Die Sache geht ihren Gang. Die Polizei vernimmt die Beteiligten, sichert an der Kleidung des Praktikanten DNA-Spuren, die freilich vorläufig nicht ausgewertet werden. Der Beschuldigte wird von seinem Arbeitgeber zunächst beurlaubt, später wird das Arbeitsverhältnis "in gegenseitigem Einverständnis"aufgelöst.
Auch der Praktikant ist seinen Job, der ihm eigentlich viel Freude gemacht hat, mit sofortiger Wirkung los. "Wir haben ihn zu seinem eigenen Schutz aus der Situation rausgenommen, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Arbeitgebers vor Gericht.
Das Gericht muss nun entscheiden, wem es Glauben schenkt: Dem Angeklagten? Oder dem Opfer?
Für den Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Jochen Kaller aus Bamberg, ist die Sache klar: Das war nichts, was seinen Mandanten belasten könnte. Den Zeugen hält er für unglaubwürdig, für einen Lügner. Das versucht er mit Vehemenz zu beweisen.
Die Biographie des Jugendlichen spielt Kaller bei seiner Strategie in die Hände: Aufgewachsen in desolaten Familienverhältnissen, lebt der junge Mann zeitweise in Pflegefamilien, zeitweise in einer Jugendhilfeeinrichtung. Früh wird bei ihm eine dissoziale Persönlichkeit diagnostiziert. Er hat Schwierigkeiten, sich an Normen und Regeln zu halten, reagiert oft aggressiv, nimmt es bisweilen mit der Wahrheit nicht so genau, ist bereits mehrfach straffällig geworden. Zur Gerichtsverhandlung in Kulmbach wird er aus einem Jugendgefängnis vorgeführt, mit Fußfesseln, begleitet von zwei Polizisten.
Immer wieder versucht Kaller, in der Vergangenheit des jungen Mannes Belege dafür zu finden, dass seine Aussage womöglich nicht der Wahrheit entspreche. Er veranlasst, dass die Szene, wie sie sich in Himmelkron zugetragen haben soll, im Original-Auto nachgestellt wird, das die Zeugen aus Bamberg mitgebracht haben. Er besteht darauf, einen Mitarbeiter des Jugendamtes zu hören. Der wird erst während der Verhandlung verständigt, setzt sich ins Auto, um nach Kulmbach zu fahren. Eine halbe Stunde später sagt man ihm, er könne wieder umkehren: Es hat sich nicht so ganz klären lassen, ob er überhaupt etwas sagen oder sich womöglich auf seine Schweigepflicht berufen kann.
Zwei wissenschaftliche Gutachten werden verlesen. Sowohl Gabriele Drexler-Meyer aus Nürnberg, eine Expertin für forensische Psychologie, als auch Helmut Niederhofer, ehemals Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth, referieren ausführlich. Übereinstimmend kommen sie zu dem Schluss, dass sie keine Zweifel haben an der "Aussagetüchtigkeit" des Opfers.
Staatsanwalt Julius Klug glaubt dem 17-Jährigen. Er hält den Übergriff für erwiesen. Das Gesetzt sieht für sexuelle Nötigung eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vor. Klug beantragt ein Jahr und vier Monate. Weil der Angeklagte bisher nicht straffällig in Erscheinung getreten ist, hält der Staatsanwalt eine Bewährungsstrafe für möglich - und 100 Stunden gemeinnützige Arbeit für sinnvoll.
Kritische Worte findet Rechtsanwalt Thomas Gärtner aus Bamberg als Vertreter der Nebenklage. "Wer ist hier eigentlich Opfer - und wer der Täter?" fragt er. "Über Stunden hinweg ging es nur um meinen Mandanten. Das hat bei mir einen unguten Eindruck hinterlassen." Auch Gärtner fordert eine Freiheitsstrafe, zusätzlich die Zahlung von 1500 Euro an das Opfer als Entschädigung.
Die Verhandlung ist gewissermaßen schon auf der Zielgeraden, als der Verteidiger noch einmal versucht, das Ruder zugunsten seines Mandanten herumzureißen: Sollte das Gericht seiner Forderung nach einem Freispruch nicht nachkommen, so Kaller, beantrage er hilfsweise die Auswertung der DNA-Spuren - und die Fortsetzung der Verhandlung dann, wenn die Ergebnisse vorliegen.
Diesen Antrag lehnt das Gericht ab: "Wegen Bedeutungslosigkeit", wie die Vorsitzende Richterin Nicole Allstadt sagt. Das Urteil: Ein Jahr und zwei Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt für drei Jahre zu Bewährung. Zusätzlich 180 Stunden gemeinnützige Arbeit, die der 29-Jährige, der seit dem Ende seiner Tätigkeit bei dem Bamberger Wohlfartsverband arbeitslos ist, innerhalb von drei Monaten ableisten muss. Ausführlich erläutert die Richterin, warum sie und die beiden Schöffen den Aussagen des jungen Zeugen Glauben geschenkt haben. Dafür gebe es etliche Anhaltspunkte. Das Gericht sei durchaus in der Lage gewesen, die Glaubwürdigkeit des 17-Jährigen einzuschätzen. "Wir hätten all die Gutachten dafür nicht gebraucht."
Warum wird eigentlich ein Urteil gefällt wenn es keine eindeutigen Beweise für ein schuldhaftes Verhalten gibt. Man gewinnt den Eindruck das das Vorurteil "schwulsein" immer noch reicht nicht normal behandelt zu werden. Ein bisher unbescholtener junger Mensch wird von einem kriminellen Jungendlichen für sein weiteres Leben in den personellen Bankrott gebracht.
Warum ein Wohlfahrtsverband solch einen auffälligen Kriminellen in einem Praktikum in einem sensiblen Aufgabenbereich beschäftigt bleibt für mich ein Rätsel. Eigentlich war ein Problem vorprogrammiert.