Selbst ein Unfall kann den Hilfskonvoi aus Marktschorgast nicht stoppen

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So hatten sich das Marc Benker und seine Begleiter nicht vorgestellt: Kurz vor Breslau fährt ein 40-Tonner in den Marktschorgaster Hilfskonvoi, bestehend aus vier Transportern plus Anhängern. Die geplante Weiterfahrt zum Übergabepunkt an der polnischen Grenze verschiebt sich um mehr als fünf Stunden.
So hatten sich das Marc Benker und seine Begleiter nicht vorgestellt: Kurz vor Breslau fährt ein 40-Tonner in den Marktschorgaster Hilfskonvoi, bestehend  aus vier Transportern plus Anhängern. Die geplante Weiterfahrt zum Übergabepunkt an der polnischen Grenze verschiebt sich um mehr als fünf Stunden.
Marc Benker
Auf einem Rastplatz stellte sich die Gruppe um Marc Benker noch gut gelaunt zum Erinnerungsfoto - kurz darauf wurden die Fahrzeuge in einen Unfall verwickelt.
Auf einem Rastplatz stellte sich die Gruppe um Marc Benker noch gut gelaunt zum Erinnerungsfoto - kurz darauf wurden die Fahrzeuge in einen Unfall verwickelt.
Benker
Der Schaden an einem der Sprinter und dem Anhänger ist beträchtlich.
Der Schaden an einem der Sprinter und dem Anhänger ist beträchtlich.
Benker

Mit vier Transportern und zwei Anhängern haben sich Marktschorgasts Bürgermeister Marc Benker und sieben Begleiter am Freitag auf nach Polen gemacht. An Bord: Hilfsgüter für die Ukraine.

Um 4.22 Uhr rollt Freitagmorgen ein besonderer Konvoi in Marktschorgast los - voller Güter im Laderaum, voller Euphorie in den Fahrerkabinen. Es gibt Lichthupen zum Abschied, ein "Servus" wird den acht Männern zugerufen. Immerhin liegen fast 1000 Kilometer Fahrstrecke vor Marc Benker und seinen Begleitern. Der Marktschorgaster Bürgermeister hatte vor ein paar Tagen zu einer Hilfsaktion für die kriegsgebeutelte Ukraine aufgerufen - und diesem Aufruf waren ganz viele Mitbürger gefolgt. "Es ist einfach nur großartig, was die Menschen in der Gemeinde beitragen", sagt er beim Verladen der Sachen beim Bauhof am Tag vor dem Aufbruch.

Aus dem ursprünglich vorgesehenen einen Fahrzeug - dem Gemeindebus - werden der Spendenmenge wegen vier Sprinter (einer von der Freiwilligen Feuerwehr Marktschorgast) plus Anhänger. Die Fahrt geht nach Polen; in Lublin sollen die Waren übergeben werden. "Wir haben alles dabei, was man sich vorstellen kann", meldet sich Initiator Marc Benker von unterwegs per Telefon. Insgesamt sind fünf Tonnen Güter an Bord der Fahrzeuge: Hygieneartikel, Kleidung, Spielsachen, haltbare Nahrungsmittel, Matratzen, Schlafsäcke und, und, und. "Uns haben Bürger noch Geldspenden übergeben, von denen wir kurzfristig in umliegenden Apotheken Medikamente gekauft haben, denn es fehlt in der Kriegsregion unter anderem an Schmerz- und Desinfektionsmitteln."

Die Tour der guten Hoffnung soll zu einem ungewöhnlichen Trip werden, zu einer besonderen humanitären Mission in schweren Zeiten. Es kommt zwischenzeitlich anders als gedacht - selbst ein Abbruch steht plötzlich im Raum.

5 Uhr: Auf den ersten Kilometern geht alles glatt. Der Transport kommt zügig voran. Auf der Autobahn überholen die Marktschorgaster sogar Militärgut: einen Armee-Truck mit Anhänger, den ein Sattelschlepper huckepack genommen hat.

8 Uhr: 370 Kilometer sind zurückgelegt. "Wir kommen gut durch und stehen kurz vor dem Grenzübertritt nach Polen", schreibt Marc Benker und schickt Selfies aus dem Führerhaus.

10.20 Uhr: Der nächste Halt an einem Rastplatz. Die Begleitcrew stellt sich zum Gruppenfoto vor die Fahrzeuge, ist guten Mutes.

10.40 Uhr: Etwa 30 Kilometer vor Breslau, auf polnischem Boden, dann der Schock: Wegen eines Rückstaus müssen die vier Fahrzeuge die Fahrt verlangsamen - da kracht von hinten ein Lastwagen ins Stauende und in den letzten der vier Transporter, schiebt diesen und den Hänger ineinander. An ein Weiterfahren ist erst einmal nicht zu denken. "Wir warten gerade auf die Polizei", schreibt ein frustrierter Marc Benker über WhatsApp. Immerhin kann er eine wichtige Zusatznachricht absetzen: "Es wurde zum Glück niemand verletzt." Die Bilanz des Unfalls ist gottlob nur Blechschaden: zwei kaputte Anhänger und ein nicht mehr fahrbereiter Sprinter, um die sich ein Abschleppunternehmen kümmert.

11 Uhr: Auf den Bildern, die Benker weiterleitet, ist das Ausmaß des Schadens zu sehen: Durch die Wucht des Aufpralls hat sich eine Anhängerkupplung ins Heck des Zugfahrzeugs gebohrt. Die Hecktür ist deformiert, ein Fenster geborsten. Die Front des Sprinters ist beim Aufprall auf den vorausfahrenden Hänger eingedellt worden. Mit vereinten Kräften zimmern die Marktschorgaster aus zwei defekten Anhängern einen fahrbereiten. "Wir haben die noch intakte Beleuchtungseinheit des einen auf den anderen umgerüstet, dessen Kupplung heil geblieben ist, so dass wir weiterfahren können." Einen Anhänger und einen Transporter müssen sie trotzdem zurücklassen. "Den Hänger nehmen wir auf dem Rückweg wieder mit. Die darin verstauten Sachen geben wir bei einer Sammelstelle für Hilfsgüter ab." Die Fahrer werden auf die drei anderen Transporter aufgeteilt.

15.20 Uhr: Mit fast fünf Stunden Verspätung steuert der Konvoi sein Ziel in Lublin an. "Es wird jetzt wohl mitten in der Nacht werden, bis wir an unserem Bestimmungsort ankommen", funkt Marc Benker durch. Und ergänzt trotz aller Malaise optimistisch: "Wir bekommen das hin, dass wir jetzt halbwegs problemlos durchkommen. Die gespendeten Sachen sollen ja schnellstmöglich bei den notleidenden Menschen in der Ukraine ankommen."

18 Uhr: Letzte Wasserstandsmeldung bei Redaktionsschluss: Der Hilfstransport ist kurz vor Lodz. "Breslau war ein Nadelöhr mit sehr viel Verkehr." Nun geht es weiter in Richtung Warschau. Gegen 22.30 Uhr wollen die Marktschorgaster in Lublin sein und dort ausladen. Noch in der Nacht treten sie nach kurzer Pause die Heimreise an.