Während viele Einzelhändler in Kulmbach mit Prozenten auf Restposten locken, bereiten sich andere schon auf den Frühlingverkauf vor.
Sie sind kaum zu übersehen - neonfarbene Schilder und Plakate zieren in der Kulmbacher Fußgängerzone Wände, Schaufenster und Kleiderständer. Vereinzelt stöbern Kunden in Reihen mit den teilweise stark reduzierten Winterjacken, Mänteln und Schuhen vor den Geschäften. Von einem Massenansturm ist allerdings nichts zu sehen.
Im Einkaufscenter "Fritz" herrscht derweil ein regeres Treiben. Auch hier werben die Läden mit mehrfach heruntergesetzten Preisen. Slogans wie "Nimm drei, zahl zwei" und das Wort SALE prangt seit mehreren Wochen an vielen Schaufenstern - nach der Abkürzung WSV sucht man dagegen weitgehend vergebens. Der Ausverkauf nach amerikanischem Vorbild scheint den klassischen Winterschlussverkauf zu ersetzen.
Und das ist auch kein Wunder: Schon seit vielen Jahren gibt es keinen offiziellen Winterschlussverkauf mehr. Seit einer Gesetzesänderung vor 13 Jahren können die Händler die Zeit für Prozente selbst bestimmen. Der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels schlägt zur Orientierung immer ein Datum vor - dieses Jahr ist es der 30. Januar.
"Einen richtigen Run zu diesem Tag gibt es schon lange nicht mehr", erklärt Alexandra Hofmann, Inhaberin der Parfümerie Benker und Vorsitzende der Händlervereinigung "Unser
Kulmbach". In ihrer Parfümerie gebe es derzeit auf Accessoires und spezielle Taschen 20 Prozent Rabatt. "Aber einen richtigen Winterschlussverkauf habe ich nicht."
WSV auch in anderen Branchen
Laut Thorsten Becker, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern (HBE), der für Oberfranken zuständig ist, beteiligen sich heutzutage wieder mehr Händler am WSV als je zuvor - 70 Prozent sind es in ganz Deutschland: "Früher war der WSV auf Waren beschränkt, die zum Winter gehandelt wurden wie warme Pullover oder Stiefel."
Nun beteiligen sich verschiedenste Händler über alle Branchen hinweg. "Es ist immer eine gute Möglichkeit, seine Lager zu bereinigen", erklärt Becker. Das gelte nicht nur für Modegeschäfte, die auf Saisonware angewiesen sind. Auch Elektromärkte machen das gerne. "Die technische Entwicklung geht immer weiter, da ist es gut, die Lager leer zu haben", meint er.
Die BR hat sich mal bei den Kulmbacher Händlern umgehört: Wie lief das Geschäft in diesem Winter überhaupt? "Die Kälte hat sicher den einen oder anderen Kunden abgehalten, in die Stadt zu gehen", sagt Alexandra Hofmann. Das kalte Wetter hat den Umsatz gebremst, da ist sie sich sicher.
Auch Werner Türk, Inhaber einer Boutique für Herrenmode in der Fußgängerzone, teilt diese Erfahrung. "Der Dezember war zu warm und der Januar zu kalt", beschreibt Türk die nicht optimalen Wetterverhältnisse.
In anderen Geschäften scheint sich das winterliche Wetter dagegen positiv auf den Verkauf ausgewirkt zu haben: Im Schuhgeschäft "Wiegand" gab es laut Filialleiterin Silke Muhr eine so starke Nachfrage nach Winterschuhen, dass man kaum noch Restposten habe und demnächst schon die Frühlingsware einführen wolle.
Muhr beobachte seit Längerem, wie bedarfsorientiert das Kaufverhalten der Kunden geworden ist: "Man muss manchmal nur den Wetterbericht verfolgen und weiß schon, wie die Nachfrage am nächsten Tag sein wird." Diana Thümmel vom Modegeschäft "Felicissimo" freut sich ebenfalls, dass die Winterwaren nahezu ganz ausverkauft werden konnten. Auch in ihrem Geschäft sind ein paar reduzierte Restposten ausgeschrieben.
Ihre 25 Jahre Erfahrung im Einzelhandel zeigen Thümmel jedoch, dass Sonderangebote die Leute heute nicht mehr so sehr locken - Rabattaktionen gebe es schließlich das ganze Jahr über.
Winterware ist bereits weg
Vor dem Kleidungsgeschäft "Street One" gibt es keine Schilder und Plakate mit Prozenten. Verkaufsleiterin Inna Gette erklärt, dass die Winterware bereits komplett ausverkauft sei - Nachfrage sei auch kaum mehr vorhanden. "Jetzt kann der Frühling kommen", verkündet Gette enthusiastisch.
Ludwig Herrmannsdörfer, Geschäftsführer bei Sport und Freizeit Downstairs, erwartet ebenfalls keinen allzugroßen Ansturm der Schnäppchenjäger. Einfach herumgestöbert werde seiner Erfahrung nach immer weniger.
"Viele Kunden informieren sich heute vorab im Internet, wo ihnen eine endlos große Auswahl an Produkten geboten wird. Wenn sie das Geschäft betreten, haben sie bereits eine konkrete Vorstellung im Kopf." So werde es immer schwieriger, das Sortiment den Kundenansprüchen anzupassen. Insgesamt stelle der Onlinehandel eine zunehmende Konkurrenz für den Einzelhandel vor Ort dar.
In Zeiten, in denen die ständige Angebotsflut es dem Einzelhandel schwer macht, zeigen sich aber auch dessen Stärken. So legten Kunden immer mehr Wert auf eine angenehme Atmosphäre in den Verkaufsräumen, was auch das Einkaufserlebnis bereichere, bestätigen mehrere Geschäftsinhaber. "Vor allem aber schätzen sie eine kompetente, freundliche und ehrliche Beratung auf persönlicher Basis immer mehr", so Herrmannsdörfer. Das könne bisher noch kein Onlineversand bieten.