Am 11. April 1965 spielte Richard Groß erstmals im Gottesdienst die Orgel in der Mangersreuther Kirche. Seitdem ist er immer wieder für Überraschungen gut. Und ans Aufhören denkt der 73-Jährige noch lange nicht.
Die Finger von Richard Groß streichen zielsicher über die Tasten der Mangersreuther Orgel. "Großer Gott, wir loben Dich" erklingt. Sein Lieblingslied. Das Stück hat er schon unzählige Male gespielt. Am 11. April ist es auf den Tag genau 50 Jahre her, dass er zum ersten Mal in einem Gottesdienst an dem Instrument saß und die Zusammenkunft der Gläubigen umrahmte.
An seinen ersten Einsatz kann sich der 73-Jährige noch gut erinnern. "Ja,ja. Das weiß ich noch genau, weil ich mich verspielt hab." Und zwar bei "Christus, der ist mein Leben", einem Konfirmationslied. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, weiterzumachen. Ein halbes Jahrhundert lang - und ans Aufhören denkt er noch lange nicht. "Ich will so lange spielen, bis es nicht mehr geht."
Amt mit 23 Jahren übernommen Aus gesundheitlichen Gründen hat sein Vorgänger die Segel gestrichen. "Das war Lehrer Lauterbach aus Weiher. Da hat der Pfarrer gesagt, ich soll spielen." Auch wenn er schon eine Weile nicht mehr Orgel gespielt hatte, Groß übernahm das Amt, damals 23 Jahre jung.
Und natürlich war er vor seinem ersten Auftritt aufgeregt. "Da zwickst du die Beine unter die Orgel, dass du nicht so zitterst." Lampenfieber hat er inzwischen keines mehr. Kein Wunder bei geschätzt 3000 Einsätzen in den vergangenen fünf Jahrzehnten. "Aber verspielen tu ich mich immer noch", gesteht er mit einem Schmunzeln ein. Inzwischen fange er sich da aber besser, da fällt ein Verspieler nicht mehr so auf. Nur eines mag er seit Beginn seiner Karriere nicht: die b-Erniedrigungen auf den Notenblättern. "Damit stehe ich immer noch auf dem Kriegsfuß."
Rund 60 Gottesdienste umrahmt Richard Groß mit seinem Spiel Jahr für Jahr. Dazu kommen 20 bis 30 Taufen, zehn Hochzeiten, 20 bis 30 Beerdigungen. Im Schnitt, so seine Schätzung, sind es 100 Einsätze jährlich.
Dass er auch während seiner beruflichen Laufbahn den Aufgaben in der Kirche nachkommen konnte, hat er dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass ihn seine Vorgesetzten im Landratsamt stets die Flexibilität boten, bei den verschiedenen Anlässen zu spielen. In der Behörde war der gelernte Schuster in den 17 Jahren vor seinem Ruhestand tätig - erst in der TVA und später in der Kfz-Zulassungsstelle. Zuvor hatte er in verschiedenen Schuhfabriken gearbeitet.
Natürlich kann der 73-Jährige viele Anekdoten aus seiner Organisten-Laufbahn zum Besten geben. Zum Beispiel die mit dem ehemaligen EKU-Direktor, der jeden Sonntag im Gottesdienst saß und ihm nicht glauben wollte, dass er zum Bierfest in der Kirche "Ana geht noch" spielen würde. Eine Einladung zum Frühschoppen im Stadl und zwei Päckchen mit Bier- und Essensmarken waren die Folge.
Dass er einmal für die Umrahmung einer Hochzeit zusammen mit Pfarrer Klaus Kuhrau den Generalschlüssel für die Plassenburg ausgehändigt bekam und bei einer Erkundungstour durch das Gemäuer den Alarm auslöste, wird er wohl ebenfalls nicht mehr vergessen.
Spontan Lieder angestimmt Die Tatsache, dass er bei Taufe eines Mädchens aus Leuchau hin und wieder das Lied "Die Madla vo Leuchaa" anstimmt, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Geplant sind solche Aktionen von ihm allerdings nicht. "Das mache ich spontan, wenn's passt", erklärt er. Genau wie er manchmal "Wie schön, dass du geboren bist" und "Happy birthday" spielt, wenn er weiß, dass ein Gläubiger Geburtstag hat.
Es war aber nicht immer nur lustig, stellt Richard Groß fest. So gab es auch schon Phasen, in denen er den Posten an den Nagel hängen wollte. "Es war unter einem der ersten Pfarrer, als ich meinen Orgelschlüssel abgeben wollte." Grund: "Weil der mich jeden Sonntag nach der Kirche zusammengestaucht hat. Ich war entweder zu laut oder zu leise oder zu schnell oder zu langsam."
Doch Groß hat durchgehalten. Wenn in ein paar Tagen nun Pfarrer Jürgen Rix als neuer Geistlicher in Mangersreuth in sein Amt eingeführt wird, ist das der zehnte Pfarrer, unter dem der 73-Jährige die Kirchenorgel spielen wird.
Für sein 50. Organisten-Jubiläum, das er am Sonntag um 9.30 Uhr im Gottesdienst feiert, hat er sich schon ein paar Lieder zurechtgelegt. Auf jeden Fall werden "Lobet den Herren" und "Wie groß ist des Allmächtigen Güte" darunter sein. Und natürlich darf sein Lieblingslied nicht fehlen: "Großer Gott, wir loben dich".