Entführung in Oberfranken: Gericht verurteilt Komplizen

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Im Kulmbacher Entführungsfall verkündete die Strafkammer des Landgerichts Bayreuth gestern das Urteil. Foto: Stephan Tiroch
Im Kulmbacher Entführungsfall verkündete die Strafkammer des Landgerichts Bayreuth gestern das Urteil. Foto: Stephan Tiroch

Die Entführer eines iranischen Landsmannes wurden zu Haftstrafen verurteilt. Warum sie trotzdem "relativ glimpflich" davonkamen, erklärt die Strafkammer.

Es war nach Ansicht des Landgerichts Bayreuth ein Schreckensszenario, das die vier Angeklagten damals durchgezogen hatten: Sie kreuzten vor einem Jahr mit einer schwarzen Limousine in Kulmbach auf und brachten einen iranischen Landsmann, der damals als Schleuser tätig war, in ihre Gewalt. Samstagabend - eine Entführung mitten in der Stadt. Für die Tat verhängte die Strafkammer am Mittwoch (30. Oktober 2019) Haftstrafen.

Prozess in Kulmbach: Haftstrafen für Entführung

Vorsitzender Richter Bernhard Heim sprach in der einstündigen Urteilsbegründung von einem "massiven strafbaren Verhalten", das nicht mit Freiheitsstrafen zur Bewährung geahndet werden könne. Deshalb wurde es nichts mit dem von den Angeklagten erhofften schnellen Weg in die Freiheit.

Die vier Iraner aus Köln und aus Braunschweig waren kurz nach der Tat festgenommen worden und sitzen seitdem in Untersuchungshaft.

Wegen schweren Raubs in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, versuchter Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung wurden der Fahrer des Wagens (33) und der Iraner aus Braunschweig (25) zu drei Jahren verurteilt. Der Bruder des Fahrers (34) und ein Pizzabäcker (29), der damals den Kontakt zu dem Schleuser in Kulmbach hergestellt hatte, kassierten drei Jahre und drei Monate. Den Zuschlag gab es für die gefährliche Körperverletzung, weil beide bei der Entführung auch ein Messer benutzt hatten.

Schleusergeld war futsch: Urteile im Kulmbacher Prozess

Nach Überzeugung der Strafkammer sollte ein Cousin der beiden Kölner Brüder von dem Kulmbacher nach Deutschland geschleust werden. Aber man kam nur bis Serbien - und die gezahlten 5000 Euro waren auch futsch. Das Geld wollten sich die Brüder zurückholen. Doch der Schleuser blockte alle Anrufe ab. Über den Pizzabäcker lernten sie den Iraner aus Braunschweig kennen, der auch 1000 Euro von dem Kulmbacher zu bekommen hatte und wusste, wo der Mann (36) wohnt.

Die vier Iraner fuhren am 27. Oktober 2018 nach Kulmbach. Der Abend, so das Ergebnis der Beweisaufnahme, lief folgendermaßen ab: Um 18.30 Uhr sahen die Männer den Schleuser, der in der Kronacher Straße auf dem Weg zum Real-Markt war. Kurz vor dem Bahnübergang fuhr der schwarze BWM auf den Gehsteig und schnitt dem Gesuchten den Weg ab. Er wehrte sich heftig, wurde aber von drei Mann in den Wagen gezerrt. Der Bruder des Fahrers half noch mit einem Stich in den Oberschenkel nach.

Dann ging es ab auf die Autobahn - Fahrtrichtung Köln. Weil der Mann weiterhin schrie und sich wehrte, versetzte ihm der Kraftsportler aus Braunschweig einen Schlag, ebenso der Pizzabäcker mit der stumpfen Seite seines Messers.

"Das Opfer ergab sich seinem Schicksal und war massiv eingeschüchtert", sagte Richter Heim.

Ohrfeige in Offenbach

Der Kulmbacher wurde durchsucht. Man nahm ihm den Geldbeutel mit 70 Euro, seine Schlüssel und sein Handy ab. Unterwegs wurde dann mehrfach telefoniert. Die Angeklagten verlangten von Bekannten des Entführten Geld. Der Mann werde umgebracht, wenn sie nicht bezahlen.

"Dann hat man wohl gemerkt, dass es so nichts wird", sagte der Vorsitzende Richter.

Mit dem Schleuser wurde vereinbart, dass er drei bis maximal sechs Wochen Zeit habe, das Geld aufzutreiben. Und nach dreieinhalb Stunden wurde der Mann in Offenbach freigelassen. Der Fahrer ohrfeigte ihn und drohte, dass er ihm beim nächsten Mal Löcher in die Beine schießen werde.

Der Sachverhalt stehe aufgrund der Geständnisse und der Angaben von Tatzeugen und des Opfers fest, erklärte Heim. Vom ursprünglich angeklagten erpresserischen Menschenraub, der mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren zu bestrafen ist, rückte das Gericht ab. Denn es liege keine Absicht vor, sich unrechtmäßig zu bereichern. Die Angeklagten hätten irrtümlich geglaubt, dass sie einen Rückzahlungsanspruch haben. Heim: "Es ging immer nur um ihr Geld."

Rabiate Vorgehensweise: Entführung in Kulmbach

Bei der Strafzumessung nahm das Gericht eine Gesamtwürdigung vor. Für die Angeklagten spreche, dass sie nicht oder nicht wesentlich vorbestraft sind, schon lange in Untersuchungshaft sitzen, Geständnisse ablegten und die körperlichen Verletzungen und die Beute nur gering waren.

Aber man habe es mit einer rabiaten Vorgehensweise zu tun. "Der Mann befand sich mehrere Stunden lang in einer hilflosen Lage. Das Opfer sollte Angst haben", erklärte der Vorsitzende. Erst durch den Täter-Opfer-Ausgleich - unter anderem wurden 6000 Euro Schmerzensgeld gezahlt - komme man zu einem minderschweren Fall und zu einer Strafrahmenverschiebung.

Der Richter meinte, die Angeklagten sollten das Urteil als Chance sehen, "relativ glimpflich rausgekommen zu sein". Denn man hätte etliche Gesichtspunkte des Verfahrens auch etwas anders interpretieren können und wäre beim erpresserischen Menschenraub angekommen. Es sei möglich, eine Überstellung in den Strafvollzug des Heimatbundeslandes zu beantragen.

Den Angeklagten werde die U-Haft angerechnet, und vom weiteren Verhalten im Gefängnis sei es abhängig, ob und wann eine vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung erfolgt.

Die Kölner Brüder nahmen das Urteil an. Auch die Staatsanwaltschaft wird nicht in Revision gehen. Die beiden anderen Angeklagten gaben keine Erklärung ab.