Wie dopingverseucht ist die Leichtathletik? Trotz des Skandals glaubt Martin Ständner, der seit fast 30 Jahren junge Hammerwerfer trainiert, an das deutsche Kontrollsystem.
Geahnt hatte man es eigentlich schon immer, jetzt haben wir es schriftlich: Nicht nur der Profiradsport, sondern auch die Weltspitze der Leichtathletik ist dopingverseucht. Die Sprintstar Tyson Gay (USA), Asafa Powell (Jamaika) und mit ihm das halbe jamaikanische Sprintteam haben gedopt. Der Skandal erschüttert kurz vor der WM in Moskau die Leichtathletikwelt. Wir befragten den erfolgreichen Kulmbacher Leichtathletiktrainer Martin Ständner über seine Sicht der Dinge.
Herr Ständner, trauen Sie Wundersprinter Usain Bolt aus Jamaika noch, dass er sauber ist?Es fällt schwer, das zu glauben, nachdem seine Kollegen aus dem eigenen Land aufgeflogen sind und alle nach dem gleichen System trainieren und viel zusammen sind.
Steht jetzt die Leichtathletik unter Generalverdacht?So möchte ich es nicht sehen, aber es ist natürlich ein Schlag ins Kontor, weil es sehr
bekannte und erfolgreich Sportler sind, die bisher als Saubermänner galten. So etwas wirft immer einen Schatten auf die Leichtathletik. Im Weltverband spricht man von einem Riesendämpfer für die Sprinterszene.
Ist die Dopingproblematik vor Ort bei Ihnen ein Thema auf dem Trainingsplatz der Hammerwerfer in Stadtsteinach?Ja, natürlich. Mit unseren Jugendlichen bespreche ich regelmäßig solche Themen, um sie zu sensibilisieren. Denn Doping fängt nicht damit an, dass man irgendwelche verbotene Substanzen einnimmt, sondern schon eine Stufe vorher, wenn in gewissen Studios Mittelchen angeboten werden, angeblich harmlos zur Nahrungsergänzung. Und der nächste Schritt ist dann nicht weit.
Aufklärung ist bei Jugendlichen ganz wichtig.
Was sagen Sie Eltern, die ihre Kinder jetzt nicht mehr zur Leichtathletik schicken wollen?Man sollte bei den Kindern den Spaß am Sport in den Vordergrund stellen und sie ruhig zum Sport und auch zur Leichtathletik schicken. Diese Welt, in der sich die jamaikanischen Springer bewegen, ist Lichtjahre weg. Es ist ein weiter Weg, in die Verführung zu kommen, Doping zu nehmen. Gerade in Deutschland existiert ein ganz anderer Standard von Kontrollen und Mechanismen, die die Geschichte sehr eindämmen.
Ein Berliner Sportmediziner sagt, dass sieben Prozent der 16-jährigen Sportler Dopingmittel nehmen. Hat er recht?Das ist nicht neu, ich kenne diese Erhebung, die vor zwei oder drei Jahren veröffentlicht worden ist.
Da müsste man genauer dahin terschauen, ob die Leichtathletik oder allgemein der Sport gemeint ist oder Sportarten wie Bodybuilding und Kraftdreikampf. Aus meiner Erfahrung heraus ist so ein Wert in der Leichtathletik unwahrscheinlich.
Wie groß ist nach Ihrer Ansicht der Schaden für die Leichtathletik?Sicherlich ist der Schaden groß, aber spätestens nach der WM wird es neue Gesichter geben, neue Stars und neue Publikumslieblinge. Die Leichtathletik wird weiterleben, es wird kein dauerhafter Schaden sein.
Wie engagieren Sie sich in Ihrem Umfeld, in Ihrem Verein gegen Doping?Teil unserer Trainingslager sind regelmäßige Ernährungsseminare. Da stellt ein 17-jähriger Athlet auch schon mal Fragen. Und da ist man als Trainer in der Verantwortung, den Sinn und Unsinn von Nahrungsergänzungsmittel zu erklären.
Ich sage genau, wo die Grenze ist und wo es gefährlich wird. Doping hat bei uns auf dem Platz und in unserer Trainingsgruppe nichts zu suchen. Ich halte den Athleten im kleinen Kreis vor Augen, dass es schon Tote in Folge von Doping gegeben hat - auch im hiesigen Raum. Allerdings nicht in der Leichtathletik.
Zur Person Martin Ständner (57) aus Kulmbach ist seit fast 30 Jahren Leichtathletik-Trainer. Aus seiner Trainingsgruppe beim UAC Kulmbach in Stadtsteinach kommen immer wieder erfolgreiche Hammerwerfer, unter anderem Simone Mathes, die 2001 bei der Leichtathletik-WM in Edmonton startete. Ständner wurde als unter anderem bayerischer Jugendmeister.