Rüdiger Baumann will eine Stadt bauen. So eine Art Stadt jedenfalls.
Der Theatermacher plant ein Projekt in der leer stehenden Spinnerei in Mainleus, für die gerade ein Sanierungs- und Nutzungskonzept erstellt wird. Bis es umgesetzt ist, stehen dort verschiedene Räume für eine vorübergehende Nutzung zur Verfügung.
"Spinnalto" nennt der Kulmbacher seine Idee von einer "Stadt", in der jeder, der das möchte, sich ausprobieren kann. "Dadurch kann man sich selbst und andere besser kennenlernen", ist er überzeugt. Weiß er doch, dass das beim Theaterspielen bei ihm auch funktioniert.
Die Szene, die er beschreibt, sieht so aus: In einem mit verschiedenen Möbeln und Gebrauchsgegenständen dekorierten Raum sind Akteure dabei zu dichten und zu singen, zu arbeiten und zu spielen. Die Gäste können sich in dem Raum frei bewegen und alles wahrnehmen oder auch mitmachen.
Sein Ziel: "Alle Handlungen, Vorkommnisse, Effekte wie Klänge, Bewegung, Objekte, Bilder, Licht, Video erscheinen in einem geplanten Zusammenspiel. Einzelne Ereignisse können so die maximale Aufmerksamkeit der Besucher auf sich lenken. Aus der Summe der Elemente wird ein Ganzes."
Robert Bosch (CSU), Bürgermeister von Mainleus, stellt für das "sehr schöne Künstlerprojekt" die Spinnereihalle gerne zur Verfügung, wie er betont. Das sei eine Zwischennutzung, wie sie von der Marktgemeinde auch gewollt sei. "Wir möchten Menschen aufs Gelände bringen und weitere Initiativen wecken", betont er.
Der Leiter des Beruflichen Schulzentrums, Alexander Battistella, findet die Idee reizvoll, den Lehrplan mit einem konkreten Projekt zu verbinden. Er sagt: "Die Schüler können sich fachlich entwickeln, aber auch Kompetenzen zeigen, auf die im Unterricht kein Augenmerk gelenkt werden kann. Hier können sie zum Beispiel als Poeten, Maler, Jongleure, Breakdancer, Musiker oder Fotografen Aufmerksamkeit wecken."
In "Spinnalto" stehen, hängen, bewegen sich Objekte und Bilder. Sie ergeben so etwas wie ein Stadtbild. Diese Erscheinungen können harmonisch, irritierend, witzig oder überraschend sein, wie Initiator Rüdiger Baumann sagt. "Sie können eine Botschaft haben, müssen aber nicht. Ihr Sinn liegt darin, dass sie gemacht werden. Menschen können dadurch ihr kreatives, planerisches oder handwerkliches Potenzial entdecken. Sie können alleine oder gemeinsam arbeiten und feststellen, wobei sie sich besser aufgehoben fühlen."
Wie aber will er "Regie" führen? - " Anfangs ist ein Herzschlag zu hören. Dieser entwickelt sich zu einer Klangfolge, einem Rhythmus und/oder einer Melodie, die zum Beispiel von einer Solistin, einer Band, einem Chor interpretiert wird. Diese Klangfolge mündet wieder in den gleichen Herzschlag, von dem aus sich die nächste Tonsequenz entwickelt."
Und weiter: "Während dieser Tonfolgen finden Veränderungen statt. Die Menschen agieren nach einem abgestimmten Plan. Das kann einmal zufällig wirken, einmal kann eine exakte Choreographie erkennbar sein. Den Besuchern können Möglichkeiten gegeben werden, sich zu beteiligen."
Was bisher noch recht theoretisch klingt, möchte Rüdiger Baumann konkret angehen. Wichtig dabei ist ihm jedoch ein minimaler Verbrauch von Ressourcen. Verwendet werden soll nur Material, das ausgeliehen und nach "Spinnalto" wieder zurückgegeben wird oder für "Spinnalto" angeschafft und danach weiter verwendet werden kann oder andere entsorgen wollen und was dann nach "Spinnalto" entsorgt oder weiter verwendet wird.
Wer also Möbel, Deko-Artikel oder Gebrauchsgegenstände hat, die er loswerden oder dem Projekt leihen will, kann sich an Rüdiger Baumann wenden. Der Markt Mainleus und der Landkreis haben ihre Unterstützung zugesagt, so dass der Ideengeber hoffen kann, recht bald genug Requisiten beieinander zu haben.
Zugleich sucht er Interessierte, die mit den Materialien arbeiten oder sich in einer anderen Weise beteiligen wollen. "Wir wollen keine Profis engagieren, die ihre Künste zeigen, sondern suchen ganz normale Menschen, die sich ausprobieren wollen", betont Baumann. "Respekt gegenüber jeder Idee und jedem Mitwirkenden ist dabei natürlich eine Grundvoraussetzung".
Eines seiner Beispiele: "Wenn eine Person durch eine Fußgängerzone einer Stadt geht, fällt sie kaum auf. Wenn sie im Sommer einen Schlitten hinter sich her zieht, dann schon. Um Aufmerksamkeit zu erregen, muss man nichts Besonderes können. Es genügt, unerwartet zu handeln oder zu erscheinen."
Der Initiator möchte, dass diese noch imaginäre Stadt am 23., 24. und 25. Juli jeweils für eine Stunde, etwa zwischen 18 und 19 Uhr, aufersteht. "In ,Spinnalto', gibt es nur ein paar wenige Rahmenbedingungen. Aber innerhalb derer haben wir große Freiheiten. Wie und wodurch die Besucher beeindruckt werden, bestimmen die Mitwirkenden", sagt Rüdiger Baumann, der freilich schon weiter denkt.
Der Event im Juli soll ein Test sein, wie und ob die Idee funktioniert. Ungeachtet dessen hat er sich damit schon gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt (Awo) für einen Zuschuss beworben. Beim Förderprogramm "Landkultur" des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung wurde das Projekt als grundsätzlich förderwürdig eingestuft.
"Wir dürfen also einen Antrag stellen, und der hat gute Aussicht auf Bewilligung. In diesem Jahr wird es bestimmt noch kein Geld geben, aber wir möchten die Projektidee testen, um Potenziale und Schwachstellen ausfindig zu machen", sagt Baumann.
Elisabeth Weith von der Arbeiterwohlfahrt betont, dass das Ziel des Projekts ja sei, Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zusammenzubringen - jedem die Möglichkeit zu geben, etwas dazu beizutragen. Die Arbeiterwohlfahrt spanne diesen Bogen auch - vom Krippenkind bis zum Senior seien bei ihr alle vertreten, um die sich die Awo kümmere.
Daher habe man die Idee auch gerne aufgenommen und wolle ebenfalls Beiträge liefern. "So etwas ist auch für unsere Einrichtungen und Dienste spannend, man kann einfach etwas ausprobieren", unterstreicht sie und betont, man habe sich relativ schnell dafür begeistern lassen.
"Das macht sicher auch unseren Einrichtungen Spaß." Es würden ja keine professionellen Fähigkeiten verlangt, jeder könne an dem Tag etwas beitragen.
Rüdiger Baumann jedenfalls ist optimistisch, dass die Idee auf fruchtbaren Boden fällt. Sein Resümee: " Das Ganze ist neu. Es gibt noch keine Erfahrungen. Niemand weiß, ob's klappt. Das ist vielleicht der beste Grund, es zu versuchen."
Wer Fragen hat oder bereit ist, sich mit Hirn oder/und Hand einzubringen, kann sich unter 09221/93393 oder info@spinnalto.de bei ihm melden.