred Deß voller Überzeugung.
Dass er schon immer Sport getrieben hat, sieht man ihm an: "Früher habe ich Tennis gespielt und bin Ski gefahren. Jetzt, wo die Kondition nicht mehr so da ist, habe ich mich eben aufs Schießen verlegt", erzählt der 70-Jährige, der aber durchaus Parallelen zwischen Skifahren und Schießen sieht: "Man muss Gleichgewicht halten und man braucht Selbstbeherrschung.
Und er ist durchaus ehrgeizig. Nach seinem einjährigen Trainingsjahr hat er sich gleich für Wettkämpfe gemeldet - auf Anhieb mit Erfolg. So ist Alfred Deß bereits Bezirksmeister im Bogenschießen und besiegte dabei sogar seinen Lehrmeister Gerhard Neugebauer.
Inzwischen schießt Alfred Deß auch mit der Luftpistole und dem Luftgewehr für die Mannschaften der SG Ziegelhütten, der Bogen bleibt aber sein Lieblings-Sportgerät. Was ihn am Schießen so reizt? "Das Interessante ist, beim Bogen ins Gold und beim Schießen ins Schwarze zu treffen."
Wer mehr über die SG Kulmbach-Ziegelhütten erfahren will, kann sich im Internet unter
www.sgz-kulmbach.deinformieren.
cs
Sechs Schritte
zum Sportschützen
Wer in Deutschland an eine Waffe kommen will, muss über 18 Jahre alt sein und ein "Bedürfnis" vorweisen, zum Beispiel auf die Jagd gehen oder Sportschießen betreiben. Die sechs wichtigsten Schritte bis zum Besitz einer Schusswaffe.
Schritt 1: Vereinseintritt
Jeder, der in Bayern Sportschütze werden will, muss zunächst einmal Mitglied bei einem Verein sein, der einem anerkannten Schießsportverband, zum Beispiel dem Bayerischen Sportschützenbund (BSSB), angehört. Die SG Ziegelhütten verlangt für die Aufnahme ein kleines - natürlich sauberes - polizeiliches Führungszeugnis, die Fürsprache von zwei Mitgliedern und die Zustimmung des Ausschusses. "Wenn einer einen schlechten Leumund hat, hat er bei uns keine Chance", sagt Oettinghaus. Rechtsradikale sowieso nicht.
Schritt 2: Ein Jahr Training
Ist man im Verein aufgenommen, darf man noch lange nicht bei Wettkämpfen schießen. "Zunächst müssen alle neuen Mitglieder ein Jahr lang jeden Monat einmal zum Training kommen. Oder sie schießen 18 Mal unregelmäßig", erklärt Oettinghaus. Alles wird in je einem Schießbuch eingetragen, das für die Vereine verpflichtend ist.
Schritt 3: Lehrgang
Bedingung für den Erwerb einer Waffe ist ein Sachkundelehrgang. Die Waffenkunde-Schulung endet mit einer Prüfung.
Schritt 4: Antrag beim BSSB
Danach bestätigt die SG Ziegelhütten dem BSSB, dass der Neuling "ein Bedürfnis" hat, regelmäßig mit einer erlaubnispflichtigen Waffe Sport auszuüben.
Schritt 5: Landratsamt
Mit der Bestätigung des BSSB kann der angehende Schütze beim Landratsamt einen Vorantrag für eine Waffenbesitzkarte stellen. Dabei muss er angeben, mit welcher Waffe er schießen will. Das Landratsamt prüft die Zuverlässigkeit und persönliche Eignung durch eine Abfrage im Bundeszentralregister, im staatsanwaltlichen Verfahrensregister und bei der Polizei. Gibt es keine Bedenken gegen die Zuverlässigkeit und persönliche Eignung, erhält der angehende Sportschütze eine Waffenbesitzkarte mit dem entsprechenden Voreintrag, welche Waffe er erwerben darf. Im Rahmen der Antragstellung muss der Schütze vorweisen, dass er die Waffen vorschriftsmäßig bei sich zu Hause aufbewahren kann.
Schritt 6: Waffenkauf
Mit dem Voreintrag hat der Schütze ein Jahr Zeit, sich eine Waffe zu kaufen. Wenn er sie hat, muss er sie binnen 14 Tagen beim Landratsamt eintragen lassen.
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