Raserunfall auf Kulmbachs Nordumgehung: Drei Zeugen belasten den Angeklagten

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Hat ein junger Mann vor einem Jahr durch sein rücksichtsloses Überholmanöver einen Unfall verursacht und dabei mehrere Menschenleben gefährdet? Damals waren ein Seat (Bild) und ein VW Transporter demoliert worden. Am Amtsgericht Kulmbach wird das Geschehen jetzt aufgearbeitet. Im Herbst folgt das Sachverständigengutachten.Archiv/Jochen Nützel
Hat ein junger Mann vor einem Jahr durch sein rücksichtsloses Überholmanöver einen Unfall verursacht und dabei mehrere Menschenleben gefährdet? Damals waren ein Seat (Bild) und ein VW Transporter demoliert worden. Am Amtsgericht Kulmbach wird das Geschehen jetzt aufgearbeitet. Im Herbst folgt das Sachverständigengutachten.Archiv/Jochen Nützel

Vor Gericht wird ein Unfall auf der Kulmbacher Nordumgehung mit Fahrerflucht untersucht. Das Sachverständigengutachten steht noch aus, aber drei Zeugen schildern das Unfallgeschehen identisch.

Das hätte bös' ausgehen können", meinte der Zeuge (24). Er erinnerte sich vor Gericht daran, was vor einem Jahr auf der Kulmbacher Nordumgehung geschehen war. "Wenn ich nicht gebremst hätte, wäre es zum Frontalzusammenstoß gekommen", sagte der Fahrer eines VW Transporters. Er sei voll in die Eisen gestiegen, weil ein Autofahrer bei Gegenverkehr überholt hatte. Durch die Vollbremsung kam es zu einem Auffahrunfall mit zwei demolierten Fahrzeugen und zwei Leichtverletzten. Derjenige, der den Unfall verursacht, Menschenleben gefährdet und dann das Weite gesucht haben soll, musste sich am Montag vor dem Jugendrichter verantworten.

Der 21-Jährige stritt es ab, der in der Anklageschrift beschriebene Verkehrsrowdy zu sein. Ihm wird fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Körperverletzung und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vorgeworfen. Das Amtsgericht Kulmbach muss klären, ob es sich um ein gefährliches und rücksichtsloses Überholmanöver handelte oder nicht.

Unterschiedlich geschildert

Unstrittig ist, dass der Angeklagte am 15. Juli 2019 um 18.50 Uhr von der Saalfelder Straße zur B 289 abbog. Er war Richtung Untersteinach unterwegs. Dort, wo das Überholverbot endet und sich die Straße auf eine Fahrspur verengt, scherte er mit seinem VW Golf aus, um ein vor ihm fahrendes Auto zu überholen. Dann kam der Gegenverkehr. Was weiter passierte, wird von den Beteiligten unterschiedlich geschildert.

Der Angeklagte, der seit vier Jahren den Führerschein hat, war sich keiner Schuld bewusst. Er sei nach wie vor der Ansicht, dass er damals überholen durfte. Die Strecke sei frei gewesen. Er habe den vor ihm mit circa 80 km/h fahrenden Golf überholt. Währenddessen habe er den entgegenkommenden VW Transporter wahrgenommen. "Er war aber weit genug weg", so der 21- Jährige. Er habe noch etwas beschleunigt auf knapp über 100 km/h und den Überholvorgang beendet. "Dann bin ich ganz normal eingeschert."

Weiter gab er an, den folgenden Auffahrunfall auf der Gegenfahrbahn - eine Pkw-Fahrerin hatte den Lieferwagen gerammt - nur im Außenspiegel gesehen zu haben. Dass es mit seinem Fahrverhalten zu tun haben könnte, habe er nicht gedacht. Deshalb habe er auch nicht angehalten.

Mit seiner Aussage stand der Angeklagte ziemlich allein da. Drei Zeugen, die damals unmittelbar beteiligt waren, schilderten das Geschehen völlig anders.

Es sei verdammt knapp gewesen, erklärte der Fahrer des VW Transporters. "Ich war erschrocken", sagte der Mann, "er hat trotz Gegenverkehr überholt." Geschätzter Abstand: 200 Meter. Er sei selbst 100 km/h schnell gewesen und habe eine Vollbremsung eingeleitet, um den Frontalzusammenstoß zu verhindern. Der entgegenkommende Golf sei knapp vor ihm eingeschert, aber der hinter ihm mit normalem Abstand folgende Seat sei ihm - etwa Höhe Real-Markt - ins Heck gekracht. "Es war ein heftiger Aufprall", so der Zeuge. Er habe der Fahrerin, die weggetreten war und dann in Tränen ausbrach, aus dem Auto geholfen. Am Transporter sei ein Schaden von 30 000 Euro entstanden. Er selbst sei wegen Nackenschmerzen eine Woche krankgeschrieben gewesen.

Auch die Frau gab an, den Golf auf der falschen Seite bemerkt zu haben. "Was soll das? Er muss doch sehen, dass wir kommen", habe sie gedacht. Sie habe ebenfalls voll gebremst, "aber es hat nicht gereicht".

Schuld an dem Unfall sei der Angeklagte. Ihr Seat sei Totalschaden gewesen, sagte die 25- Jährige. Zeitwert 8000 Euro. Sie habe Gesichts- und Handprellungen erlitten. Weil sie in ihrer Ausbildung keine Fehlzeiten wollte, habe sie drei Wochen Urlaub genommen, um die Verletzungen auszukurieren.

Mit dem Schrecken kam der dritte Zeuge davon. Er steuerte den Golf, den der Angeklagte überholt hatte, und sagte: "Ich fahre diese Strecke täglich. Eine unmögliche Stelle, um zu überholen." Er sei selbst knapp über 100 gefahren und habe ebenfalls gebremst, als er den Gegenverkehr sah. "Maximal zwei Meter ist er vor mir eingeschert. Junge, so geht's net", sagte der 30-Jährige und schätzte, dass der Angeklagte mit 130 Sachen vorbeigefahren sei.

Volle Dröhnung Musik

Dieser habe jedenfalls laute Musik gehört - volle Bassdröhnung - und deswegen vermutlich nichts vom Unfall mitbekommen. Der Zeuge hatte sich aber das Golf-Kennzeichen gemerkt und die Polizei informiert. So war man auf den Angeklagten gekommen.

Es fehlt noch das Gutachten des Kfz-Sachverständigen Dirk Schrievers aus Neudrossenfeld, der die Verhandlung verfolgte und Fragen stellte. Er braucht sechs Wochen für seine Expertise.

Deshalb wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt. Jugendrichter Christoph Berner: "Dann sehen wir uns irgendwann im Herbst wieder."