Zwei Tage nach dem historisch-schlechten CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl fordern erste Stimmen den Rücktritt des Ministerpräsidenten.
Bei der CSU diskutieren sie zwei Tage nach der Bundestagswahl das historisch-schlechte Ergebnis. Während aus der Parteispitze keine negativen Töne nach außen dringen, gibt es an der Basis vereinzelt Rücktrittsforderungen gegenüber Ministerpräsident Horst Seehofer. Am Montag vom Ortsverband Großhabersdorf (Kreis Fürth), am Dienstag vom Kreisvorsitzenden in Nürnberg-Nord und vom Hofer Landtagsabgeordneten Alexander König. Doch was denken Mandatsträger und einfache Mitglieder im Raum Kulmbach?
Unter Offiziellen gilt: Für Personaldebatten ist nicht der passende Moment. "Jetzt geht es um die sachliche Auseinandersetzung bei der Regierungsbildung in Berlin und nicht um Personalfragen", ließ Kulmbachs Oberbürgermeister und Kreisvorsitzender
Henry Schramm über sein Büro mitteilen.
Offizielle wollen keinen Rücktritt
Und auch
Michael Pfitzner, Fraktionsvorsitzender im Kulmbacher Stadtrat, rät nicht zu Schnellschüssen. "Jedes Amt ist zeitlich. Als Kulmbacher sind wir aber wahnsinnig froh, dass uns Seehofer einen universitären Standort in die Stadt bringt. Das ist ein Sechser im Lotto."
Für Personaldiskussionen seien die nächsten Wochen falsch. "Ich bin Anhänger von rationaler Politik. Der Vorstand sollte zunächst hinter verschlossenen Türen diskutieren." Schließlich hätten die, die jetzt von Rücktritt sprechen, oft persönliche Befindlichkeiten als Motive.
Mit Blick auf die Landtagswahl 2018 gelte es, darzustellen, warum Bayern gut dastehe. "Wir können auf viele Erfolge verweisen und müssen jetzt weitere Projekte abschließen." Für Kulmbach nennt Pfitzner Campus, Spinnerei-Umbau und Wohnungsbau, etwa in Forstlahm.
Harald Hübner, CSU-Bürgermeister in Neudrossenfeld, findet die Rücktrittsforderungen "übertrieben und nicht zur rechten Zeit". Seiner Meinung nach könne man Seehofer das schlechte Ergebnis nicht anlasten. "Er hat in weiser Vorausschau darauf hingewiesen, dass in der Migrationsfrage zu wenig auf die Sorgen der Bevölkerung gehört wurde." Dass er recht hatte, zeige sich an der mittlerweile geänderten Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Hübner: "Man hätte damals konsequenter sein müssen." Dass Seehofer die Union mit der CDU nicht gekündigt habe, sei aber richtig gewesen. "Das wäre zu weit gegangen. Die CSU ist ja nicht gegen Flüchtlinge, wir sind Christen. Eine so lange Partnerschaft sollte man nicht einfach aufgeben."
Für die Zukunft wünsche sich Hübner kein AfD-Nacheifern. "Wir müssen vermitteln, für was unser Parteiprogramm steht. Wir sind in sicherheits- und migrationspolitischen Fragen ja bereits sehr konsequent." Und Flüchtlinge seien auch nirgends besser untergebracht als in Bayern. "Seehofers Haltung war vorbildlich. Er hat Hilfe gut organisiert und gut auf Probleme hingewiesen. Jetzt sollten sie mit der Obergrenze auf ihn hören."
Gemischte Stimmung an der Basis
An der Basis ist die Stimmung gemischt.
Heike Köhler (45), Vorsitzende der Frauen-Union Ludwigschorgast, ist Seehofer-Fan. "Er soll auf keinen Fall zurücktreten. Er hat für Bayern und für Kulmbach viel getan." Gerade nach dem schlechten Ergebnis sei es Seehofer, der den Bock umstoßen könne. Allerdings benötige er Rückhalt aus Berlin. "Die Obergrenze ist gut und auch sonst hat Seehofer gute Ideen. Die Kanzlerin sollte mehr auf ihn hören."
Ebenfalls gegen einen Seehofer-Rücktritt ist
Vanessa Uome (26), Kassierin der Frauen-Union Marktleugast - allerdings aus pragmatischen Gründen. "Damit ist keinem geholfen. Priorität haben jetzt die Koalitionsverhandlungen." Außerdem gelte es zu analysieren. "Im Wahlkreis Kulmbach gab es ja auch viel Positives. Unsere Direktkandidaten Emmi Zeulner war authentisch und hat gezeigt, wie es geht." Für die Zukunft sei es wichtig, Abgehängte und Nichtwähler ins Boot zu holen. Über die Frage, wer Seehofer einmal nachfolge, wünsche sie sich eine Mitgliederbefragung.
Für Wahlschlappe verantwortlich
Deutlich kritischer sieht
Wolfgang Protzner die Lage seiner Partei. "Nach so einer Niederlage muss an Kopf und Gliedern reformiert werden", sagt der 75-Jährige, der 42 Jahre im Kulmbacher Stadtrat und 18 Jahre im Kreistag saß. Horst Seehofer sei mit seinem schwankendem Kurs (Protzner: "Irrlichtern durch die Weltgeschichte") für den Wahlverlust verantwortlich. Er empfehle ihm, nicht nochmal zu kandidieren. "Politische Ämter sind keine Lebensaufgabe. Seehofer und Mutti werden sich nicht mehr lang halten. Die Leute wollen frische Köpfe", sagt Protzner, der selbst den Absprung verpasst habe.
"Irgendwann stumpft man ab. Ich hätte eine Legislaturperiode eher aufhören sollen." Inhaltlich sollten sich die etablierten Parteien wieder auf ihren Markenkern konzentrieren. CDU und CSU müssten konservativer, die SPD sozialer werden. Für die Union hieße das in der Flüchtlingsfrage. "Wir müssen Flüchtlinge aufnehmen. Aber nicht die ganze Welt." Seehofer solle den Übergang moderieren. Und einen Nachfolger hätte Protzner auch. "Guttenberg muss endlich zurück, er wird auch nicht jünger."
Eine Aussage, mit der er auch den Nerv von
Stefanie Baier (26) trifft. Die Vorsitzende der Frauen-Union Burgkunstadt sagt: "Wir brauchen frischen Wind. Seehofer soll den Platz frei machen für zu Guttenberg. Der hat immer einen tollen Job gemacht."