Sascha Seuß vom "Pflegenest Franken" in Untersteinach kennt die Probleme privater Pflegedienste - und sucht nach Lösungen.
Der kleine Vinzent war zu früh und zu schnell geboren, eine Sturzgeburt. Mit nicht einmal 1500 Gramm und noch unzureichend entwickelten Lungen. Nachdem er aus der Geburtsklinik und dem Brutkasten entlassen war, wurde er anschließend rund um die Uhr zu Hause durch den Intensivpflegedienst für Kinder betreut, den Sascha Seuß betreibt.
Vinzent brauchte ununterbrochen Beobachtung, musste über einen Luftröhrenschnitt und ein mobiles Gerät beatmet, regelmäßig abgesaugt und ansonsten wie jedes andere Kleinkind auch versorgt werden. Er wurde nur sechs Jahre alt.
Sascha Seuß erzählt auch von einem Mädchen. Es ist inzwischen eine junge Dame, 23 Jahre alt, und kommt mit dem Beatmungsgerät, das es ständig wie einen Rucksack mit sich trägt, zurecht. Andere Kinder kommen nach einiger Zeit sogar von der maschinellen Beatmung los.
An der Grenze der Belastbarkeit
Manchmal wäre es besser, die Kinder später aus der Klinik zu entlassen, so dass sie noch dort vom Beatmungsgerät "entwöhnt" würden und man eine aufwendige ambulante Pflege zu Hause ersparen könnte. Denn die Intensivpflege für Kinder ist an der Grenze ihrer Belastbarkeit - in jeder Beziehung.
Insgesamt 120 Pflegefachkräfte arbeiten in Seuß‘ "Pflegenest Franken" mit Sitz in
Untersteinach, decken den Raum Oberfranken und noch darüber hinaus ab.
"Wir haben auch schon Leute nach Forchheim geschickt und nach Thüringen", sagt Sascha Seuß. "Wir bräuchten aber mehr: Pfleger für Anästhesie und Intensivmedizin, Pflegefachkräfte zur außerklinischen Beatmung, examinierte Krankenpfleger sowie Atmungstherapeuten mit pflegerischer Ausbildung in Vollzeit, Teilzeit oder auch geringfügig beschäftigt. Das ist kein Nebenjob, man braucht dafür eine fundierte Ausbildung." Und persönliche Eignung, eigentlich sogar Leidenschaft für diese Tätigkeit. Beiläufig erzählt Sascha Seuß von sich selbst, dass sie, seit sie sich erinnern kann, beim Puppen spielen kein Kleider- sondern immer ein Arztköfferchen dabei hatte.
Großes Spannungsfeld
Die engagierte Arbeit am Patienten geschieht in einem großen Spannungsfeld: "Zum Wohl unserer Patienten halten wir strenge Qualitätsstandards ein, arbeiten ausschließlich nach anerkannten pflegerisch-therapeutischen Konzepten, fördern unsere Mitarbeiter," sagt Seuß. Trotzdem werde die verantwortungsvolle Arbeit unter Wert geschätzt - im Klartext: zu schlecht bezahlt. "Wir würden unsere Mitarbeiterinnen gerne besser honorieren. Als private Pflegedienste sind wir da im Nachteil. Wir müssen alle Kosten erwirtschaften - im Gegensatz zu sozialen Organisationen, die ganze Bundesverbände hinter sich haben und zudem Spenden und weitere Zuwendungen bekommen," klagt sie.
Mit manchen Krankenkassen müsse man um jeden Cent kämpfen, macht sie ihrem Ärger Luft. "Es geht dort doch nicht um notwendige Hilfen am Menschen, sondern nur ums Geld sparen." Und sie schimpft über weitere bürokratische Hürden. "Wenn man einen geringfügig Beschäftigten aufgrund eines akut notwenigen Bedarfs schon eine Stunde länger bei jemandem lassen muss, dann meldet sich sofort die Bürokratie." Dann müsse das Arbeitsverhältnis in ein normales umgewandelt werden. Unterm Strich bekomme die Angestellte wegen höherer Abgaben sogar weniger heraus, obwohl sie sich zum Wohl des Betreuten verstärkt eingesetzt habe.
Von wegen offenes Europa
"Wir wollen uns um Kinder und Jugendliche kümmern," sagt Seuß und richtet ihre Beschwerden an den Landtagsabgeordneten Martin Schöffel (CSU), der zu einem Besuch ins "Pflegenest" gekommen ist. "Das muss alles flexibler handhabbar werden," fordert sie. Es gehe doch um schwer kranke Menschen und nicht um die Pflege starrer Reglementierungen.
Dabei berichtet sie dem Abgeordneten auch von ähnlichen Problemen anderer privater Pflegedienste. Eine Kollegin habe in Ermangelung einheimischer Kräfte Leute aus Polen beschäftigt, um ihre Patienten hinreichend betreuen zu können. Nun müsse sie Tausende an Sozialbeiträgen nachzahlen für Arbeitskräfte aus einem an sich doch offenen Europa.
"Das ist unsinnig aufwendig und dauert ewig"
Und sie berichtet von einem weiteren Fall, einem Albaner, der für eine pflegerische Ausbildung ausgesprochen geeignet ist, einen Ausbildungsvertrag schon in der Tasche hat - aber die Ausbildung nicht antreten darf. Er müsse zuerst zurück nach Albanien, sich dort um ein Wiedereinreisevisum zum Zweck der Ausbildung bemühen. "Das ist unsinnig aufwendig und dauert ewig. Wir brauchen doch dringend Pflegekräfte." Dass das Problem bekannt ist , bestätigt Schöffel. Doch es könne nur auf Bundesebene gelöst werden. Man sollte aber die Probleme in der Region durchaus bündeln. Vielleicht eine Pflege-Konferenz machen, in der Lösungsvorschläge gesammelt und dann gebündelt nach Berlin weitergegeben werden sollten.
Zumindest werde er mit den weiteren Abgeordneten in der Region Kontakt aufnehmen, versprach Schöffel. Erste Ansprechpartner seien Gesundheitsministerin Melanie Huml und MdB Emmi Zeulner.
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