Schwung für die Chöre: Gib den Ton an!

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Christian Reitenspieß mit der Evangelischen Kantorei Kulmbach vor der Corona-Pandemie beim Adventssingen in der Petrikirche
Christian Reitenspieß mit der Evangelischen Kantorei Kulmbach vor der Corona-Pandemie beim Adventssingen in der Petrikirche
Foto: Archiv/Sonny Adam

Die Dekanatskantoren von Kulmbach und Thurnau ergreifen die Initiative: Damit musikalische Gruppen eine Zukunft haben, bilden sie neue Chorleiter aus.

Singen im Chor, vor Publikum auftreten, Gottesdiensten und Festen eine besondere Atmosphäre verleihen - für Hunderte musikbegeisterte Menschen ein schönes Hobby, eine lohnende Aufgabe. Doch die Chorlandschaft bröckelt. In den Gesangvereinen ebenso wie in den Kirchengemeinden. Hauptgrund: Überalterung, wenig Nachwuchs in den Reihen der Sänger. Doch nicht nur dort: Es fehlt auch an Menschen, die Chöre leiten können.

Ein Versuch

Da muss dringend etwas passieren. Darin sind sich Christian Reitenspieß und Ulrike Heubeck, die Dekanatskantoren für Kulmbach sowie Thurnau und Bayreuth-Bad Berneck einig. Deshalb starten sie einen Versuch und bieten allen Musikinteressierten, die sich vorstellen können, einen Chor, Posaunen- oder Kinderchor zu leiten, einen Einsteigerkurs an. Dort lernt man alles, was man braucht, um selbstbewusst und motivierend den Ton angeben zu können: Dirigiertechnik, Probengestaltung und -methodik, ein paar Grundlagen der allgemeinen Musiktheorie, chorische Stimmbildung, Bläsertechnik, Kinderchorleitung.

Dabei sind die Kantoren flexibel: "Inhaltliche Schwerpunkte richten wir gerne auf das Interesse der Kursteilnehmer aus", sagt Christian Reitenspieß. "Wenn jemand eine konkrete Idee hat, was er oder sie gerne anbieten möchte, können wir darauf eingehen." Mitmachen kann jeder, der Lust auf Chor- oder Ensemblearbeit hat, betont Ulrike Heubeck, zuständig für die Dekanate Thurnau und Bayreuth-Bad Berneck.

Die Situation der Chöre in den Dekanatsbezirken ist prekär. Schon vor Corona hatten viele Probleme, singfähige Besetzungen auf die Beine zu stellen, nach mehr als einem Jahr fast ohne Proben müssen sich etliche jetzt neu aufstellen und hoffen, dass möglichst viele der früheren Sänger wiederkommen.

"Ohne Chorleiter hören die Sänger auf"

Selbst im günstigsten Fall wird das Grundproblem bleiben: Kirchenchöre und Gesangvereine haben wenig junge Mitglieder, und bei manchen kommt noch erschwerend dazu, dass sie keinen Chorleiter mehr haben oder die derzeitigen Chorleiter niemanden an der Seite haben, der bereit und in der Lage ist, Vertretungen zu übernehmen und irgendwann die Nachfolge anzutreten.

Im Dekanat Thurau gibt es aktuell rund 20 Chöre und Gruppen, im Dekanat Kulmbach rund 45 - alle musikalischen Angebote zusammengerechnet. Die künftige Entwicklung steht und fehlt mit der Leitung: "Ohne Chorleiter hören die Sänger auf", sagt Ulrike Heubeck. Was braucht man, um ein guter Chorleiter zu sein? Da sind sich die beiden Kantoren spontan einig: "Selbst begeistert sein und die Begeisterung anderen vermitteln wollen!"

Erste Anmeldungen gibt es schon

Einige Kandidatinnen für den Kurs gibt es schon, und die bringen genau diese Begeisterungsfähigkeit mit. Gudrun Erlmann ist in Thurnau als Organistin tätig. Ulrike Heubeck leitet dort den Laurentius-Chor, ist aber noch für weitere Chöre zuständig, und so ist Gudrun Erlmann schon öfter als Vertretung eingesprungen. Vom Kurs erhofft sie sich mehr Hintergrundwissen und Übung und damit auch mehr Sicherheit und Routine für diese Aufgabe.

"Als Dekanats- und Pfarramtssekretärin konnte ich schon beobachten, dass altgediente Chorleiter keine Nachfolger fanden und die Chöre verwaisten oder aus anderen Gründen nicht fortgeführt werden konnten. Das ist sowohl für den betreffenden Chor als auch für das vielfältige Gemeindeleben sehr schade. Auch die Nachfrage nach einem Kinderchor konnte bisher nicht bedient werden." Sie freue sich schon sehr auf den Kurs, sagt die 53-Jährige: "Ich bin neugierig, werde es ausprobieren und sehen, was daraus wird."

Ohne Chor fehlt etwas

Den Kurs mitmachen möchte auch Pfarrerin Sigrun Wagner aus Rugendorf. Sie ist selbst von Kindheit an begeisterte Chorsängerin, unter anderem in der Kulmbacher Kantorei. In ihrer Gemeinde gibt es derzeit keinen Kirchenchor. "Das finde ich so schade. Es ist wunderschön, wenn Chöre im kirchlichen Festkreis singen."

Es gebe in der Kirchengemeinde Rugendorf durchaus Menschen, die singen können und wollen. "Ich werde es vielleicht zeitlich nicht schaffen, einen Chor zu leiten, aber ich möchte lernen, die Gemeinde anzuleiten."

Warum ein Kirchenchor so wichtig für eine Gemeinde ist? "Musik ist für die Verkündigung der christlichen Botschaft mindestens genauso wichtig wie das gesprochene Wort", davon ist die 45-Jährige überzeugt. "Es liegt mir am Herzen, dass alle singen. Ich finde es schlimm, dass viele Kinder nicht singen können. " Wo immer es gehe, streue sie deshalb bei ihrer Tätigkeit Lieder ein. "Im Kurs möchte ich lernen, mit Freude und Schwung Lust am Singen zu vermitteln. Außerdem macht Singen gute Laune, und das will ich mit ganz vielen Leuten teilen."

Auf Menschen mit diesem Temperament hoffen viele Chorleiter in den Dekanatsbezirken, die gerne mögliche Nachfolger an ihrer Seite sähen. Gertraud Schwägele leitet seit 1993 den Kirchenchor Burghaig. Das macht ihr viel Freude. "Aber ich kann das ja auch nicht ewig machen", sagt die 68-Jährige. "Ich möchte gerne irgendwann aufhören können - mit dem guten Gefühl, dass es weiter geht."

Gertraud Schwägele erinnert sich noch an ihren eigenen Start als Chorleiterin: "Es hat schon eine gewisse Überwindung gekostet, sich hinzustellen mit der Haltung: Alles hört auf mein Kommando! Ich habe überlegt: Wie muss ich mich geben, damit der Chor dann auch macht, was ich mir vorstelle?" Das nötige Wissen hat sich Gertraud Schwägele letztlich über Kurse angeeignet.

Hans Wölfel hat nach Jahrzehnten als Chorleiter seinen Chor in Berndorf abgegeben, bislang noch ohne Nachfolger. Der 78-Jährige würde sich freuen, wenn sich Menschen für den Kurs begeistern lassen. Am Anfang haben mich meine Chöre mehr geführt als ich sie", erinnert er sich. "Aber man wächst da rein, und es macht viel Freude."

Das Wichtigste im Überblick

Info-Veranstaltung Alles Wichtige über das Angebot erfahren Interessierte bei folgenden Terminen: am 11. Juni um 18 Uhr im Kantorat Kulmbach, Kirchplatz 4, am 19. Juni um 10 Uhr im "Lichtblick" Thurnau, Hutschdorfer Straße 2. Ein weiterer Termin findet am 15. Juni um 19 Uhr im Gemeindehaus "Hinter der Kirche" in Bayreuth-St. Georgen statt.

Anmeldung Für die Treffen ist eine Anmeldung bis jeweils spätestens einen Tag vor dem Termin erforderlich; für Kulmbach bei Christian Reitenspieß, Telefon 09221/83388,

kirchenmusik.kulmbach@elkb.de; für die anderen Treffen bei Ulrike Heubeck, Telefon 09273/5011730, ulrike.heubeck@elkb.de;

Kosten Der Chorleitungskurs mit voraussichtlich zwölf Kurseinheiten (Terminplanung nach Absprache) wird 120 Euro kosten. Die Teilnahme am Infoabend ist unverbindlich.